Webinar „Transformierende Männlichkeitsvorstellungen“ ruft zu Buße und Aufbau positiver Partnerschaften auf
GENF, Schweiz (LWI) – Die Corona-Pandemie könne ein Kairos-Moment, eine Gelegenheit für Männer sein, Buße zu tun für die Sünde des Patriarchats, und um positive Partnerschaften aufzubauen, die Frauen und Männer stärken. Kirchen sollten in diesem Prozess ganz vorne mit dabei sein und auf die Heilige Schrift und andere Glaubenstexte zurückgreifen, um die Umsetzung von Gendergerechtigkeit voranzutreiben.
Um diese Themen ging es in dem dritten Webinar in der Webinar-Reihe zum Thema „Transformierende Männlichkeitsvorstellungen“, das am vergangenen Aschermittwoch, dem 17. Februar, stattgefunden hat und bei dem unter anderem Ezra Chitando, Professor an der Universität Simbabwe und Koordinator des Programms Ökumenische HIV- und AIDS-Initiativen und Advocacy des Ökumenischen Rates der Kirchen zu den Referierenden zählte.
Die Webinar-Reihe ist Teil eines laufenden Prozesses, der auf Initiative des Lutherischen Weltbundes (LWB), der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), des ACT-Bündnisses und des in Südafrika beheimateten Netzwerks Sonke Gender Justice zurückgeht. Ziel dieser Initiative ist es, mit religiösen Leitungspersonen zusammenzuarbeiten und Fachleute in den Regionen auszubilden, um Raum für Dialog zu schaffen, geschlechtsspezifische Gewalt auszurotten und Männer und Jungen in das Engagement für Gendergerechtigkeit einzubinden.
Buße für die Sünde des Patriarchats
Chitando begann seien Vortrag mit dem Verweis, dass „das Patriarchat Jungen und Männern sehr viel verspricht“, dass aber „wir, die wir eigentlich die Begünstigten eines solchen Systems sein sollen, auch die Opfer des Patriarchats sind“. Infolge der Art und Weise, wie Jungen sozialisiert werden, um andere „zu dominieren und zu kontrollieren“, sagte er, seien Männer oftmals nicht in der Lage Verletzlichkeit zu zeigen, Frauen zuzuhören, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder für ihre Fehler um Entschuldigung zu bitten.
Es sei daher wichtig, mit Familien und Glaubensgemeinschaften zu arbeiten, sagte er, um das Narrativ zu verändern, eine Zusammenarbeit mit Frauenbewegungen zu fördern und „mit Hochdruck“ in die Schulung von Jungen und Mädchen zu investieren. Die Passionszeit, sagte Chitando, sei ein guter Zeitpunkt, um Männer aufzufordern – genau wie Jesus Zachhäus aufforderte – „eilend herunterzusteigen“ von ihrer privilegierten Stellung, und Buße zu tun und jenen Wiedergutmachung anzubieten, denen sie geschadet haben.
Neben Chitando nahm auch der LWB-Programmreferent für Identität, Gemeinschaft und Bildung, Chad Rimmer, an der Diskussionsrunde teil. Er sagte: „Unsere Glaubenstraditionen haben die Möglichkeiten und Ressourcen, sich den negativen Narrativen zu widersetzen und neu zu formulieren, was es heißt, ein Mann zu sein.“ Die aktuelle Zeit der weltweiten Pandemie könnte eine gute Gelegenheit für Veränderungen und Fortschritte auf dem Weg hin zu einer umfassenderen Gleichstellung der Geschlechter sein, so Rimmer. Männer, die sich traditionell als Geldverdiener und Ernährer ihrer Familien verstünden, seien in ihrem Zuhause eingesperrt. Das habe zu einer „Relativierung der Macht des Patriarchats“ geführt, waren sich die Diskussionsteilnehmenden einig. Wie können Kirchen in einer solchen Situation des Eingesperrtseins Unterstützung leisten und gegen die Zunahme häuslicher Gewalt angehen, fragten sie.
Kirchen müssen Bewegung für Wandel anführen
Ein weiterer Podiumsteilnehmer war Bafana Khumalo, Mitbegründer des Sonke-Netzwerks und dessen Direktor für Strategische Partnerschaften. Er sprach über die Gründe, warum sich viele Männer gegen das Engagement für Gendergerechtigkeit sperren würden: Sie würden sich durch die Frauenbewegung entmannt fühlen. Weiter wies er darauf hin, dass auch Männer Opfer von Gewalt und Diskriminierung werden können. Chitando stellte Vergleiche zu der Kritik an der Black Lives Matter-Bewegung an und warnte, „ein System der Privilegien geht schnell in den Defensivmodus“. „Lassen Sie uns keinen Wettstreit der Traumata beginnen“, sagte er und führte aus: „Das Aufblasen der Opferrolle ist ein patriarchales Konstrukt, um uns nicht ins Gespräch begeben zu müssen“.
Der WGRK-Exekutivsekretär für Gerechtigkeit und Zeugnis, Philip Peacock, sprach darüber, welch wichtige Rolle die Kirchen bei der Verwandlung toxischer Männlichkeit durch Liturgie, Predigten, Lehre und das Lesen der Schrift spielen können. „Die Kirche ist der letzte Männerclub in unserer Gesellschaft“, sagte er. „Dabei sollten wir doch mit gutem Beispiel vorangehen und nicht hinterherhinken.“ Auf den jeweiligen Kontext ausgerichtete Bibelarbeiten und eine „verbesserte Glaubenskompetenz“, betonte er, seien wichtige Komponenten, um das Zünglein an der Waage weiter in Richtung umfassendere Gerechtigkeit und Gleichstellung zu bewegen.
Die Teilnehmenden schauten sich einen Kurzfilm mit dem Titel „The Gift of Fatherhood“ (Das Geschenk der Vaterschaft) an, der von zwei Brüdern handelt, die in einem Township in Südafrika aufwachsen, wo mehr als die Hälfte der Kinder ohne Vaterfigur zu Hause aufwachsen muss. Der Film, der auch auf der Website der weltweiten Kampagne „MenCare“ zum Thema Vaterschaft zur Verfügung steht, unterstreicht, wie wichtig es ist, sichere Orte zur Verfügung zu stellen, in denen Männer über ihre Gefühle sprechen, positive Vorbilder treffen und gewaltfreie Bewältigungsstrategien erlernen können.
Die Diskussionsteilnehmenden strichen heraus, wie wichtig es sei, „kulturelle Normen“ zu hinterfragen und mit traditionellen Führungspersonen zusammenzuarbeiten, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. „Wir müssen jene Menschen, die anderer Meinung sind als wir, einbeziehen und nicht wegschubsen oder davonkommen lassen“, erklärte Khumalo. Er berichtete von Projekten in Simbabwe und Tansania, wo traditionelle Oberhäupter von Gemeinwesen an Workshops über die Stärkung von Frauen teilgenommen hätten, dann zu „Vorkämpfern für Gleichberechtigung“ geworden seien und „ein Ende von Kinderehen und weiblicher Genitalverstümmelung fordern“ würden.
Genau wie „Jesus Zachhäus gezeigt hat, wie er Teil der Lösung für Wandel werden könne“, sagte Khumalo, müssten gläubige Menschen „unsere Komfortzone verlassen“ und eingestehen, dass Kirchen Frauen immer ausgegrenzt und diskriminiert hätten. Der Glaube stünde und falle mit der Frage, ob sie es schaffen, ihre „Gender-Narrative neu zu formulieren“, um Gerechtigkeit und Inklusion voranzutreiben, sagten die Diskussionsteilnehmenden abschließend.