Ukraine: LWB und UNHCR eröffnen Untergrund- Schulen in Charkiw

Der LWB, das UNHCR und lokale Hilfsorganisationen haben in der ukrainischen Stadt Charkiw Klassenzimmer in Luftschutzbunkern gebaut. Mehr als 3.000 Kinder können so wieder sicher persönlich am Unterricht teilnehmen.

19 Febr. 2025
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Students and teachers at the opening of the Pishanka school in Kharkiv. Photo: LWF/ L. Gillabert

Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte bei der Eröffnung der Pischtschanka-Schule in Charkiw. Photo: LWF/L. Gillabert

„Die Chance, eine ganze Generation zu retten“

(LWI) – „Es ist wunderbar! Ich war so lange nicht mehr in der Schule. Auch meine Freunde habe ich so lange nicht gesehen. Endlich kann ich meine Lehrerinnen und Lehrer wiedersehen!”

Schon seit drei Jahren kann die 14-jährige Anastasia Stoychan nicht mehr zur Schule gehen. Ihre Heimatstadt Charkiw in der Ostukraine befindet sich im Krieg, mehrmals täglich heult der Luftalarm. Es gibt Raketen- und Bombenangriffe. Vor diesem Hintergrund hat der Lutherische Weltbund (LWB) in der Ukraine gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und lokalen Partnern unterirdische Klassenzimmer gebaut. 3.885 Schülerinnen und Schülern und ihre Lehrkräfte haben so sichere Räume zum Lernen. Die ersten beiden Standorte sind nun eröffnet worden.

Seit dem 24. Februar 2022 ist der Alltag für Kinder in der Ostukraine alles andere als normal. Seit dem russischen Großangriff auf die Ukraine wurden über 3.600 Schulen beschädigt und fast 400 zerstört. In Charkiw, wo fast die Hälfte aller Schulen betroffen ist, können drei von vier Schülerinnen und Schülern nur online am Unterricht teilnehmen. Viele verbringen täglich Stunden in Kellern und U-Bahn-Stationen. In der Region Charkiw wurde fast die Hälfte aller Schulen beschädigt oder zerstört, rund 40.000 Schülerinnen und Schüler sind betroffen.

„Von unschätzbarem Wert“

Vor einem Jahr hat die Stadt Charkiw die Initiative „Metro-Schulen“ ins Leben gerufen – unterirdische Klassenzimmer in U-Bahn-Stationen und anderen sicheren Orten, in denen die Schülerinnen und Schüler ohne Unterbrechung durch Luftangriffe lernen können. Der LWB, das UNHCR und die lokale Partnerorganisation Spilna Sprava Dlia Liudey (Deutsch: „Gemeinsame Arbeit für die Menschen“) haben dieses Projekt gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt und den örtlichen Behörden auf den Weg gebracht.

„Der Krieg hat alles verändert. Statt moderne Schulen zu eröffnen, sind wir gezwungen, unterirdische Bildungsräume zu schaffen. Wir haben keine Wahl, es geht nicht anders“, so der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, bei der Eröffnung einer der Schulen.

„Diese Schülerinnen und Schüler hören die Stimmen ihrer Lehrer nicht mehr nur am Bildschirm. Sie sind wieder zusammen, reden miteinander, schließen Freundschaften, lachen. Und das ist von unschätzbarem Wert, denn in der Schule geht es ja nicht nur um Wissen, sondern auch um Gefühle, das Sozialverhalten und gegenseitige Unterstützung. Es ist eine Chance, eine ganze Generation zu retten – sie stark zu machen, sie zu unterrichten und sie darauf vorzubereiten, ihr Land wieder aufzubauen. Unser Dank gilt allen, die uns dabei helfen, den Kindern trotz aller Schwierigkeiten ein Gefühl von Normalität zu vermitteln“, so Terechow.

Platz für 3.245 Jungen und Mädchen

Rund 250 Kinder und Jugendliche werden die unterirdische Schule in Pischtschanka besuchen können. Auch Anastasia Stoychan und ihre Klasse werden dort unterrichtet. Gemeinsam mit Partnern unterstützt der LWB den Umbau von sechs Luftschutzbunkern zu Schulen. Er schafft damit sichere KLassenzimmer für 3.245 Schülerinnen und Schüler und 581 Lehrkräfte. Insgesamt können nach Abschluss der Arbeiten 7.500 Schülerinnen und Schüler in Charkiw im Wechselmodell dem Präsenzunterricht folgen.

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Anastasia Stoychan (in black) and Kateryna Gladkova (white), 14 years old, 9th grade students at Pishanka underground school. Photo: LWF/ L. Gillabert

Anastasia Stoychan (schwarz gekleidet) und Kateryna Gladkowa (weiß gekleidet), 14-jährige Schülerinnen der Klasse 9 der unterirdischen Pischtschanka-Schule. Bild: LWF/L. Gillabert

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Sergey Zubov, physics, math and IT teacher. Photo: LWF/ L. Gillabert

Sergey Zubow, Lehrer für Mathematik und Informatik. Bild: LWF/L. Gillabert

Die neuen Klassenzimmer sind mit modernen Möbeln, Unterrichtsmaterialien und elektronischen Geräten für unterschiedliche Klassenstufen ausgestattet. Zusätzlich gibt es Freizeitbereiche und eine behindertengerechte Infrastruktur, sodass sowohl die Bildung als auch das psychosoziale Wohlbefinden gefördert werden.

„Diese Schule in einem Notquartier bietet nicht nur einen sicheren Platz zum Lernen. Sie gibt den Kindern auch ein Stück Normalität zurück und ermöglicht ihnen, trotz des Krieges aufzuwachsen und zu lernen“, sagte Barnabas Szatmari, LWB-Länderbeauftragter in der Ukraine. „Mit dieser gemeinsamen Anstrengung geben wir den Kindern Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“

„Eine Schule ohne Kinder ist nur ein toter Ort"

Sergey Zubov unterrichtet seit 2016 die Fächer Mathematik, Physik und Informatik an der Pischtschanka-Schule. Er beschreibt die Herausforderungen des Online-Unterrichts, und wie Mitarbeit und Leistung der Schülerinnen und Schüler leiden, wenn kein persönlicher Kontakt möglich ist.

Schulen sollten voller Leben, Lärm und Energie sein. Eine Schule ohne Kinder ist nur ein toter Ort.

Sergey Zubow, Lehrer an der Pischtschanka-Schule.

„Online zu unterrichten war schwierig. Mir fehlte der Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern, und ihre Leistungen waren viel schlechter als sonst“, berichtet er. “Schulen sollten voller Leben, Lärm und Energie sein. Es ist schön, diese Atmosphäre wieder zu haben. Eine Schule ohne Kinder ist nur ein toter Ort.“

Der Wiederaufbau der Schule wurde vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Zusammenarbeit mit dem LWB Ukraine und Spilna Sprava Dlia Liudey unter Mitwirkung der Stadt Charkiw durchgeführt. Er wurde mit Mitteln der Diakonie Österreich und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) finanziert.

LWF/C. Kästner-Meyer, L. Gillabert