Interview mit Leon Chau, Generalsekretär der Chinesischen Rheinischen Kirche
HONGKONG, China/GENF (LWI) – Zwanzig Jahre lang hat Leon Chau, der Generalsekretär der Chinesischen Rheinischen Kirche, Hongkong-Synode (CRKHS), in verschiedenen Funktionen im Lutherischen Weltbund (LWB) gewirkt. Die Gemeinschaft der Mitgliedskirchen im LWB und die Zusammenarbeit innerhalb und unter den Kirchen hat ihm immer große Freude gemacht.
Seit 2002 arbeitet Chau in Vollzeit für die Chinesische Rheinische Kirche. Seit 2016 hat er das Amt des Generalsekretärs inne und ist Vorsitzender des Mekong Mission Forum (MMF), einem Zusammenschluss von lutherischen Kirchen, die in der Mekong-Region tätig sind. Auch in verschiedenen Sonderausschüssen des LWB war er über die Jahre aktiv.
Im Interview spricht Chau über das Geschenk des Gebens, das Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen Führungspersonen im LWB, die Bedeutung der Zusammenarbeit in der Mission und die Verkündigung des Evangeliums unter den Belastungen der Pandemie und dem politischen Druck.
Anfang 2020 haben Sie der Kirchengemeinschaft berichtet, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie für Ihre Kirche hat. Wie ist die Lage heute?
In dem Blog „Keeping Hope Alive“ (Hoffnung lebendig halten) habe ich beschrieben, wie ich mich an die Anordnung angepasst habe, zum chinesischen Neujahrsfest, dem Mond-Neujahr, zu Hause zu bleiben. Heute sind zwar 16 Prozent der Bevölkerung voll geimpft, aber einige Menschen trauen den Impfstoffen nicht und lehnen die Impfung deshalb ab. Das ist gesamtgesellschaftlich schwierig, denn wenn wir nicht eine Mehrheit der Menschen impfen, werden wieder die gleiche Situation wie vor anderthalb Jahren haben als ich den Blogartikel geschrieben habe.
Die staatlichen Beschränkungen für Kirchen sind seit April 2021 nicht mehr ganz so streng, so dass wir inzwischen wieder mit einer Auslastung von bis zu 30 Prozent der Gesamtkapazität der Gebäude Gottesdienst feiern können. Nach den derzeit geltenden Regeln könnten wir sogar eine Auslastung bis zu 50 Prozent der Kirchengebäude erlauben, sobald alle Mitglieder einer Gemeinde geimpft sind. Das ist aber unrealistisch, weil ja einige Menschen gar nicht geimpft werden können – kleine Kinder zum Beispiel. Wir rechnen mit einer fünften Welle von COVID-19-Infektionen in Hongkong und gehen davon aus, dass wir dir Kirchen dann wieder schließen müssen.
Das Regelwerk der Kirche erlaubt es den Mitarbeitenden, von zu Hause zu arbeiten, aber unsere Lebensbedingungen in Hongkong sind dafür nicht immer gut geeignet. Die Wohnungen sind klein und es gibt nicht ausreichend Platz, weil auch die Kinder im Homeschooling sind.
In den Medien wird von Protesten auf den Straßen von Hongkong berichtet. Wie gelingt es der Chinesischen Rheinischen Kirche unter den gegenwärtigen Umständen weiterhin Kirche zu sein?
Wir reichen unseren Schwestern und Brüdern in aller Welt die Hand, die in diesen schwierigen Zeiten sehr leiden, und wir erleben eine neue Art von Solidarität, wenn wir den aktuellen politischen Druck in Hongkong aushalten.
Ich ermutige unsere Kolleginnen und Kollegen und mich selbst, weiterhin das Evangelium zu verkündigen und die Wahrheit zu predigen und daran zu glauben, dass sich der Herr um den Rest kümmern wird.
Was sind die wichtigsten Dienste der Kirche?
Wir versuchen das Evangelium ganzheitlich zu leben – durch das Verkündigen der frohen Botschaft, Hilfe für die Armen und die Vermittlung von Bildung für bedürftige Kinder. Das ist es, was wir seit 170 Jahren in China und seit mehr als 100 Jahren in Hongkong tun.
Es mag den Anschein haben, dass wir sehr viel tun, aber eigentlich tun wir einen kleinen Teil im Zusammenwirken mit anderen Kirchen.
In Hongkong werden die meisten sozialen Dienste und Bildungsangebote von den Kirchen erbracht und die Regierung finanziert einige dieser von den Kirchen durchgeführten sozialen Projekte.
Wir versuchen auch in der aktuellen Situation, arme Menschen zum Beispiel über unsere Tafeln mit Nahrungsmitteln und Mahlzeiten zu versorgen, und auch wenn das nur in einem kleinen Rahmen geschieht und nur eine kleine Anzahl von Menschen mit Essen versorgt wird, gibt es für die Menschen dort viel mehr als nur Nahrungsmittel. Eine unserer Mitarbeitenden bei den Tafeln war vor einem Jahr selbst noch Kundin bei der Tafel; aber sie ist erwachsen geworden und ist zurückgekommen, um in der Verwaltung zu arbeiten und so daran mitzuwirken, dass andere Menschen jetzt etwas zu essen bekommen.
Wie war ihr persönlicher Werdegang in der Chinesischen Rheinischen Kirche?
Meine Geschichte mit der Chinesischen Rheinischen Kirche ist ähnlich wie die der Frau, die zurückgekommen ist, um bei den Tafeln mitzuarbeiten.
Vom Kindergarten bis in die Sekundarstufe haben meine Geschwister und ich an den Schulen der Chinesischen Rheinischen Kirche gelernt. Wir haben im gleichen Distrikt gewohnt, in dem auch die Grundschule ist; wir waren in 10 Minuten zu Fuß dort. Meine Eltern waren der Meinung, eine christliche Schulbildung sei die beste. Als junger Schüler war der Schulbesuch dort auch quasi kostenlos, weil es in dem Distrikt viele arme Familien gab.
Meine Eltern sind erst viel später zum Christentum übergetreten und haben sich in der „Christian and Mission Alliance“-Kirche (C&MA) taufen lassen. Mein Bruder ist Pfarrer einer anderen Kirche geworden. Meine jüngere Schwester ist Mitglied in meiner Kirche und ist derzeit mit ihrem Promotionsstudium auf dem Gebiet Neues Testament beschäftigt. Meine älteste Schwester ist ebenfalls Mitglied in der C&MA.
Ich wiederum bin der Chinesischen Rheinischen Kirche beigetreten und arbeite dort. In den lutherischen Kirchen in Hongkong gibt es viele solche Geschichten und Werdegänge.
Würden Sie uns etwas über die Beziehungen der Chinesischen Rheinischen Kirche zu anderen lutherischen Kirchen in der Region erzählen?
Am stolzesten bin ich auf unsere gemeinsame Arbeit mit dem LWB in den Ländern am Mekong. Eine unserer wichtigsten Initiativen ist das Mekong Mission Forum.
Die Chinesische Rheinische Kirche ist Mitglied in diesem Forum, das sich in Kambodscha und anderen Ländern am Mekong, in denen es nur kleine lutherische Kirchen gibt, die ihre ganz eigenen kontextabhängigen Probleme haben, sich aber dennoch im diakonischen Dienst engagieren wollen, um ganzheitliche Mission bemüht.
Dem MMF gehören Kirchen in Kambodscha, Hongkong, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur, Thailand und Vietnam an, und es arbeitet eng mit Partnern in Australien, Europa und den Vereinigte Staaten von Amerika zusammen.
Wir müssen im Bereich Mission zusammenarbeiten. Wir können uns nicht damit zufriedengeben, wie Mission früher betrieben wurde, als es eine dominierende Missionsgesellschaft gab, die alles alleine gemacht hat. In der heutigen Zeit müssen wir in Einheit zusammenarbeiten, um die neueren Kirchen in diesen Ländern zu unterstützen, damit sie wachsen können.
Der Schwerpunkt der Chinesischen Rheinischen Kirche in der Mekong-Region liegt auf Kambodscha, wo es lange nur einen einzigen Pfarrer gab. Wir haben einen zweiten Pfarrer dorthin entsendet, um ihn zu unterstützen. Es ist eine wunderbare Zusammenarbeit entstanden und auch wenn die lutherische Kirche in Kambodscha bisher noch keinen Antrag auf Vollmitgliedschaft im LWB gestellt hat, ermutigen wir sie immer wieder zu diesem Schritt und unterstützen sie auf dem Weg dorthin. Es ist ein Prozess.
Was bedeutet es für Ihre Kirche, Ihre Arbeit und Sie persönlich, Teil der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen im zu sein?
Wenn wir zu LWB-Tagungen zusammenkommen, sind die Arbeitstage lang, aber dann kommen wir abends in gemütlicher Runde zusammen und genießen das Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ist immer eine großartige Gelegenheit, sich mit Menschen auszutauschen, die auf ähnlichen Ebenen der Kirche arbeiten, wie man selbst. Wenn man wichtige Funktionen innehat, ist es manchmal schwierig, in der eigenen Kirche Menschen zu finden, die einen wirklich verstehen. Aber in diesen Abendstunden bei LWB-Tagungen können wir wirklich zur Ruhe kommen, uns unterhalten und uns über Ideen und Möglichkeiten für die Kirche austauschen. Weil der LWB uns diese Möglichkeiten bietet, können langfristige Freundschaften entstehen.
Von LWB/A. Gray. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller
Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.
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