Äthiopien: Unterstützung nach Heuschreckenplage

12 Nov. 2020
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Tote Heuschrecken in Shilabo in der Somali-Region Äthiopiens. Viele der Heuschrecken wurden durch Insektizide getötet. Foto: FAO/Petterik Wiggers

Tote Heuschrecken in Shilabo in der Somali-Region Äthiopiens. Viele der Heuschrecken wurden durch Insektizide getötet. Foto: FAO/Petterik Wiggers

Neue Aussaat und Schutzmaßnahmen gegen die nächsten Schwärme

BALE, Äthiopien/GENF (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt Menschen in der äthiopischen Verwaltungsregion Oromia, die dieses Jahr von riesigen Heuschreckenschwärmen heimgesucht worden ist.

„Ich hatte die Gelegenheit, mich persönlich von den Schäden dieser Plage zu überzeugen, und konnte sehen, wie deren Folgen die Existenzgrundlagen der Menschen in diesen drei Distrikten gefährden“, sagt Nasir Kedir, LWB-Koordinator für die Heuschreckenbekämpfung in der Bale-Zone, einem Tieflandgebiet in der Verwaltungsregion Oromia. „In allen Verwaltungsregionen wurden mehr als 80 Prozent des Weidelandes zerstört.“

In der Bale-Zone allein haben die Wüstenheuschrecken mehr als 20.300 Hektar Land kahlgefressen – Weiden, Äcker und Wälder. Der LWB hilft jetzt den Landwirtschaftsbetrieben, wieder auf die Beine zu kommen. 

Eine weitere Katastrophe für besonders gefährdete Gemeinschaften

Die vom LWB-Team aufgenommenen Fotos zeigen eine Heuschreckenplage biblischen Ausmaßes: Die Straßen sind mit kleinen gelben Insekten bedeckt, die Felder zerstört, die Büsche recken nur noch kahle Zweige in den Himmel. Nach Aussage von Kedir sei die Regierung nicht in der Lage gewesen, auf dem gesamten Gebiet Insektizide zu versprühen. Aus diesem Grund haben die Menschen die Millionen von Heuschrecken mit ihren bloßen Händen bekämpft und versucht, sie mit Tüchern oder durch lautes Stockschlagen auf Töpfen oder Gewehrschüsse zu vertreiben.

Aliyi Ahmed ist einer der betroffenen Landwirte: „Diese Heuschreckeninvasion hat unsere Ernte, unsere Wiesen und Weideflächen sowie Teff, Sorghum und Mais vernichtet.“ Wie Ahmed haben auch Tausende andere Menschen die Ernte einer Saison verloren und damit auch das Futter für ihr Vieh. 

Die Plage habe Menschen in bereits prekären Lebenslagen getroffen, sagt Sophia Gebreyes, die LWB-Länderrepräsentantin in Äthiopien. Im Tieflandgebiet der Bale-Zone in der Verwaltungsregion Oromia leben Land- und Weidewirtschaft betreibende Gemeinschaften, die von seltenen und kurzen Niederschlägen abhängen und in denen fast das ganze Jahr Nahrungsmittel knapp sind. Die Invasion der Wüstenheuschrecken hat die Geschichte der Katastrophen, die das Tiefland von Bale heimgesucht haben, um ein weiteres Kapitel ergänzt. Bürgerkriegsähnliche Unruhen in Oromia führen ebenfalls immer wieder zu Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Kommunikation.

 

Eine Prognose der Welternährungsorganisation zeigt die zu erwartende Entstehung von Heuschreckenschwärmen im November und Dezember 2020. Heuschrecken im Jugendstadium (Nymphen) verursachen bereits Fressschäden, haben sich aber noch nicht zu Schwärmen zusammengefunden, die große Entfernungen zurücklegen können. Graphik: FAO

Saatgut, Nahrungsmittel, finanzielle Beihilfen

Der LWB hat mit Unterstützung der Europäischen Union und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg – einer LWB-Mitgliedskirche – ein Nothilfeprogramm ins Leben gerufen, um Farmerfamilien in der Bale-Zone zu helfen. Dreitausend Haushalte mit etwa 15.000 Menschen haben verbessertes Saatgut, Viehfutter und Finanzhilfen in bar erhalten damit sie sich wieder eine Existenz aufbauen können. 

Die Unterstützung durch den LWB hat es diesen Weidewirtschaft betreibenden Gemeinschaften ermöglicht, ihr Vieh zu behalten. Die Tiere wären ohne diese Hilfen wahrscheinlich verendet. Mit dem Bargeld waren sie in der Lage, alle notwendigen Artikel zu kaufen, die sie im Normalfall mit dem Ertrag aus der verkauften Ernte bezahlt hätten. „Die Zuwendungen des LWB, das verbesserte Saatgut und das Viehfutter haben uns vor den Schäden geschützt, die die Heuschrecken verursacht haben. Unserem Nutzvieh geht es gut“, fügt Ahmed hinzu.

Der LWB hat für die Landwirtschaftsbetriebe und für die örtliche Verwaltung ebenfalls Schulungen über Themen wie Ackerbau in Trockengebieten, Katastrophenschutz und Aufklärungsveranstaltungen über COVID-19 angeboten. Die Bedrohung durch die Pandemie ist für viele Menschen in der Bale-Zone im Vergleich zu den Heuschrecken und Dürren nur ein Nebenkriegsschauplatz.

Mehr Unterstützung erforderlich

Der LWB plant seine Unterstützung bis zum Januar. Für die Farmerfamilien sind die Lebensbedingungen nach wie vor prekär. Heuschrecken, Dürren und COVID-19 haben zu einem Verfall der Nutzviehpreise geführt und die Kosten für Feldfrüchte nach oben getrieben. Da die meisten Gemeinschaften in Bale Weidewirtschaft betreiben, hat ihre wichtigste Einkommensquelle an Wert verloren. Es fehlt deshalb an Geld, um das plötzlich stark verteuerte Getreide kaufen zu können.

„Letztes Jahr haben wir 25 Kilogramm Teff für 750 Birr (20 US-Dollar) bekommen. Jetzt müssen wir 1.100 Birr (30 US-Dollar) bezahlen. Bei diesem Preis können wir uns keine Nahrungsmittel mehr für unsere Familien leisten, und das macht uns Sorgen“, sagt der Landwirt Uhmer Ahmed. Nach Aussagen der Welternährungsorganisation (FAO) verfügt ein durchschnittlicher kleiner Bauernhof über ein Jahreseinkommen von etwa 1.246 US-Dollar. 

Die Bedrohung durch die Heuschreckenschwärme ist außerdem noch nicht vorbei, da bereits die Larven der nächsten Generation heranreifen. In einer aktualisierten Einschätzung von Ende Oktober 2020 hat die FAO die Lage in Äthiopien als „hochriskant“ eingestuft, obwohl es Fortschritte bei der Schädlingsbekämpfung gibt. Die Gefahr stammt von brütenden Insekten in den Regionen Afar und Somali, aber auch aus dem Jemen sind neue Heuschreckeninvasionen zu erwarten, da es dort schwer zugängliche Landstriche gibt und die Tiere sich dort ungestört vermehren und Schwärme bilden können.

„Die neuen Schwärme haben bereits einige Landstriche in der Nachbarregion Oromia befallen“, sagt Endeshaw Mulatu, LWB-Livelihood-Beauftragter in Äthiopien. „Die Regierung versucht, den Schwarm unter Kontrolle zu bringen, bevor er sich auf andere Gebiete ausbreitet, und versprüht zu diesem Zweck Insektizide aus Flugzeugen. Die Regierung hat aber wahrscheinlich nicht die Mittel, auch weit entfernt liegende Gebiete wie Bale zu schützen“, fügt er hinzu. 

Der LWB ist Teil der Regional Desert Locust Alliance, einer Gruppe von 48 Hilfsorganisationen im Kampf gegen die Heuschreckenplagen, und fordert Regierungen und Spenderorganisationen auf, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und die landwirtschaftlichen Gemeinschaften zu unterstützen.

LWF/OCS