Gebetswoche: Das Nizänische Glaubensbekenntnis als gemeinsames christliches Erbe

Die Mitglieder der ökumenischen Gemeinschaft von Bose laden alle Christinnen und Christen ein, den Reichtum des Nizänischen Glaubensbekenntnisses neu zu entdecken und sich dieses lebendige Erbe für die Kulturen von heute anzueignen.

16 Jan. 2025
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Bruder Guido und die anderen Mitglieder des Redaktionsausschusses, der die Materialien für die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2025 vorbereitet hat. Foto: Bose

Bruder Guido und die anderen Mitglieder des Redaktionsausschusses, der die Materialien für die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2025 vorbereitet hat. Foto: Bose

Anlässlich des Jubiläums des Konzils von Nizäa im Jahr 2025 bereiten die Mitglieder der italienischen monastischen Gemeinschaft von Bose Materialien für die Gebetswoche für die Einheit der Christen vor

(LWI) – „Glaubst du das?“ Diese Frage, die Jesus Martha in Bethanien nach dem Tod ihres Bruders Lazarus stellte, ist eine Frage, die sich seither allen Christinnen und Christen durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder stellt. Sie steht auch im Mittelpunkt der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen, die mit dem 1.700. Jahrestag des Konzils von Nizäa zusammenfällt, auf dem das erste Glaubensbekenntnis (und damit die erste gemeinsame Erklärung christlicher Überzeugungen) verfasst wurde. 

Viele Kirchen und Gemeinschaften werden im Jahr 2025 Feierlichkeiten zu diesem bedeutenden Jubiläum veranstalten und sich mit dem historischen Kontext des Konzils und seiner Bedeutung für die Gläubigen in den heutigen Gesellschaften auseinandersetzen. Bei der vom römischen Kaiser Konstantin einberufenen Versammlung in Nizäa (in der heutigen Türkei) kamen Kirchenobere zusammen, um theologische Fragen zu erörtern – vor allem die göttliche Natur des Gottessohns, die die christliche Welt zu dieser Zeit spaltete – sowie praktische Fragen zur Liturgie und zur Rolle der Bischöfe.

Im Material für die Gebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar reflektieren Mitglieder der ökumenischen monastischen Gemeinschaft von Bose in Norditalien über die Schriften der frühen Kirchenväter und laden die Gläubigen ein, „aus diesem gemeinsamen Erbe zu schöpfen und sich intensiver in den Glauben zu vertiefen, der alle Christen eint.“ Angesichts der aktuellen Kontroversen und Spaltungen sei die Gebetswoche „eine Gelegenheit für die Christen, dieses lebendige Erbe neu zu erforschen und es sich in einer Weise neu anzueignen, die den zeitgenössischen Kulturen entspricht, die heute noch vielfältiger sind als die der christlichen Welt zur Zeit des Konzils von Nizäa.“ 

Das Glaubensbekenntnis vertiefen 

Bruder Guido Dotti, der vor über einem halben Jahrhundert als 19-Jähriger in die Gemeinschaft von Bose eintrat, ist Mitglied der Vorbereitungsgruppe für die Materialien der Gebetswoche. „Wir haben über zwei wichtige Aspekte nachgedacht: die Tatsache, dass in Nizäa das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel verabschiedet wurde,“ aber auch die Tatsache, dass die Kirchen so bald nach ihrer Befreiung [von der Verfolgung] „beschlossen, sich zusammenzusetzen und ihre Probleme gemeinsam auszudiskutieren. Für uns ist es selbstverständlich, offene Fragen in einem Rat oder einer Generalversammlung zu besprechen, aber damals war es noch nicht so üblich, dass Angelegenheiten, die alle betreffen, auch gemeinsam von allen besprochen werden müssen“, fährt er fort. 

Bruder Guido, der viele Jahre Schatzmeister in Bose war und derzeit als Ökumenedelegierter seiner römisch-katholischen Diözese tätig ist, betont, dass die Vorbereitungsgruppe eng mit anderen Brüdern und Schwestern der Gemeinschaft zusammengearbeitet hat, darunter auch mit Forschenden, die sich auf die frühchristlichen Autoren spezialisiert haben. „Wir haben den Vers ‚Glaubst du das?‘ aus Johannes 11,17–27 gewählt,“ erklärt er, „weil das die Frage ist, die Jesus Martha über die Auferstehung stellte. Davon ausgehend haben wir versucht, tiefer in dieses ‚Credo‘ vorzudringen und patristische Texte aus der Zeit von Nizäa zu finden, die auf die eine oder andere Weise zur Definition des Glaubensbekenntnisses von Nizäa beitragen.“ 

Aus einer kleinen Gruppe von nur vier oder fünf Mitgliedern bei der Gründung des Klosters in den späten 1960er Jahren ist mittlerweile eine Gemeinschaft von mehr als 60 Männer und Frauen aus verschiedenen christlichen Kirchen geworden. „Da wir in Italien ansässig sind, ist die Mehrheit natürlich römisch-katholisch, aber wir haben auch reformierte Brüder und Schwestern, genauer gesagt einen reformierten Pfarrer und eine orthodoxe Schwester. Eine Zeit lang hatten wir einen koptischen Novizen – wir sind also offen für Christinnen und Christen aller Traditionen. Die Grundidee war, neu zu entdecken, wie man die monastische Berufung im neuen Kontext des 20. und 21. Jahrhunderts leben kann,“ erzählt Bruder Guido. 

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Bruder Guido Dotti. Foto: Bose

Bruder Guido Dotti. Foto: Bose

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Die Brüder und Schwestern der Bose-Gemeinschaft versammeln sich vor der Gemeinschaftskirche. Foto: Bose

Die Brüder und Schwestern der Bose-Gemeinschaft versammeln sich vor der Gemeinschaftskirche. Foto: Bose

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Mitglieder der Bose-Gemeinschaft beim Ackerbau von Obst und Gemüse zur Selbstversorgung. Foto: Bose

Mitglieder der Bose-Gemeinschaft beim Ackerbau von Obst und Gemüse zur Selbstversorgung. Foto: Bose

Die Mitglieder kommen aus verschiedenen europäischen Ländern und bringen unterschiedliche Fähigkeiten und berufliche Hintergründe mit. Sie verpflichten sich zu einem Leben in Nüchternheit, Ehelosigkeit und Gehorsamkeit und arbeiten in den Gärten, Olivenhainen und Weinbergen, in den Werkstätten für Schreinerei, Kerzenherstellung oder Ikonenmalerei, im Verlagswesen, in der akademischen Forschung oder im Dienst der Gastfreundschaft. Jedes Jahr begrüßen sie Tausende von Pilgernden und Besuchern in ihrem Kloster in den Voralpen oder in den drei anderen Häusern der Gemeinschaft in Assisi, Civitella und Ostuni. 

„Anfangs arbeiteten einige von uns außerhalb des Klosters in verschiedenen Berufen, z. B. als Lehrkräfte oder im Krankenhaus, aber heute liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit innerhalb des Klosters,“ sagt Bruder Guido. „Während des Noviziats können die jungen Leute, die zu uns kommen, eine Ausbildung oder ein Studium machen oder bei uns im Verlag, im Garten, in der Bäckerei usw. mithelfen. Wenn sie am Ende dieses Zeitraums ihre Erstprofess ablegen, entscheiden wir gemeinsam über ihre zukünftige berufliche Tätigkeit. Alles Geld wird zusammengelegt und für das Leben der Gemeinschaft, die Organisation von Einkehrtagen, Konferenzen, Bibelstudien und die Unterstützung von Bedürftigen verwendet.“ 

Die Ökumene ist „für uns eine Selbstverständlichkeit“, fährt er fort, „weil sie eine alltägliche Aufgabe ist. Wir leben, beten, arbeiten, teilen Freud und Leid als Brüder und Schwestern.“ In den Jahrzehnten seit der Gründung der Gemeinschaft habe ein radikaler Wandel in den ökumenischen Beziehungen stattgefunden, „vor allem hier in Italien, wo es bis vor 30 Jahren noch eine große römisch-katholische Mehrheit gab, wo aber inzwischen auch über eine Million Orthodoxe leben, zusätzlich zu allen Nicht-Christen, Muslimen und anderen – die Situation hat sich also völlig verändert.“ 

„Manchmal scheint es, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem wir nicht mehr weiterkommen, aber damit wollen wir uns nicht zufriedengeben,“ meint Bruder Guido. „Ich denke, dass es hilfreich sein kann, auf die Unterschiede von vor 40 oder 50 Jahren zurückzublicken, auf den Mangel an Vertrauen und Verständnis. Andererseits denke ich, dass wir uns auf die Bedürfnisse junger Kirchen und junger Menschen einstellen können, die einfach nicht verstehen, warum es diese Spaltungen gibt.“ 

Er stellt fest, dass sich auch die Fragen der jungen Besucherinnen und Besucher, die nach Bose kommen, geändert haben: „Ursprünglich ging es ihnen vor allem um die Wiederentdeckung der Bibel, aber ich glaube, jetzt sind sie auf der Suche nach etwas, das noch tiefer geht. Sie wissen einiges über die Bibel, aber ihr Problem ist, wie wir unseren Mitmenschen unseren Glauben erklären können. Sie fragen nicht nur: ‚Wie kann die Bibel mich in meinem geistlichen Leben weiterbringen?‘, sondern auch: ‚Was hat Christus durch mich den Menschen heute zu sagen?‘“. 

Im Januar ist das Kloster für Besuch von außen geschlossen, da sich die Gemeinschaft dann zu den jährlichen Exerzitien und zu ihrem Generalkapitel versammelt. Einige der Brüder und Schwestern werden während der Gebetswoche örtliche Kirchen und Gemeinschaften bei ihren ökumenischen Feiern unterstützen. „Natürlich“, sagt Bruder Guido, „nehmen unsere täglichen Gebete in dieser Zeit einen verstärkt ökumenischen Charakter an, aber wir leben diese Ökumene auch durch unsere Exerzitien und das Generalkapitel, indem wir tiefer in unsere Berufung eintauchen.“ 

Die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen wird in der nördlichen Hemisphäre traditionell vom 18. bis 25. Januar begangen, während die Kirchen im globalen Süden sie oft um das Pfingstfest herum feiern. Der Ökumenische Rat der Kirchen und das vatikanische Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen veröffentlichen jedes Jahr Materialien und Reflexionen, die in Partnerschaft mit christlichen Gemeinschaften oder Kirchen in verschiedenen Teilen der Welt erarbeitet wurden. 

LWB/P. Hitchen
Themen:
Land:
Italien
Region: