Einheit von LutheranerInnen in Kasachstan stärken

07 März 2014
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Der kasachische Bischof Jurij Nowgorodow (links) und Pfr. Gennadij Khonin von der ELKRK-Gemeinde in Almaty während eines Besuchs im LWB Hauptquartier in Genf Photo: LWB/S. Gallay

Der kasachische Bischof Jurij Nowgorodow (links) und Pfr. Gennadij Khonin von der ELKRK-Gemeinde in Almaty während eines Besuchs im LWB Hauptquartier in Genf Photo: LWB/S. Gallay

Bischof Nowgorodow über die Unterstützung entlegener Gemeinden in multireligiösem Kontext

(LWI) – Bischof Jurij Nowgorodow von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Kasachstan (ELKRK) fährt jedes Jahr mehr als 40.000 Kilometer, um die 50 Gemeinden der Kirche zu besuchen - eine Strecke, die dem Erdumfang am Äquator entspricht,

Die Gemeinden der ELKRK und ihre zehn Pastoren sind weit verstreut. Mit 2,7 Millionen Quadratkilometern ist Kasachstan der grösste Binnenstaat der Welt. Einige der Gemeinden sind bis zu 3.000 Kilometer voneinander entfernt.

Die ELKRK zählt ungefähr 2.500 offizielle Mitglieder, die Zahl derer, die sich der Kirche verbunden fühlen, ist jedoch bedeutend höher. Zusätzlich dazu gibt es im Land lutherische Gemeinden, die aus anderen lutherischen Traditionen kommen und nicht Mitglieder in der ELKRK sind.

Trotz extremer Entfernungen und weit verstreuter Gemeinden nimmt das öffentliche Engagement der ELKRK in der Gesellschaft Kasachstans – einer Gesellschaft der Kultur- und Religionsvielfalt – zu, erklärte Nowgorodow der Lutherischen Welt-Information (LWI) kürzlich in einem Interview. Dies sei einer der Gründe, weshalb die Kirche damit begonnen hat „wichtige Schritte zur Stärkung der Einheit der Lutheranerinnen und Lutheraner im Land zu unternehmen“, so Nowgorodow weiter.

Eine gemeinsame Sprache finden

Der Prozess zur Stärkung der Einheit begann im Oktober 2013. Damals trafen die PfarrerInnen der drei verschiedenen lutherischen Traditionen im Land zum ersten Mal in 20 Jahren zusammen. Sie brachten „die einhellige Meinung zum Ausdruck, dass grössere Einheit unter den Lutheranerinnen und Lutheranern in Kasachstan notwendig sei“, so Nowgorodow.

„Auf dass sie alle eins seien“ (Johannes, 17,21) war das Thema des Kongresses von PfarrerInnen, der am Vortag des Reformationstages abgehalten wurde und an dem 21 Geistliche teilnahmen.

Der Bischof sagte, eine solche Einheit sei entscheidend, um Frieden und Stabilität in einem Land zu gewährleisten, in dem 70 Prozent der 16 Millionen EinwohnerInnen muslimischen Glaubens, 23 Prozent der orthodoxen christlichen Kirche und sieben Prozentlutherischen, römisch-katholischen, baptistischen oder jüdischen Glaubens sind oder keiner Religion angehören.

Die Verantwortung der ELKRK für den interreligiösen Dialog wächst. Die Kirche beteiligt sich aktiv am staatlich organisierten internationalen Kongress von Führungspersonen der Welt- und traditionellen Religionen, der alle drei Jahre in Astana stattfindet.

„Aber wie können wir in Dialog mit anderen Kirchen und Gemeinschaften treten, wenn es uns bisher noch nicht einmal gelungen ist, eine gemeinsame Sprache in unserer kleinen lutherischen Gemeinschaft zu finden?“, fragte Nowgorodow.

„Wir müssen keine Angst vor Unterschieden in den Traditionen und Ansichten haben“, sagte er. „Sie sind kein Zeichen der Schwäche, sondern vielmehr unsere Stärke. Wenn wir lernen könnten, einander zuzuhören, wäre dies eine Bereicherung für uns alle.“

Er sprach den Partnerkirchen und -organisationen sowie dem Lutherischen Weltbund (LWB) seinen Dank für deren treue Freundschaft und Unterstützung aus und sagte, er hoffe weiter auf ihre Solidarität bei „der Schaffung einer einträchtigen lutherischen Kirche, die zusammenhält“, für den beginnenden Vereinigungsprozess der LutheranerInnen Kasachstans.

Eine Geschichte der Verfolgung

Die lutherische Tradition in Kasachstan reicht weit zurück. Im 18. Jahrhundert liessen sich Deutsche in der Region nieder. Im 2. Weltkrieg wurden sie innerhalb Kasachstans und nach Sibirien zwangsumgesiedelt. Allein im Jahr 1941 wurden rund eine Million Deutsche aus der Wolgaregion nach Kasachstan deportiert.

Nach dem Zusammenbruch der organisatorischen Struktur und des spirituellen Lebens der lutherischen Kirche in der Sowjetunion wurde die sowjetisch-lutherische Kirche erst 1955 im heutigen Astana wieder ins Leben gerufen. Nach Jahren des Verbots wurde eine Kirche – die einzige offizielle lutherische Gemeinde in der Sowjetunion – gegründet. Die Befreiung von der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1991 führte zu einer Massenauswanderung der Deutschen.

Heute ist die ELKRK „eine kleine Kirche, die Jahrzehnte der Verfolgung und des Verbots überlebt hat. Wenn wir den angerichteten Schaden betrachten, lassen Sie uns auch ein Auge auf die Statistik werfen – 1993 gab es noch 228 Gemeinden , heute sind es nur noch 50“, so Nowgorodow.

Kapazitäten und Nachhaltigkeit

Mit ihren diakonischen Hilfsprojekten für alte und kranke Menschen, der Ausgabe kostenloser Mahlzeiten für Obdachlose und die Unterstützung alleinerziehender Eltern übernimmt die Kirche auch eine aktive Rolle in der Gesellschaft,

Die grössten Herausforderungen der ELKRK sind mangelnde Kapazitäten für die Ausbildung des dringend benötigten Kirchenpersonals, einschliesslich PastorInnen, sowie die spirituelle und finanzielle Situation der Gemeinden, insbesondere in entlegenen ländlichen Gebieten.

Zusätzlich dazu erschwert auch ein 2011 neu verabschiedetes Gesetz für die jährliche Erfassung religiöser Vereinigungen und Aktivitäten die Durchführung der kirchlichen Bildungsprogramme, unterstreicht Nowgorodow.

Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum 2017, sagte der Bischof, für die ELKRK sei dies „ein Zeitpunkt, an dem wir zurückschauen müssen, den bereits zurückgelegten Weg betrachten und Entscheidungen treffen müssen. Basierend auf der Erfahrung dieser Jahre werden wir dann den Weg weiter beschreiten.“

Während er erwartet, dass anlässlich des Reformationsjubiläums Bibelkonferenzen, feierliche Liturgien und ähnliches stattfinden werden, betont der Bischof, was seine wichtigste Aufgabe ist: „Ich werde höchstwahrscheinlich wieder unterwegs sein und entlegene Gemeinden besuchen, um sie zu unterstützen und zu ermutigen. Das ist sehr wichtig.“

Die ELKRK ist eine Regionalkirche des Bundes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten (ELKRAS), die dem LWB 1989 beigetreten ist.

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