In diesem Interview spricht Pröpstin Astrid Kleist über ihre Führungsrolle auf lokaler und internationaler Ebene und die Besonderheiten der Region Mittel- und Westeuropa. Sie blickt zurück auf ihre Amtszeit beim LWB und voraus auf die kommende Dreizehnte Vollversammlung in Krakau, Polen.
Im Interview: Pröpstin Astrid Kleist, Vizepräsidentin der Region Mittel- und Westeuropa
(LWI) – Astrid Kleist, geboren und aufgewachsen im norddeutschen Hamburg, ist ordinierte Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und seit vielen Jahren in kirchenleitender Funktion tätig.
Auf der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Windhuk, Namibia, wurde sie 2017 zur Vizepräsidentin für Mittel- und Westeuropa gewählt.
In diesem Interview spricht sie über ihre Führungsrolle auf lokaler und internationaler Ebene. Sie blickt zurück auf ihre Amtsperiode beim LWB und voraus auf die kommende Dreizehnte Vollversammlung in Krakau, Polen.
Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang zur Pastorin und Pröpstin in Hamburg.
Ab 2003 war ich zehn Jahre lang leidenschaftliche Gemeindepastorin in Hamburg und habe dort intensiv mit Menschen aller Generationen gearbeitet und sie begleitet. Nun bin ich schon seit 2013 zugleich Hauptpastorin in St. Jacobi, einer der großen, traditionsreichen lutherischen Stadtkirchen Hamburgs, und Pröpstin. Ich trage Verantwortung für 15 Kirchengemeinden und 30 Pastorinnen und Pastoren und leite zusammen mit sechs anderen einen sehr großen Kirchenkreis. Zu ihm gehören insgesamt 109 Kirchengemeinden mit rund 371.700 Mitgliedern.
Was hat Ihre Amtsperiode als Vizepräsidentin der Region Mittel- und Westeuropa und LWB-Ratsmitglied bisher besonders geprägt?
Zuerst einmal die Vollversammlung in Windhoek selbst, die ein unvergessliches Erlebnis bleibt. Aber natürlich hat vor allem die weltweite Pandemie auch für die Arbeit des Rates und des Exekutivkomitees einen dramatischen Einschnitt markiert und uns als Gemeinschaft insgesamt herausgefordert: das Mitleiden mit denen, die besonders von den Folgen der Pandemie getroffen wurden; der Versuch, einander zu Hilfe zu kommen.
Sich gemeinsam der Herausforderung zu stellen: nicht in Schockstarre zu verharren oder den Rückzug anzutreten, sondern einzusetzen, was immer noch möglich blieb, und auszuprobieren und in Windeseile zu erlernen, was an Kommunikation und Kontakt durch den vermehrten Einsatz digitaler Medien möglich wurde. Dabei fasziniert mich, was wir in der Not auch positiv gewonnen und gelernt haben. Beispielsweise begeistert mich die große Resonanz, die weltweit die Webinare des LWB erfahren haben. Das Potential von E-Learning und dem, was durch digitale Begegnungsformate möglich geworden ist, ist groß. Das wird und kann nicht die Treffen in Präsenz ersetzen, aber sehr wohl ergänzen.
Auch der Abschied von Martin Junge als Generalsekretär und die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger hat die Zeit geprägt. Es war dann eine große Freude, Anne Burghardt als erste Frau und osteuropäische kirchenleitende Person zur Generalsekretärin zu wählen.
Bitte beschreiben Sie die Besonderheiten und Herausforderungen, die die LWB-Mitgliedskirchen in Mittel- und Westeuropa auszeichnen.
Die Region ist stark davon geprägt, dass mehrheitlich deutsche Mitgliedskirchen zu ihr gehören mit all dem damit verbundenen Traditions- und Selbstbewusstsein. Zudem werden sie durch das Deutsche Nationalkomitee des LWB vertreten.
Die anderen Mitgliedskirchen der Region befinden sich in Österreich, Frankreich, Liechtenstein, den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. Sie sind kleiner, aber tatkräftig und klug und verwalten ihre manchmal begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen gut.
Aufgrund ihrer Größe und begrenzten Kapazitäten ist es jedoch oft eine Grundsatzentscheidung, ob sie sich an den zahlreichen internationalen ökumenischen Kirchengemeinschaften und konfessionellen Bündnissen wie dem LWB beteiligen wollen und können.
Gleichzeitig nehmen sie meinem Eindruck nach manchmal deutlicher und intensiver als die noch großen Kirchen wahr, was für ein Geschenk es ist, Partnerkirchen in Europa und der Welt zu haben, die den Horizont weiten und das Selbstbewusstsein und gemeinsame Zeugnis stärken.
“Local to global to local” ist für den LWB ein wichtiger Arbeitsansatz. Wie prägt diese Wechselwirkung Ihren persönlichen Dienst auf den lokalen und internationalen Ebenen in Hamburg und weltweit?
Die Wechselwirkung und Interdependenz zwischen lokal und global ist mir durch meine Mitwirkung im LWB erst wirklich plastisch geworden. Bei den aktuellen Fragen rundum Nachhaltigkeit und Klimaschutz steht mir beispielsweise deutlich vor Augen, dass hier keine Kirche allein für sich entscheidet. Was und wie auch immer wir entscheiden, hat auch Konsequenzen für die Geschwisterkirchen. Das gilt auch für die Art, wie wir innerhalb des LWB unsere Zusammenarbeit organisieren. Wofür wir uns einsetzen oder was wir ignorieren.
Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung: Was verbinden Sie mit dem Thema der Dreizehnten LWB-Vollversammlung und was bedeutet es für die Region Mittel- und Westeuropa?
Das deutsche Wort hoffen kommt von „hopen“, das heißt: Hüpfen. Ich erhoffe mir, dass von der Vollversammlung Impulse ausgehen, die die Hoffnung in uns zum Hüpfen bringt. Dass wir leibhaftig spüren, zu welcher Hoffnung wir als Gemeinschaft berufen sind und uns vergewissern, dass es der Geist Christi ist, der uns treibt, um den bösen Geistern in der Welt Einhalt zu gebieten. Dass es der Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit ist, der uns leitet, und nicht der Geist der Furcht.
In Kürze werden sich die Delegierten der drei europäischen Regionen des LWB (Mittel- und Westeuropa, Mittel- und Osteuropa sowie die Nordischen Länder) gemeinsam zur ersten vorbereiten Konsultation der Vollversammlung treffen. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von dieser Konferenz?
Ich erhoffe mir, dass die Vorfreude auf die Vollversammlung in Krakau steigt und wir beginnen, uns kennenzulernen und inhaltlich auf die Themen vorzubereiten. Dass wir uns im Hören üben und neugierig sind, was wir einander zu sagen haben und danach fragen, worin in all dem Gottes Stimme zu hören ist.