Stimmen aus der Kirchengemeinschaft: Der Vorsitzende Bischof Tomás Ndawanapo über Herausforderungen und Hoffnung
(LWI) - In diesem Jahr feiert die Evangelisch-Lutherische Kirche Angolas den 70. Jahrestag der Ordination ihres ersten einheimischen Pfarrers, der aus dem Nachbarland Namibia entsandt wurde. Die Geschichte der Kirche reicht allerdings noch viel weiter zurück. Ende des 19. Jahrhunderts hatten deutsche und finnische Missionare in Namibia mit der Evangelisierung und der Gründung von Gemeinden im Süden Angolas begonnen.
Das war eine schwierige Zeit für die Missionare. Sie wurden nämlich nicht nur von den portugiesischen Besatzungsbehörden verfolgt, sondern auch von der katholischen Kirche, der die Mehrheit der Bevölkerung angehörte. Auch nach der Unabhängigkeit im Jahr 1975 war die Situation schwierig, da das Land zu einem Schlachtfeld für die Gegner des Kalten Krieges wurde. Dieser Konflikt dauerte bis 2002 an und verursachte mehrere hunderttausend Tote.
„Wir feiern diesen 70. Jahrestag, aber die Kirche ist in unserem Land schon viel länger präsent“, sagt der vorsitzende Bischof Tomás Ndawanapo, der die Kirche seit zwanzig Jahren leitet. Auf der Vollversammlung in Krakau wurde er in den Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewählt. Hier spricht er über seinen eigenen Weg zur Kirchenleitung und seine Hoffnungen für die Zukunft der Kirche in Angola.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre Familie und Ihre Kindheit.
Weder meine Mutter noch mein Vater waren Christen, und es gab auch keine Kirche in Shangalala, der Gegend, in der ich geboren wurde. Die ersten Missionare kamen 1965 dort an, als ich fünf Jahre alt war.
Im Kindergottesdienst erzählte uns unsere Lehrerin Geschichten aus der Bibel. Ich interessierte mich sehr für das Leben unserer Vorfahren, Abraham, Jakob und Isaak. Mein Vater arbeitete in Namibia und kannte die dortige Kirche, so dass meine Eltern uns zum Gottesdienstbesuch motiviert haben. Ich wurde Christ, als ich 13 Jahre alt war. Auch mein Vater ließ sich am Ende seines Lebens taufen.
Als Sie Christ wurden, wie hat das Ihr Leben verändert?
In unserer Nachbarschaft gab es viel Alkohol und schlechtes Benehmen. Beim Lesen der Bibel wurde mir klar, dass ich meinen Lebenswandel ändern musste. Ich wollte Pastor werden, aber wegen des Bürgerkriegs in unserem Land war ich gezwungen, mit 18 Jahren zur Armee gehen.
So verbrachte ich fünf Jahre in der Armee, und es war nicht leicht, sie wieder zu verlassen. Die Regierung wollte, dass man bleibt und weiterkämpft. Ich zog dann an die Küste nach Namibe und bekam eine Anstellung bei den staatlichen Elektrizitätswerken. Das Unternehmen wollte mich nach Russland schicken. Ich sollte dort Ingenieurwesen studieren.
Dann erzählte mir meine Kirchenleitung, dass die Missionare nach Finnland zurückkehren würden, und sie bat mich, zu kommen und meine Kirche in Lubango zu vertreten. Das ist die zweitgrößte Stadt Angolas nach der Hauptstadt Luanda. Ich war damals erst 23 Jahre alt und habe mich zusammen mit meiner Frau auf den Weg gemacht, um diese Aufgabe zu übernehmen.
Sie hatten damals noch keine theologische Ausbildung?
Ich hatte noch keine formale Ausbildung. Ich bat den zuständigen Kirchenrat deswegen, mich an das ökumenische theologische Institut in Lubango zu schicken. Dort studierte ich dann von 1989 bis 1993 und wurde ordiniert. Danach habe ich darum gebeten, mit meiner Familie nach Brasilien zu gehen. Ich wollte dort an der Faculdades-Est-Hochschule in São Leopoldo studieren, wo ich im Jahr 2000 auch meinen Abschluss machte.
Was haben Sie dann nach der Rückkehr nach Angola gemacht?
Ich übernahm eine Dozentenstelle an unserer lutherischen Bibelschule in Lubango, und als der Generalsekretär unserer Kirche in den Ruhestand ging, wurde ich zu seinem Nachfolger gewählt. Drei Jahre später wurde ich bei unserer Generalsynode zum leitenden Pfarrer der Kirche ernannt, da wir damals noch nicht den Titel eines Bischofs führten. Im Jahr 2011 änderte sich das, und ich wurde zum Bischof ernannt.
Im Jahr 2016 wurde die Kirche in zwei Diözesen aufgeteilt und ich wurde zum leitenden Bischof gewählt. Meine Amtszeit geht im November zu Ende, und dann wird bei unserer Generalsynode ein neuer leitender Bischof gewählt.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für die Kirche?
Unsere Kirche wächst, wenn auch nicht so stark, wie wir es gerne hätten. 95 Prozent unserer Mitglieder leben in der Provinz Cunene im Süden des Landes, größtenteils in abgelegenen, ländlichen Gebieten. Vielerorts gibt es Kinder, die noch nie ein Auto gesehen haben, die nicht wissen, was elektrischer Strom ist. Die Kirche ist auch sehr eng mit der lokalen Kultur verbunden, und die Menschen sind dem Wandel gegenüber skeptisch. Wir versuchen, ihnen zu zeigen, dass die Kirche mehr ist als nur ethnische Kultur und Traditionen.
Junge Menschen wollen aufgrund der Wirtschaftskrise nicht für die Kirche arbeiten. Sie wissen, dass es finanzielle Schwierigkeiten geben wird. Früher kam die finanzielle Unterstützung von außen, von den Missionsgesellschaften, und viele Menschen glauben nach wie vor, dass sie selbst keine Verantwortung für ihre Kirche tragen müssen. Wir machen ihnen klar, dass die Kirche jetzt ihnen gehört und sie selbst etwas für den Aufbau ihrer Gemeinden tun müssen. Gott sei Dank gibt es erste Erfolge unserer Bemühungen.
Wie schlimm ist die wirtschaftliche Krise in Angola?
Die Lage ist sehr ernst. Vor allem in ländlichen Gebieten, in denen es nicht regnet, ist insbesondere seit der COVID-Pandemie auch in unseren Städten eine wachsende Armut zu beobachten. Viele Menschen hungern, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Wenn Kinder vor Geschäften oder Marktständen um Essen betteln oder Erwachsene im Müll nach etwas Essbarem suchen, dann ist das erschütternd.
Der LWB-Weltdienst unterstützte dort ja bis letztes Jahr einige der am meisten benachteiligten Gemeinschaften.
Ja, wir sind sehr dankbar für die wunderbare Arbeit des LWB-Weltdienstes, um den Menschen in den abgelegenen Gebieten zu helfen. Dort gibt es oft große Probleme aufgrund von Dürren und Überschwemmungen. Im Jahr 2013 hatten wir den ehemaligen LWB-Generalsekretär Martin Junge zu einem Besuch eingeladen. Er sah dort selbst, wie die Menschen mit bloßen Händen nach Wasser zu graben versuchen. In Cunene hat der Weltdienst Wasser- und Abwassersysteme errichtet, und jetzt, wo das Büro geschlossen wurde, wird die Organisation vor Ort, die die Arbeit des Weltdienstes übernommen hat, diese wichtige Arbeit weiterführen. Die Erfahrungen und das Zeugnis, die der Weltdienst in unserem Land hinterlassen hat, sind sehr positiv.
Was bedeutet die Zugehörigkeit zur LWB-Gemeinschaft für Sie und Ihre Kirche?
Für mich bedeutet es eine große Verantwortung. Als Mitglied des LWB-Rates bin ich eine von vier Personen, die die Lutherische Gemeinschaft im Südlichen Afrika (LUCSA) vertreten. Unsere Theologie ruft uns dazu auf, uns für das Wohl aller Menschen und für die gesamte Schöpfung Gottes einzusetzen. Dass wir Teil des LWB sind, erinnert uns an unsere Verantwortung für andere außerhalb unserer eigenen Gemeinde und Region.