LWB-Präsident spricht bei erster europäischer Online-Kirchenleitungskonferenz
GENF (LWI) – „Die Tatsache, dass wir einander aufgrund von COVID-19 nicht einfach fallen lassen, dass wir Mittel und Wege finden, trotzdem in Verbindung zu bleiben, dass wir weiterhin Möglichkeiten finden, den Beziehungen Ausdruck zu verleihen, zu denen Gott uns berufen hat, zeugt von einer gewissen ‚prophetischen Beharrlichkeit‘“, sagte der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa von der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria, in seiner Ansprache zur Eröffnung der Europäischen Kirchenleitungskonferenz.
Mit der Konferenz, die zum ersten Mal online stattfindet, „beschreiten wir neue Wege“, so Musa weiter. Beziehungen auf regionaler Ebene zu stärken sei genauso wichtig wie mit den LWB-Mitgliedskirchen weltweit verbunden zu sein. „Nie war es so wichtig, dass wir wirklich zusammenstehen.“
Zusammen leben und arbeiten
Der LWB habe sich seit seiner Gründung 1947 schon immer stark diakonisch engagiert, erinnerte Musa. Und „lutherisch sein“ habe inzwischen die Bedeutung angenommen, dass „die in Christus fleischgewordene Liebe Gottes“ eine weltweite Gemeinschaft von Menschen dazu bewege, anderen zu dienen „ohne dabei zu unterscheiden, wem genau sie dient“.
„Wir dürfen niemals zu einem exklusiven Club werden, in dem wir die Gabe unserer Beziehungen zueinander genießen als würde es unsere Nächsten nicht geben oder als würden sie unwichtig sein“, erklärte Musa. „Eine Gemeinschaft von Kirchen, in deren Zentrum Christus steht, muss immer auch eine Gemeinschaft von Kirchen sein, die ihr Zeugnis auf die Welt ausrichtet und es mitten unter den Menschen dieser Welt zum Ausdruck bringt.“
Zeugnis in einer Welt mit COVID-19
Auch wenn COVID-19 vordergründig vor allem die körperliche Gesundheit der Menschen betreffe, habe es darüber hinaus zahlreiche schwerwiegende Probleme in fast allen Bereichen des Lebens verursacht – gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische. „Es stellt uns vor existenzielle und spirituelle Herausforderungen“, so Musa.
Er brachte seinen „großen Schmerz angesichts der unzähligen Toten“ zum Ausdruck und erinnerte die Teilnehmenden daran, dass sich hinter dieser unglaublich hohen Zahl gemeldeter Todesfälle einzelne Menschen verbergen würden. „Jeder Todesfall ist eine Tragödie“, wiederholte er Worte aus einem Pastoralschreiben der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien.
Darüber hinaus brachte der LWB-Präsident seine große Sorge über den „besorgniserregenden Anstieg häuslicher Gewalt“ zum Ausdruck, unter dem vor allem Frauen und Kinder zu leiden hätten, sowie über die „erschütternde Zunahme von Frauenmorden weltweit“. Er berichtete, dass das Büro der LWB-Kirchengemeinschaft in der vergangenen Woche eine Umfrage an die LWB-Mitgliedskirchen geschickt habe, um sich über die Rezeption und Umsetzung des „Grundsatzpapiers: Gendergerechtigkeit im LWB“ zu informieren. „Ich hätte mir keinen passenderen Moment für diese Umfrage vorstellen können. Wir haben die notwendigen Tools und wir alle haben uns gemeinsam zum Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt verpflichtet. Es ist Zeit, dass wir unsere Selbstverpflichtung jetzt noch ein wenig ernster nehmen.“
Angesichts der Tatsache, dass die Pandemie noch nicht vorüber sei, warnte Musa, dass „Selbstgefälligkeit unser größter Feind“ sei. In seinem Heimatland Nigeria würden Gottesdienste nur unter „absolut strikter Einhaltung von Abstandregelungen“ und mit weniger Menschen stattfinden; dafür gebe es aber zahlenmäßig mehr Gottesdienste.
Musa berichtete, dass der COVID-19-Soforthilfe-Fonds des LWB „65 Kirchen dabei geholfen habe, lokal bei sich vor Ort auf eine Vielzahl von Herausforderungen zu reagieren, mit denen sie oder die Gemeinwesen, in denen sie leben, konfrontiert waren“.
„Die Kirche ist mit einer Vitalität ausgestattet, die jenseits unseres Zutuns existiert und die weit über unsere eigenen Möglichkeiten hinausgeht“, sagte Musa. „Wir stehen nicht mit leeren Händen da, wenn wir mit schwierigen Situationen konfrontiert sind. Wir sind Kinder Gottes und uns wurde die kreative und beflügelnde Kraft des Heiligen Geistes gegeben, um zu verstehen, uns anzupassen und hinein zu wachsen in das, was meiner Überzeugung nach in Zukunft die neue Realität für die Kirchen und auch für die weltweite Gemeinschaft von Kirchen und all ihre Strukturen sein wird.“
Zeit der Krise und der Veränderungen
Den Eröffnungsgottesdienst der Europäischen Kirchenleitungskonferenz leiteten Bischof Tor Jørgensen und sein Team von der Lutherischen Kirche in Großbritannien. Ursprünglich sollte die Konsultation von dieser Kirche ausgerichtet werden und am Mansfield College, Oxford, stattfinden.
In seiner Predigt über die Losung der Tagung „Gott hat uns gegeben den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2.Timotheus 1,7), sagte Jørgensen, das Jahr 2020 werde wahrscheinlich „als ein Jahr der Krise“ in Erinnerung bleiben – nicht nur wegen COVID-19, sondern auch wegen der „Umweltkrise und der Flüchtlingskrise“.
„Krisen sind immer eine Zeit der Transformation“, erklärte er, eine Zeit der Angst und Sorge, aber auch eine Zeit „des Lebendig-Seins und der Hoffnung“. Die Kirche habe so etwas seit ihren Anfängen schon vielfach erlebt und durchgestanden; das Leben des Apostels Paulus zum Beispiel sei ein „anschauliches Beispiel“ dafür. Aus den entsetzlichen Bedingungen seiner Gefangenschaft heraus sendete er eine Botschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe an seinen Kollegen Timotheus und die Gemeinden in Europa.
„Die Gegenwart des Heiligen Geistes beschränkt sich nicht auf physische Zusammenkünfte“, sagte Jørgensen. Paulus hat die Möglichkeiten seiner Zeit genutzt, um „den Geist seiner Leserinnen und Leser zu öffnen, Trost zu spenden und Mut zuzusprechen“. Unsere Tagung heute kann nur unter Zuhilfenahme moderner Technologien stattfinden, „aber der Heilige Geist wird trotzdem unter uns sein, uns Trost spenden und uns beflügeln“, und wir vertrauen darauf, dass der Heilige Geist uns „in diesen Tagen der Veränderungen mit Liebe und einem klaren Verstand zurüstet“.
Die Europäische Kirchenleitungskonferenz des Lutherischen Weltbundes (LWB) findet am 22. und 23. September in einem Online-Format statt. Teilnehmende aus den drei LWB-Regionen in Europa – Mittel- und Westeuropa, Mittel- und Osteuropa und Nordische Länder – werden dort über das Thema der Konferenz, „Kirche sein in Zeiten des Wandels“, nachdenken und sich austauschen.