Beziehungen mit Menschen aufzubauen, die von Ungerechtigkeit betroffen sind, und Lösungen für echten Wandel zu finden sind zwei zentrale Themen des europäischen Diakonieprozesses. Ein Webinar vor Kurzem hat die gewonnenen Erkenntnisse beleuchtet.
In der Diakonie Tätige beleuchten bewährte Praktiken eines neuen Lernprogramms
(LWI) – Nachdem sie die bewährten Praktiken und Herausforderungen im Engagement der Kirchen für gesellschaftlichen Wandel mehrere Jahre lang untersucht haben, haben Menschen, die in Europa in der Diakonie tätig sind, ein Lernprogramm entwickelt, das offenere, einladendere und sicherere Räume für Menschen schaffen soll, die als „anders“ angesehen werden. Die einzelnen Module des Programms sollen noch im Laufe des Jahres veröffentlicht werden.
Bei einer Tagung in Budapest, Ungarn, am 10. April haben Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsgruppe für den Europäischen Diakonieprozesses des Lutherischen Weltbundes (LWB) die vier zentralen Themen des Lernprogramms erörtert: Erleben, Konvivenz schaffen, Reflexion über die Praxis und Engagement für Wandel. Die Konzepte sollen Kirchen helfen, persönlichen Vorurteilen und Strukturen in der Gesellschaft Aufmerksamkeit zu schenken und gleichzeitig die biblischen Lehren als Leitlinien für die Schaffung inklusiver Gesellschaften zu betonen.
Konvivenz – die Kunst und Praxis des Zusammenlebens – ist das zentrale Thema eines Prozesses mit den LWB-Mitgliedskirchen der Region, der 2010 angestoßen wurde. Das neue Lernprogramm sei eine Einladung, das eigene Verständnis von positivem Wandel zu verbessern und diesen auch zu bewirken, fasst Pfr. Tony Addy, Leiter der Abteilung Pädagogik an der Internationalen Akademie für Diakonie und soziales Handeln in Mittel- und Osteuropa (Interdiac), die Partnerorganisation des LWB in diesem Prozess ist, zusammen.
„Was bedeutet es für mich, mich zu ändern? Was bedeutet es für uns, uns zu ändern? Es hat etwas mit der Kirche und mit der Gesellschaft zu tun, von denen wir ein Teil sind“, sagt Addy.
Flüchtlinge aufnehmen
Im Rahmen der Tagung in Budapest besuchte die Arbeitsgruppe auch die Begegnungsstätte Dévai Fogadó der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn (ELKU). Sie wird mithilfe des Engagements von Ehrenamtlichen von der Ortsgemeinde betrieben und hat 2023 rund 5.000 ukrainischen Flüchtlingen mit verschiedenen Angeboten wie psychologischer Beratung, Sprachkursen, Bildungsprogrammen, Bargeldhilfen, Freizeitlagern für Kinder und spiritueller Unterstützung beigestanden.
Die Pastorin der Budapester Gemeinde und Direktorin des Dévai Fogadó, Pastorin Dr. Márta Bolba, bezeichnete es als „eine schöne Initiative“ in einer von extrem rechten Narrativen und einer sehr rechten Politik sowie immigrationsfeindlichen Kampagnen geprägten Gesellschaft.
Der Leitende Bischof der ELKU, Bischof Dr. Tamás Fabiny, sprach über die Kritik, mit der er oftmals konfrontiert ist, weil er die herzliche Aufnahme von Geflüchteten nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Ländern offen unterstützt. „Es ist nicht immer einfach, dieser Haltung treu zu bleiben, es ist ein sehr schwieriger Balanceakt, aber die Kirche ist aufgerufen, anders zu sein“, sagte er. „Alle, die Geflüchteten oder Menschen auf der Flucht freundlich begegnen, wurden als Verräterinnen und Verräter und als Gefahr für die christliche Kultur gesehen“, sagte Fabiny, der auch LWB-Vizepräsident für die Region Mittel- und Osteuropa ist.
Linse der Hoffnung
Pfr. Dr. Sivin Kit, Direktor der LWB-Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, lobte die Arbeit, die in diesem regionalen Prozess durchgeführt wurde, einschließlich verschiedener Publikationen, die Teil des neuen Lernprogramms sein werden. Er stellte eine Verbindung her zwischen der Publikation zu Menschen auf der Flucht („People on the Move“) mit der Resolution der LWB-Vollversammlung 2023 zum selben Thema und erklärte: „Migration und Flucht an sich sind nicht das Problem. Die Krise liegt in den Gründen, warum [diese Menschen] überhaupt die Flucht antreten, und wie wir darauf reagieren.“
Die Materialsammlung zum Europäischen Diakonieprozess, so Kit, lade zu einer tiefergehenden gemeinsamen Reflexion darüber ein, wie wir einander gute Nächste sein können. „Wenn wir alle uns einen solchen diakonischen Geist und ein solches diakonisches Engagement als Lebensstil zu eigen machen, können wir die Welt wirklich durch die Linse der Hoffnung betrachten und daran glauben, dass wir gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten können“, führte er aus.
Die Programmreferentin für den Aufbau von Kapazitäten und die Entwicklung von Führungspersonen, Pfarrerin Katariina Kiilunen, koordiniert den Europäischen Diakonieprozess. Sie hofft, dass das Lernprogramm „die LWB-Mitgliedskirchen in ihrer gemeinsamen Vision unterstützen kann, offene und zugängliche Gemeinwesen zu schaffen, in denen der Begriff der Nächsten auch bedeutet, dass Menschen mit offenen Armen aufgenommen und akzeptiert werden, und der Begriff auch die Würde eines jeden Menschen umfasst“.
Das gesamte Material aus dem Handbuch für das Lernprogramm wird online verfügbar sein. Die Module für die verschiedenen Teile werden als Datei zum Download bereitstehen und dann vor Ort in weitere Sprache übersetzt werden können. Das Programm richtet sich an Gemeindegruppen, Menschen, die in der Diakonie tätig sind, Freiwillige und Menschen, die Diakonie, soziale Arbeit oder Seelsorge studieren.