Lutherische Kirche in Simbabwe fördert Gendergerechtigkeit stellt sich der Problematik von Kinderehen
HARSRE, SIMBABWE/GENF (LWI) – „Mittlerweile beteiligen sich Mädchen und Jungs etwas ausgewogener an der Hausarbeit, aber das ist noch nicht in allen Familien so“, befindet Whitney Gengere. Die 16-Jährige besucht die Sekundarschule der Mnene Mission im Süden von Simbabwe. Nach wie vor sind es die Mädchen, die kochen, und die Jungen, die das Feuerholz holen, aber in den letzten Jahren hat sich insgesamt doch sehr viel getan.
Brandon Msakanda (16) besucht mit Gengere die 12. Stufe der von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe (ELKS) getragenen Schule. Auch er findet, dass ihre Altersgruppe ein größeres Bewusstsein dafür besitzt, dass Mädchen und Jungen gleichbehandelt werden müssen. Aber er räumt ein, dass es immer noch Kinderehen gibt. Es würden zwar weniger, da die staatlichen Kontrollen strenger geworden seien, jedoch seien Mädchen am stärksten betroffen: „Ich kenne in meinem Umfeld keine, die gezwungen wurde, sehr jung zu heiraten, aber ich weiß, dass es in manchen Schulen solche Fälle gibt.“
Insgesamt betreibt die ELKS 15 Schulen. In ihnen allen laufen seit 2015 im Rahmen des wegweisenden Programms zur Förderung von Gendergerechtigkeit, das die Kirche im Juni desselben Jahres aufgelegt hat, Bewusstseinsbildungsmaßnahmen zu dieser Problematik. Damit soll in der simbabwischen Gesellschaft das Verständnis dafür gefördert werden, dass Frau und Mann als gleichberechtigte Personen geschaffen wurden und beiden Geschlechtern gleiche Chancen offenstehen sollten. Mit dem Programm sollen zudem die Frauen gestärkt werden, die aufgrund von Klischeevorstellungen traditionell unter Diskriminierung und Ausgrenzung leiden.
Zahlreiche Stimmen weisen dem Programm, das auch von staatlicher Seite unterstützt wird, Vorbildcharakter für das Land aus. Das zuständige Ministerium plant derzeit, das Thema Gendergerechtigkeit in den neuen landesweiten Rahmenlehrplan für Primar- und Sekundarschulen aufzunehmen. „Wir freuen uns ungemein, dass dank der Anstrengungen der lutherischen Kirche die Genderthematik – dass alle eingebunden sein, gleich wertgeschätzt und gerecht behandelt werden sollten – Eingang in den schulischen Lehrplan findet“, erklärt dazu Pfarrerin Elitha Moyo, die bei der ELKS das Programm zur Förderung von Gendergerechtigkeit koordiniert.
13 Jahre und verheiratet
Frühehen sind eines der Probleme, die das Programm thematisiert. „Die Polygamie ist nach wie vor verbreitet. In diesem Zusammenhang werden vor allem in armen ländlichen Familien Mädchen, die zum Teil erst 13 Jahre alt sind, gezwungen, als dritte oder fünfte Ehefrau viel ältere Männer zu heiraten. Das zerstört alle Bildungschancen und die Zukunft dieser Mädchen“, erläutert Moyo und ergänzt, in solchen Familienkonstellationen komme es häufig zu häuslicher Gewalt.
„Ohne Rücksicht auf den Wunsch des Mädchens nach Bildung wird es in solchen Fällen in die Ehe gegeben, um die Armut der Familie zu lindern. Sind arme Familien mit dem Problem konfrontiert, dass sie nicht in der Lage sind, allen Kinder eine schulische Bildung zu ermöglichen, werden in der Regel die Mädchen aus der Schule genommen, auch wenn sie vielleicht zielstrebiger und interessierter sind als ihre Brüder. Manchmal erhält eine Familie Säcke voller Mais und Vieh als Brautgeld, wenn sie ihre Tochter hergibt. Unser Ziel ist es, dieses Verhalten zu verändern durch die Stärkung des Bewusstseins für die gesundheitlichen, psychischen und physischen Gefahren und Schäden, die diese Praxis für die Mädchen mit sich bringt“, führt Moyo aus.
Die ELKS führt in verschiedenen ihrer Gemeinden in entlegenen Gebieten Seminare zum Thema Gendergerechtigkeit durch. Moyo betont, diese Bewusstseinsbildung habe dazu geführt, dass Geschlechterrollen besser durchschaut würden. Inzwischen werde etwa offen darüber diskutiert, dass vielfältige problematische gesellschaftliche Muster geändert werden müssten, die Frauen schadeten. „Wenn beispielsweise eine Frau stirbt, wird ihre jüngere Schwester gezwungen, den Witwer zu heiraten. So etwas sollte nicht passieren, besonders sollte es keinem Mädchen passieren, das selbst noch ein Kind ist.“
Veränderungen in der Wahrnehmung
Rodwell Ncube hat ein solches Seminar in der Nähe der Stadt Bulawayo besucht. Er stellt fest, die Wahrnehmung verändere sich in einer Gesellschaft, in der die Männer so sozialisiert wurden, dass sie sich als „Frauen gegenüber überlegen“ wahrnähmen. Das Seminar der ELKS hätte zur Folge, dass bei Dorfversammlungen das Thema genderbezogene Ungerechtigkeit heute diskutiert werde.
„Es gibt zwar immer noch viele Traditionen und kulturelle Gewohnheiten, die geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten fördern, aber das Seminar hat uns dabei geholfen, einige davon zu verstehen. Wenn zum Beispiel ein Mann stirbt, so fällt das Erbe an seinen jüngeren Bruder. Die anhaltende Armut macht es oft schwierig, den Teufelskreis von Frühehen zu durchbrechen. Kinder erhalten eine Primarschulbildung, können aber nicht die Sekundarschule besuchen. Das schafft Probleme in diesen armen Familien. Die Eltern wissen das und manchmal meinen sie, für die Mädchen sei es besser, verheiratet zu sein, als nach dem Schulabbruch ohne Chance auf weitere Bildungsmöglichkeiten dazustehen“, erläutert Ncube.
Hloniphani Dube nahm ihrerseits in einer gemischten Gruppe an einem Seminar teil. Sie findet, durch das Programm entstünden neue Rollenbilder, vor allem für Jungen und Mädchen auf dem Land, und es fördere in Familien die konstruktive Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen: „Bei dem Seminar sind sich auch die Männer ihrer Rolle in der Familie bewusst geworden. Vorher waren es immer die Frauen, die Wasser holen gingen, jetzt machen das auch Männer. Gendergerechtigkeit ist wichtig, denn sie schafft Frieden in den Familien.“
LWB-Grundsatzpapier als Vorlage
Moyo erläutert, das Programm der ELKS zur Förderung von Gendergerechtigkeit sei angeregt worden durch das „Grundsatzpapier: Gendergerechtigkeit im LWB“. „In unserem Fall haben wir uns zunächst dafür entschieden, unser eigenes Programm zu entwickeln, in das wir verschiedene Aspekte des für die Weltebene konzipierten LWB-Grundsatzpapiers eingearbeitet haben.“ Mittlerweile interessieren sich auch andere Kirchen in Simbabwe für das Programm der ELKS, das auf staatlicher Seite durch das Ministerium für Frauenfragen, Gender und Gemeinwesenentwicklung sowie durch den Kirchenrat von Simbabwe beworben wird, dem die ELKS angehört.
Es bestehe eine erhebliche Schnittmenge zwischen den Inhalten des LWB-Grundsatzpapiers und des Programms der ELKS, so Moyo. Das LWB-Papier habe als Vorbild und wichtigste Referenzquelle gedient. „Das heißt, beide verfolgen denselben Zweck – sie sollen in unseren Kirchen und Gemeinwesen aller Regionen der lutherischen Kirchengemeinschaft das Bewusstsein dafür stärken, dass Gendergerechtigkeit notwendig ist.“ Einen Beleg dafür, dass beide Dokumente größte Bedeutung für die simbabwische Bevölkerung haben, biete die Tatsache, dass sowohl das LWB-Grundsatzpapier als auch das ELKS-Programm derzeit in zwei wichtige Lokalsprachen übersetzt würden.