Tschechische Republik: Interkulturellen Dialog auf der Bühne fördern

Mit einem Theaterstück setzt sich das LWB-Büro in Prag für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die tschechische Gesellschaft ein. 

13 Jan. 2025
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Das Theater ermutigt Menschen aus verschiedenen Ländern, Tschechisch zu üben und ihre Geschichten zu erzählen. Foto: LWB/J. Pasz

Das Theater ermutigt Menschen aus verschiedenen Ländern, Tschechisch zu üben und ihre Geschichten zu erzählen. Foto: LWB/J. Pasz

LWB unterstützt Integration und Erzählen von Lebensgeschichten durch Amateurtheater 

(LWI) – Zu den wenigen Dingen, die Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten immer bei sich tragen, egal wohin sie gehen, zählen ihre Erinnerungen und Lebensgeschichten. Das LWB-Büro in Prag, Tschechische Republik, hat Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft und Einheimische animiert, ihre jeweilige Lebensgeschichte in einem Theaterstück zu erzählen, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und die Integration zu fördern. Die Uraufführung des ersten Stücks fand im November 2024 statt. 

Basierend auf den wahren Lebensgeschichten von Eingewanderten und Einheimischen in Prag beschäftigt sich das Stück mit den universellen Herausforderungen in Sachen Liebe, Freundschaft, Angst und schwierigen Lebensentscheidungen. Die Amateur-Schauspielerinnen und -schauspieler brachten Fragen aus ihrem Alltag in das Stück ein: Wie kann ich mit den gesellschaftlichen Stereotypen umgehen, mit denen ich als alleinerziehende Mutter konfrontiert bin, und mich gleichzeitig daran orientieren, was für mich und Baby das Beste ist? Wird mich die Mutter meiner Freundin akzeptieren oder immer denken, dass ich unsere Ehe nur als Mittel zum Zweck für eine Aufenthaltsgenehmigung benutze? Wo bekomme ich Hilfe bei häuslicher Gewalt, wenn ich die Landessprache nicht spreche? Werden die Behörden mir Vertrauen schenken oder wird mir Abschiebung drohen? Das sind nur einige der Fragen aus dem wahren Leben, um die es in dem Theaterstück mit dem Titel „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens“ geht, das am Divadlo na Vinohradech-Theater D21 in Prag uraufgeführt wurde. 

Die Produktion wurde mit Unterstützung des Weltdienstprogramms des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Prag konzipiert, um den interkulturellen Dialog und die Integration in der Tschechischen Republik zu fördern. Seit Anfang 2024 arbeitet das LWB-Büro in Prag mit lokalen Partnern zusammen, um die Verständigung zwischen Einheimischen und Zugewanderten zu fördern. Mit der Theaterproduktion hat das LWB-Büro in Prag eine sichere Plattform für Menschen unterschiedlicher Herkunft geschaffen, um von ihren Erfahrungen zu berichten, das gegenseitige Verständnis zu verbessern und die kulturelle Wertschätzung zu fördern. 

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Viele Szenen wurden von realen Erfahrungen der Laiendarstellerinnen und -darsteller inspiriert. Foto: LWB/J. Pasz

Viele Szenen wurden von realen Erfahrungen der Laiendarstellerinnen und -darsteller inspiriert. Foto: LWB/J. Pasz

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Das Stück wurde Anfang November 2024 uraufgeführt. Foto: LWB/J. Pasz

Das Stück wurde Anfang November 2024 uraufgeführt. Foto: LWB/J. Pasz

Zusammenprall verschiedener Welten 

Zugewanderte Menschen in die Aufnahmegesellschaft zu integrieren, wird oftmals als große Herausforderung gesehen, die eine gute Zusammenarbeit der örtlichen Bevölkerung und der Zugewanderten verlangt. Rollenspiele und Theater sind Instrumente, die der LWB in vielen Ländern nutzt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und die Integration von vertriebenen Menschen in die Aufnahmegesellschaften zu fördern. 

Den Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten in der Tschechischen Republik hilft die Initiative zudem bei der Verbesserung ihrer Sprachkompetenzen. „Die Aufführung hat mir das Selbstvertrauen geschenkt, das Theaterspiel weiterzuverfolgen“, erzählt Sultanna Khairetdinova, eine Studentin aus Kasachstan. „Ich konnte mein Tschechisch verbessern, das Publikum hat mich inspiriert und ich möchte mich weiterentwickeln!“ 

Marie Dos Santos, eine Musikerin und Songwriterin aus der Tschechischen Republik, sagt: „Ich habe mitgemacht, um wieder Theater zu spielen und zu erkunden, inwiefern unsere Unterschiede eine Bereicherung für uns sind. Ich habe mein künstlerisches Selbstvertrauen wiedergewonnen und es war großartig, mit meinem Ehemann, der aus Brasilien stammt, zusammen auf der Bühne zu stehen. Ich bin mir der kulturellen Stereotype bewusst, mit denen er immer wieder konfrontiert ist.“ 

Neue Blickwinkel 

„Unsere Geschichte ermöglichte einen Zusammenprall von verschiedenen Welten. Wir alle sind mit Problemen konfrontiert, aber gehen unterschiedlich damit um. In dem Theaterstück haben wir verschiedene Geschichten darüber zusammengeführt, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe und Freundschaft, Angst, Altern, und die Erkenntnis, wie schwierig es ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen“, berichtet Violetta Eterová, die das Theater leitet. Sie ist eine Theaterdirektorin aus Belarus, die seit 27 Jahren in der Tschechischen Republik lebt. 2019 hat sie das Theater gegründet, das sich auf Produktionen mit Laienschauspielerinnen und -schauspielern konzentriert. 

„Das Theater ist wie ein Miniaturmodell der Gesellschaft – durch das Theater können Menschen aus anderen Ländern lernen, sich im Leben hier zurechtzufinden, und ihre Angst vor der Tschechischen Sprache überwinden. Für Tschechinnen und Tschechen ist es eine Möglichkeit, ihren Vorurteilen gegenüber Fremden entgegenzuwirken und diese zu überwinden“, führt Eterová aus. 

„Wenn wir von einem an einen anderen Ort ziehen, nehmen wir unsere Lebensgeschichten mit“, erklärt auch Nazakat Bayverdiyeva, die Direktorin des LWB-Büros in Prag. „Diese Geschichten bilden Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, sorgen für ein Dazugehörigkeitsgefühl am neuen Wohnort. Es bereichert uns, wenn wir sie erzählen, und sie ermöglichen uns neue Blickwinkel, die wir ansonsten vielleicht gar nicht wahrnehmen.“ 

LWB/J. Pasz, C. Kästner-Meyer