Kirchliche Initiative fördert Vertrauen unter Religionen und in der Bevölkerung
Addis Abeba, Äthiopien/Genf (LWI) – Im Rahmen eines durch den Lutherischen Weltbund (LWB) und die Äthiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY) initiierten Friedensprojekts, dem drei UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung die Richtung weisen, engagieren sich Leitungsverantwortliche aus verschiedenen Religionen für ein friedliches Zusammenleben und gegen potenzielle Religionskonflikte in Äthiopien.
Dr. Ojot Miru Ojulu, Assistierender Generalsekretär des LWB für Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte, der das Projekt begleitet, stellte fest, es habe angesichts der „Anstrengungen des Landes, den Übergang zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu bewältigen“, die Leitungsverantwortlichen aus den Religionen dazu angeregt, gemeinsam ihre Stimme für den Frieden zu erheben „und die Menschenrechte aller Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen“.
Ojulu stellte fest, Äthiopien habe sich zwar auf den Weg zu Demokratie und Frieden gemacht, aber es bestünden weiter erhebliche Herausforderungen. „Der LWB arbeitet mit seiner Mitgliedskirche, der ÄEKMY, sowie dem Interreligiösen Rat von Äthiopien zusammen, um Religionsverantwortliche dazu zu befähigen, dass sie ihren Teil beitragen zu Versöhnung und friedlicher Koexistenz.“
Vertrauensbildung fördert Frieden
Die von der norwegischen Entwicklungshilfeorganisation Norad finanzierte Initiative, für deren Umsetzung das Büro der ÄEKMY-Friedenskommission verantwortlich ist, „stieß gleich zu Anfang auf große Zustimmung bei der Bevölkerung“ und habe Vertrauen geschaffen zwischen den verschiedenen Akteuren, so dass sie „sich gemeinsam in der Friedensförderung engagieren“, stellt ein im Mai 2019 vorgelegter Fortschrittsbericht fest.
Das auf zwei Jahre angelegte Projekt unterstützt den fortdauernden diakonischen Einsatz der Kirche für die Förderung von Toleranz zwischen den Religionen durch Dialog (Nachhaltigkeitsziel 16), wobei die Erreichung von Geschlechtergleichheit (Ziel 5) als übergreifender Auftrag verstanden wird und bewusst möglichst viele unterschiedliche Akteure in die entsprechenden Partnerschaften (Ziel 17) eingebunden werden. Zum Auftakt des Projekts fand im Juni 2018 im Bezirk Begi in der Verwaltungsregion Oromia ein Eröffnungsworkshop statt, an dem 41 Vertreterinnen und Vertreter von Glaubensgemeinschaften, traditionellen Dorfvorständen und Behörden teilnahmen.
„Das so gelegte Fundament war hilfreich, um das Projekt in dieser Region trotz der extremen Sicherheitsprobleme weiterzuführen, denn alle wichtigen Akteure sind informiert und wissen, dass sie damit das Richtige tun zum Wohl ihrer jeweiligen Gemeinschaft“, heißt es in dem Fortschrittsbericht.
Im Oktober 2018 eigneten sich Religionsverantwortliche in einem Multiplikatoren-und-Multiplikatorinnen-Training Kompetenzen für die Konfliktbeilegung und -bewältigung mit friedlichen Mitteln an. Im Dezember veranstalteten der Interreligiösen Rat von Äthiopien und die ÄEKMY eine gemeinsame Friedenskonferenz in der Hauptstadt Addis Abeba, die im Fernsehen übertragen wurde. Die 200 Teilnehmenden – hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Religionsgemeinschaften, Hochschulen und Zivilgesellschaft – hatten damit Gelegenheit, ihre Friedensbotschaft an die 105 Millionen Menschen starke Bevölkerung des ostafrikanischen Landes weiterzugeben. Die aktuellsten Zensusdaten besagen, dass 62,8 Prozent der äthiopischen Bevölkerung dem Christentum und 33,9 Prozent dem Islam angehören, die verbleibenden gut 3 Prozent verteilen sich auf traditionelle und sonstige Religionen.
Beitrag der Frauen zum Frieden
In der Führung der meisten religiösen Institutionen Äthiopiens sind Frauen kaum vertreten, das Projekt betont seinerseits jedoch den wichtigen Beitrag, den sie zum Frieden zu leisten haben, und ist darauf ausgerichtet, Frauen in Trainings und Friedenskonferenz einzubinden. Der Bericht erklärt dazu: „Religiöse Institutionen, die Frauen von Leitungspositionen ausschließen, wurden von Gleichgestellten dazu angeregt, ihre Position zu überdenken.“
Das ÄEKMY-Frauenforum, zu dem regelmäßig über 200 Teilnehmerinnen aus dem ganzen Land zusammenkommen, widmete im Mai 2019 der Rolle von Frauen in der Friedensarbeit eine Sondersitzung. Im Rahmen des Friedensprojekts soll die Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen über Frauen, Frieden und Sicherheit in Regionalsprachen übersetzt werden.
Konkrete Maßnahmen der Religionsverantwortlichen
Als Fazit stellt der Fortschrittsbericht fest, für eine Bewertung der langfristigen Wirkung der Friedensinitiative sei es noch zu früh, allerdings habe die Mobilisierung der Religionsverantwortlichen bereits dazu beigetragen, potenzielle Gewalt zwischen den Glaubensgemeinschaften in den Unruhebezirken Begi und Kondala im Westen des Landes zu verhindern, wo es in den letzten Jahren bereits zu Übergriffen zwischen der christlichen und der muslimischen Bevölkerung gekommen war.
Der Bericht verweist auf einen Vorfall im Oktober 2018. Damals hatte sich eine gewaltbereite Gruppe gebildet, die Menschen in ihrer Nachbarschaft angreifen wollte. Einem der Teilnehmenden des Trainings in Addis Abeba gelang es nach seiner Heimkehr nach Begi, die Gruppe davon zu überzeugen, dass eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten möglich sei.
„Ich habe ihnen gesagt, Dialog ist die einzige Möglichkeit, um in unserer Gesellschaft Frieden zu schaffen. Ich bin zu [ihrem] Treffen gegangen und habe sie überzeugt, ihre Pläne für Gewalttaten aufzugeben“, erinnert sich Almeladi* aus Begi.
Aus dem Bezirk Begi wird weiter berichtet, Pastor Alemayeu* habe die evangelikalen Pastoren aufgerufen, in ihren Predigten zur Toleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen aufzurufen. Auf nationaler Ebene hat auch die Gemeinschaft äthiopischer evangelischer Kirchen, deren Gründungsmitglied die ÄEKMY ist, ein Friedensprogramm aufgelegt.
“Dies ist ein weiteres Beispiel von Religionsverantwortlichen, die infolge des Trainings konkrete Schritte unternehmen, um die Botschaft vom Frieden weiterzusagen und Brücken zu anderen Glaubensgemeinschaften zu schlagen“, erklärt dazu der Fortschrittsbericht.
Weiter wird festgestellt, dass die Sicherheitslage zwar problematisch bleibe, unter dem neuen Premierminister Dr. Abiy Ahmed Ali aber wichtige Versöhnungsschritte unternommen würden.
Das LWB/ÄEKMY-Friedensprojekt habe sich auf nationaler Ebene auf diese neuen Gegebenheiten eingestellt und vermittle den Religionsverantwortlichen die nötigen Kompetenzen, um „ihren Teil beizutragen zum Heilungs- und Versöhnungsprozess im Land“, so der Bericht. Dieser Schritt habe sowohl bei der ÄEKMY als auch beim Interreligiösen Rat die Kapazität zur Weiterführung der Friedensinitiative gestärkt.
(*Zum Schutz der betreffenden Personen wurde auf die Nennung von Familiennamen verzichtet.)
Der Norad-Bericht im (englischen) Wortlaut
Der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus, der Präsident Pfr. Yonas Yigezu Dibisa vorsteht, gehören über 9,3 Millionen Gläubige in mehr als 9.000 Gemeinden in allen neun Verwaltungsregionen Äthiopiens an. Das Büro der Friedenskommission wurde 1993 eingerichtet und soll durch landesweite Friedens- und Versöhnungsarbeit das Profil der Kirche in der Gesellschaft schärfen. Seit 1963 ist die ÄEKMY Mitglied des LWB.