„Being Lutheran“: Das Wirken des Heiligen Geistes in der Welt erkunden

17 Juli 2020
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Pfarrerin Dr. Beverly Wallace, außerordentliche Professorin für Gemeindefürsorge und Community Care am Luther Seminary in St. Paul, Minnesota, und Theologie-Professor Niels Henrik Gregersen von der Universität Kopenhagen. Foto: Privat/LWB/Albin Hillert

Pfarrerin Dr. Beverly Wallace, außerordentliche Professorin für Gemeindefürsorge und Community Care am Luther Seminary in St. Paul, Minnesota, und Theologie-Professor Niels Henrik Gregersen von der Universität Kopenhagen. Foto: Privat/LWB/Albin Hillert

Erstes Webinar im Rahmen des LWB-Studienprozesses erfolgreich durchgeführt

GENF (LWI) – In dem ersten Webinar einer Reihe von monatlich geplanten Webinaren zum Thema „Being Lutheran“ („Lutherisch sein“) ging es am 1. Juli um die Freiheit, am gesellschaftlichen Wandel mitzuwirken.

Die Teilnehmenden an dem Webinar aus alle Regionen des Lutherischen Weltbundes (LWB) haben sich mit einer großen Bandbreite von Themen – von den Lehren Martin Luthers bis hin zu dem Text eines Songs von Singer-Songwriter Beyoncé – beschäftigt und die Bedeutung von Erlösung und der Mitwirkung an Gottes transformierendem Wirken in der Welt erörtert.

Die Diskussionsrunde, die von Pfr. Dr. Chad Rimmer, LWB-Programmreferent für Identität, Gemeinschaft und Bildung, moderiert wurde, war das erste Webinar in einer Reihe von monatlich geplanten Webinaren, in denen untersucht werden soll, auf wie vielfältige Art und Weise Lutheranerinnen und Lutheraner ihren Glauben in den verschiedenen Ländern und Kulturen der Welt zum Ausdruck bringen. Die Webinar-Reihe ist Teil der zweiten Phase des LWB-Studienprozesses zum Thema „Lutherisch sein“, der im Oktober 2019 mit einer globalen Konsultation in Addis Abeba offiziell angestoßen worden war.

Impulsreferate für die nachfolgende Diskussion hielten der dänische Theologe und Philosoph Prof. Dr. Niels Henrik Gregersen, und die afroamerikanische Pastorin und Professorin für Gemeindefürsorge und Community Care, Pfarrerin Dr. Beverly Wallace. Sie berichteten aus ihren sehr unterschiedlichen Kontexten und von ihren unterschiedlichen Erfahrungen und sprachen darüber, wie Christinnen und Christen den Aufruf des Heiligen Geistes, an dem Heilungs- und Versöhnungswerk Gottes mitzuwirken, vernehmen und verstehen können.

Zusammenarbeit zum Wohle aller

Gregersen erzählte, dass er in einem mehrheitlich lutherisch geprägten Land lebe, in dem 75 Prozent der Menschen Mitglied in der Evangelisch-Lutherischen Volkskirche in Dänemark seien. Gleichzeitig, so berichtete er, sprechen die meisten Menschen in ihrem täglichen Leben aber nicht viel über Gott und ihre „Einstellung zu Christentum und Kirche ist oftmals eher intuitiv als von der Glaubenslehre bestimmt“. In diesem Kontext einer „säkular denkenden Gesellschaft“ müsse die Kirche, so Gregersen, um den Aufbau einer „kollaborativen Demokratie“ bemüht sein und Regierungen dann stärken, wenn sie Gesetze zum Wohl der Allgemeinheit erlässt, und sie dort kritisieren, wo es ihr nicht gelingt, alle Mitglieder der Gesellschaft zu schützen. 

Er verwies auf Luthers Überlegungen zur Familie als ein Haushalt des Glaubens und erklärte, dass es wichtig sei, unsere Kirchen und sogar die breitere Gesellschaft „als Familien [zu verstehen], in der gegenseitige Verpflichtungen bestehen“. Als gläubige Menschen seien wir auch aufgerufen, uns zusammen mit „anderen nach Wahrheit und Gerechtigkeit strebenden Gemeinschaften“ für das Wohl Aller einzusetzen, „unabhängig davon, ob sie christlichen Glaubens sind oder nicht“. 

Genau wie wir Christus sowohl „als das personifizierte Gesicht Gottes“ als auch „größten Inbegriff“ von Barmherzigkeit gegenüber allen uns umgebenden Menschen sehen, so Gregersen, müssten wir „ein entsprechendes Verständnis vom Heiligen Geist in unserem alltäglichen Leben, unseren verschiedenen Haushalten entwickeln“. So könnten wir erkennen, dass der Heilige Geist „ein Lebensspender [ist], der Gemeinschaften aufbaut, die im Glauben, in Hoffnung und Liebe vereint sind“, und dass er uns aufrufe, uns Ungerechtigkeit, Aggressivität, Ausgrenzung und Engstirnigkeit zu widersetzen.

Rimmer erklärte, „der lutherische Glaube ist schon immer in der Heiligen Schrift verwurzelt gewesen. Der Austausch hier heute hat uns geholfen, uns daran zu erinnern, dass das Wort Gottes, seine Weisheit, die den Kosmos geschaffen hat, die menschliche Gesellschaft und die ganze Schöpfung auch weiterhin versöhnt, heilt und verwandelt“ und „uns in der Taufe beruft, unsere Platz in diesem befreienden Wirken in der Welt zu finden“. Durch unsere vielen Gemeinschaften, Geschlechter, Sprachen und Kulturen „nährt der Heilige Geist in einem jeden und einer jeden von uns einzigartige Gaben, um den Heiligen Geist wahrzunehmen und an diesem Versöhnungswirken teilzuhaben“, führte er aus.

Aufgerufen nach Freiheit zu streben

Wallace sprach aus der Sicht einer womanistischen Theologin über die Wahrnehmung und die Teilhabe am Werk Gottes. Sie lebt in North Carolina lebt, wo es nur sehr wenige afroamerikanische lutherische Gemeinden gibt. Die seit 21 Jahren für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (ELKA) tätige Pfarrerin berichtete, dass sie – „eine Tochter Afrikas, die im amerikanischen Kontext lebt“ – sich „ganz praktisch“ in das Werk Gottes einbringe. Sie konzentriere sich in ihrer Arbeit als Pastorin auf die Fürsorge für die Kranken und Sterbenden.

Sie betrachte das Wirken des Heiligen Geistes durch die Brille der Mystik und der Fantasie und frage sich, was es bedeute, wenn man bekräftigt, dass „Gott ein Leben in voller Genüge für alle Menschen will“. Verhaftet in dem Glauben, dass „ich ohne die Kraft des Heiligen Geistes nichts wissen kann“, verstehe und erlebe sie Gottes Wirken in der Welt vor allem durch das Ringen um Freiheit, insbesondere das Ringen afroamerikanischer Frauen, wie sie selbst, um Freiheit. Wallace zitierte einige Zeilen aus Beyoncés Song „Freedom“ und erklärte, die Worte der Sängerin fassten sehr prägnant zusammen, was viele afroamerikanische Frauen, denen ihre Freiheit nach wie vor immer wieder abgesprochen wird, in ihrem alltäglichen Leben erlebten. Es sei der Heilige Geist, der Menschen, die diese Aberkennung ihrer Freiheit erleben, motiviere und bewege, „sich im kreativen Ringen“ oder „mystischen Aktivismus“ zu engagieren und uns „hin zu Freiheit von Körper, Seele und Geist“ zu drängen, bekräftigte sie. 

Wallace kommt zu dem Schluss: „Weil wir durch die Gnade Gottes erlöst werden“, seien wir befreit, uns diesem „bewussten und gezielten Engagement“ zur Bekämpfung von Ungerechtigkeit zu widmen, die sichtbar wird in Rassismus, Klassendenken und Sexismus. Sie erinnerte an die schmerzerfüllten Rufe von George Floyd nach seiner Mutter, als dieser von einem Polizeibeamten in Minneapolis ermordet wurde, und sagte, dass wir alle in unseren eigenen Kontexten weiterhin den Heiligen Geist vernehmen, „der uns aufruft, zu handeln“.

Chancen in der Pandemie

In kleinere Gesprächsgruppen aufgeteilt, tauschten sich die Teilnehmenden über die aktuellen Entwicklungen in ihren jeweiligen Heimatländern aus, wo die COVID-19-Pandemie auch für sie als Lutheranerinnen und Lutheraner in ihren jeweiligen Kontexten natürlich sowohl neue Herausforderungen, als auch Chancen mit sich gebracht hat. Eine der Teilnehmenden war Ria Pardede von der Protestantisch-Christliche Batak-Kirche [Indonesien] (HKBP), der größten lutherischen Kirche in dem überwiegend muslimisch geprägten Land. Sie berichtete über ihre Erfahrungen als aktives Mitglied einer Minderheitenkirche in einem Land, in dem alle Religionen gesetzlich geschützt sind, Christinnen und Christen aber dennoch oftmals mit Argwohn begegnet wird, wenn sie sich sozial oder seelsorgerisch betätigen.  

Pardede erzählte, dass die COVID-19-Pandemie jetzt eine Gelegenheit für interreligiöse Solidarität zwischen der muslimischen Mehrheit und der lutherischen Minderheit geboten hätte. „Freundliche Gesten, die früher oftmals als Versuch wahrgenommen wurden, andere Menschen zum eigenen Glauben bekehren zu wollen, werden jetzt mit offenen Armen empfangen.“ Auch Gottesdienste von zu Hause aus, die bisher nicht erlaubt waren, „werden nun gebilligt, weil alle Religionen von zu Hause ihren Glauben praktizieren und Gottesdienst feiern müssen“, erläuterte sie. Die Unterstützung für all jene Menschen, die gezwungen sind, sich in ihren eigenen vier Wänden selbst zu isolieren, baut auf ein Gemeinschaftsgefühl auf, in dem den Unterschieden keine Priorität mehr beigemessen wird“, erzählt sie und fragt sich, „ob das nicht das Werk des Heiligen Geistes ist, dem einzigen, der unser Herz wirklich berühren kann?“

Eine Aufzeichnung des Webinars kann über folgenden Link angeschaut werden: https://www.lutheranworld.org/content/being-lutheran-webinar-series

Das nächste Webinar in der Reihe „Lutherisch sein“ findet am 5. August um 16:30 Uhr (MEZ) statt und wird sich mit dem Thema „Ausbildung und Prägung“ beschäftigen. Referentinnen und Referenten aus Brasilien, Deutschland und Namibia werden die Unterschiede zwischen Kirchen in Mehrheits- und Minderheitensituationen erörtern.

LWF/OCS