"Es hat mit Freiheit zu tun"

30 Okt. 2017
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IERP-Generalsekretärin Pfarrerin Sonia Skupch bei einer ökumenischen Veranstaltung in Genf (Schweiz). Foto: ÖRK/Albin Hillert

IERP-Generalsekretärin Pfarrerin Sonia Skupch bei einer ökumenischen Veranstaltung in Genf (Schweiz). Foto: ÖRK/Albin Hillert

Interview zum Reformationsjubiläum mit der argentinischen Kirchenleiterin Sonia Skupch

BUENOS AIRES, Argentinien/GENF (LWI) – In Argentinien* wird das 500. Reformationsjubiläum auf der Ebene der Gesamtkirche sowie in den Gemeinden mit vielfältigen Veranstaltungen gefeiert. In den Provinzen Buenos Aires, Entre Rios, Misiones und Santa Fe ist der 31. Oktober für Evangelische und Evangelikale sogar offizieller Feiertag.

Die Lutherische Welt-Information hat aus diesem Anlass mit der Generalsekretärin der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP), Pfarrerin Sonia Skupch, über die Wirkung der Reformation in ihrem lateinamerikanischen Land gesprochen.

Inwiefern hat das Reformationsjubiläum in Argentinien das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zur weltweiten lutherischen Kirchengemeinschaft gestärkt?

Zunächst ist festzuhalten, dass das Reformationsjubiläum uns eine wunderbare Gelegenheit geboten hat, uns unserer eigenen religiösen Identität und unseres religiösen Erbes zu vergewissern. Im sehr stark römisch-katholisch geprägten Kontext Argentiniens definieren sich evangelische Christinnen und Christen oft über den Gegensatz zu etwas, anstatt ihre eigene Identität auf dem Fundament der Kernwerte der Reformation aufzubauen – dass wir nämlich durch Gottes Gnade dazu befreit sind, seine Liebe zu verkünden. Es gab also vielerlei Veranstaltungen in fast allen Gemeinden unserer Kirche, die auf die eine oder andere Weise versucht haben aufzuzeigen, was wir gemeinsam haben, und dass es uns um die Wiederentdeckung der zentralen Werte der Reformation geht und um die Frage, wie wir dies heute leben.

Das ist auf großes Interesse gestoßen, besonders seitens der Jugend und der Frauen. Gleichzeitig bot sich uns mit dem Reformationsjubiläum auch die Chance, unseren ökumenischen Dialog mit den anderen evangelischen Kirchen aber auch mit der katholischen Kirche zu intensivieren. Am 15. September haben wir mit der katholischen Kirche im Dom von Buenos Aires gemeinsam mit der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche sowie den methodistischen und waldensischen Geschwistern des Reformationsjubiläums gedacht. Gemeinsame Gedenkfeiern gibt es auch in weiteren Städten Argentiniens sowie in Paraguay und in Uruguay, wo die IERP ebenfalls präsent ist. Die meisten ökumenischen Feiern arbeiten mit der Liturgie des Ökumenischen Gottesdienstes, der ursprünglich im Oktober 2016 im Rahmen des Gemeinsamen katholisch-lutherischen Reformationsgedenkens in Lund (Schweden) gefeiert wurde. Auf diese Weise sind unsere lokalen Gedenkfeiern eingebettet in die Gesamtheit der Feierlichkeiten überall in der weltweiten lutherischen Kirchengemeinschaft.

Was ist das Besondere daran, in Ihrem Kontext als Lutheraner oder Lutheranerin zu leben?

Es hat mit der Freiheit zu tun, die wir haben. Dabei meine ich mit Freiheit zweierlei:

Wir sind frei, weil uns Gottes Gnade befreit. Das haben wir im Mai dieses Jahres bei der Zwölften LWB-Vollversammlung und dem globalen Reformationsgedenken in Windhuk (Namibia) gefeiert. Wir sind von unserer Sünde befreit zu einem Leben, in dem wir nicht mehr bereit sind, irgendeine Art der Unterdrückung als normal zu betrachten. Weil wir befreit sind, können wir eintreten gegen jede Form der Unterdrückung, gegen die Ketten von Sünde und Tod.

Zweitens haben Argentinien und viele andere Länder Lateinamerikas leidvolle Erfahrungen mit vielfältigen politischen und sozialen Spannungen, die sich negativ auf die Bevölkerung insgesamt auswirkten und immer noch auswirken. Lutherisch oder evangelisch zu sein erinnert uns daran, dass wir befreit sind von jeder Art von „Heldentum“, das behauptet, die Lösung für alles zu sein. Wir sind frei, selbst zu denken und prophetisch unsere Stimme zu erheben.

Lutherisch zu sein hat in unserem Kontext von jeher etwas damit zu tun, anders zu sein als die anderen, aber ich glaube, das Reformationsjubiläum hat uns Gelegenheit gegeben, diese Erfahrung des Andersseins als etwas Wertvolles und Kostbares zu würdigen.

* Der Lutherische Weltbund hat in Argentinien zwei Mitgliedskirchen, die IERP sowie die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche.

 

LWF/OCS