Rolle der Kirche in säkularisierten Gesellschaften
(LWI) – Was bedeutet es heute, in einem stark säkularisierten Europa Kirche zu sein? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Treffens der europäischen Regionen, das nächste Woche in der tschechischen Hauptstadt Prag stattfindet. Es wird vom Lutherischen Weltbund (LWB) organisiert und von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) ausgerichtet.
Kirchenverantwortliche, Ratsmitglieder, Ökumenebeauftragte und Führungspersonen verschiedener Netzwerke aus den drei europäischen Regionen des LWB [Ost-, West- und Nordeuropa] werden vom 8. bis 11. Oktober zusammenkommen, um das Thema „Der Weg der lutherischen Kirchen in einem Europa im Wandel“ zu diskutieren. Die Teilnehmenden werden über die Erfahrungen der LWB-Vollversammlung in Krakau im vergangenen Jahr nachdenken und Möglichkeiten zur Umsetzung der neuen LWB-Strategie erkunden.
Der Eröffnungsgottesdienst des Treffens wird in der mittelalterlichen Kirche Sankt Martin in der Mauer gefeiert, einem seltenen und gut erhaltenen Beispiel romanischer und gotischer Architektur im Herzen der Altstadt. Die Predigt hält Pfarrer Pavel Pokorný, Vorsitzender der EKBB. Der ungarische Bischof Dr. Tamás Fabiny, LWB-Vizepräsident für Mittel- und Osteuropa, wird ein Grußwort sprechen.
Vergangenes Leid, aktuelle Herausforderungen
Die EKBB entstand im Jahr 1918 durch die Vereinigung lutherischer und reformierter Kirchen und ist heute die größte protestantische Kirche Tschechiens. Ihre Wurzeln reichen bis zum Reformator Jan Hus im 15. Jahrhundert zurück. Doch in den drei Jahrzehnten seit dem Fall des kommunistischen Regimes ist die Mitgliederzahl um fast drei Viertel gesunken. Die Kirche sucht nun nach innovativen Wegen, um sich in einer zunehmend multikulturellen und säkularisierten Gesellschaft zu behaupten.
Direkt vor dem Veranstaltungsort des Treffens, dem Kirchen- und Gemeindezentrum aus dem frühen 20. Jahrhundert in Smíchov, steht das Denkmal einer protestantischen Frau, die das Leiden der Gewissensgefangenen während der Jahrzehnte der kommunistischen Unterdrückung symbolisiert. Die Rechtsanwältin, Politikerin und Frauenrechtlerin Milada Horáková wurde von den Nazis wegen ihrer Aktivitäten in der Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkriegs verhaftet. Später wurde sie von den kommunistischen Behörden wegen Hochverrats inhaftiert und 1950 hingerichtet, weil sie sich weigerte, ihre politischen Überzeugungen aufzugeben.
Die Delegierten werden nicht nur über vergangene und aktuelle Herausforderungen ihrer eigenen Kirchen nachdenken, sondern auch Zeugnisse von Menschen hören, die in Kriegsgebieten oder Regionen mit bewaffneten Konflikten in anderen Teilen der Welt leben. Der ukrainische Professor und Pfarrer Dmytro Tsolin wird über die Auswirkungen des russischen Krieges in seinem Land berichten, Dr. Fadi Atrash, Leiter des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Jerusalem, wird über den Nahostkonflikt sprechen, und die Bildungskoordinatorin Maureen Ogulu aus Kenia wird über die Arbeit des LWB im Südsudan berichten, wo sie selbst tätig ist.
Dieses Treffen ermöglicht es den europäischen Mitgliedskirchen, Gemeinschaft auf konkrete Weise zu erleben.
Pfarrer Dr. Ireneusz Lukas, LWB-Regionalsekretär für Europa
„Das Treffen ist ein bedeutendes und mit Spannung erwartetes Ereignis, das den Mitgliedskirchen der drei europäischen Regionen des LWB ermöglicht, Gemeinschaft auf konkrete Weise zu erleben – sei es im liturgischen Raum, bei Abendmahlsgottesdiensten, im Morgen- und Abendgebet oder in den vielen Gesprächen und Diskussionen”, sagte der LWB-Regionalsekretär für Europa, Pfarrer Dr. Ireneusz Lukas, über seine Hoffnungen und Erwartungen an dieses erste europaweite Treffen seit der Vollversammlung in Krakau.
„Es geht darum, Wege zu finden, wie die lutherischen Kirchen in Europa ein glaubwürdiges Zeugnis ablegen können, und zwar durch eine ganzheitliche Mission im Kontext all dessen, womit wir täglich konfrontiert sind”, so Lukas weiter. “Bei unserem ersten persönlichen Treffen seit der Vollversammlung in Krakau wollen wir einander aufmerksam zuhören, voneinander lernen und so unsere Gemeinschaft pflegen, die sowohl ein Geschenk als auch eine fortwährende Aufgabe ist.“