Webinar über globale Advocacy-Arbeit und lokale Aktionen zur Ermächtigung von Frauen in Asien, Afrika und Lateinamerika
GENF, Schweiz (LWI) – Als Auftakt der 16-tägigen Kampagne zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt hat der Lutherische Weltbund (LWB) seine „unbeirrbare Verpflichtung“ bekräftigt, eine der „schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen zu beenden.“
Während eines Webinars über die verstärkte Advocacy-Arbeit und Maßnahmen auf globaler und lokaler Ebene erörterten die Diskussionsrunden mit Teilnehmenden aus Asien, Afrika und Lateinamerika den Schritt von reinen Aufklärungs- und Informationskampagnen hin zu einer größeren Rechenschaftspflicht innerhalb der Kirchen und der Gesellschaft insgesamt.
In ihrer Einleitungsrede wies Eva Christina Nilsson, Direktorin der LWB-Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, darauf hin, dass die durch COVID-19 erzwungenen Lockdowns die Gefahren für Frauen signifikant erhöht hätten, die mit ihren übergriffigen Partnern oder anderen Familienmitgliedern „Gefangene in ihren eigenen vier Wänden waren.“ Selbst vor der Pandemie, so Nilsson, hätten Statistiken gezeigt, dass im Durchschnitt jeden Tag 137 Frauen weltweit einem Femizid zum Opfer fielen. Als Kirchen, so sagte sie, „sind wir aufgerufen zu handeln, denn wir glauben, dass wir alle nach dem Bild Gottes geschaffen sind, um in Würde und mit Respekt vor den Menschenrechten zu leben.“
Nilsson bedankte sich bei den LWB-Mitgliedskirchen und den Länderprogrammen der LWB-Abteilung für Weltdienst für ihre harte Arbeit zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt. Sie wies darauf hin, dass die Beteiligung an der 16-tägigen Kampagne eine Möglichkeit biete, exemplarisch das Engagement für eine gewaltfreie Welt zu zeigen. „Es ist ein langer Weg bis zu diesem Ziel“, erklärte sie, aber „wir müssen uns selbst daran erinnern, dass wir es erreichen können und dass wir gemeinsam daran festhalten müssen.“
Prophetische Stimme im öffentlichen Raum
LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt berichtete über sechs Verpflichtungen, deren Einsetzung der LWB zugesagt hat und die zu schnelleren Fortschritten bei der Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt in Kirchen und Gemeinden und im Rahmen anderer humanitärer Aktionen und Entwicklungsaktivitäten führen sollen. Das seit langer Zeit bestehende Engagement des LWB für Gendergerechtigkeit, so Burghardt, zeige sich in überzeugender Weise in seiner grundsätzlichen Politik und in den Resolutionen der Vollversammlungen sowie der „laufenden Arbeit und der prophetischen Stimme des LWB im öffentlichen Raum.“
In ihren Berichten über den Kontext in ihrem Heimatland Nepal sprach Bijaya Bajrachrya darüber, dass ihre Berufung zur weiblichen Direktorin eines LWB-Weltdienstprogramms dazu geführt habe, dass das weibliche Personal „mehr Selbstvertrauen“ bekommen habe und dass Männer „eine andere Einstellung“ zu Frauen in Führungspositionen bekommen hätten. „Wenn wir unsere Organisationen als Ausgangspunkt nehmen“, sagte sie, „können wir Vorbilder für die Gemeinschaften sein, in denen wir Veränderungen bewirken möchten.“
In Nepal, so erzählte Bajracharya weiter, sei die geschlechtsspezifische Gewalt „nach wie vor eine der am häufigsten vorkommenden Menschenrechtsverletzungen“, und „einer von drei Männern ist der Ansicht, dass es akzeptabel ist, seine Frau wegen Ungehorsams zu schlagen.“ Besondere Formen der Gewalt sind Sexhandel, Tötung weiblicher Kinder, Kinderehen und Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit der Mitgift. Zwei Drittel der Überlebenden sehen sich nicht in der Lage, die Täter anzuzeigen oder um Hilfe zu bitten. Das konsequente Engagement des LWB im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, so sagte sie, „ermutigt uns dazu, proaktiv zu handeln, uns mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen auszutauschen und auf diese Weise unsere Advocacy-Arbeit zu stärken, mehr Ressourcen zu mobilisieren und diese schädlichen Praktiken zu beenden.“
Rückschläge machen Fortschritte bei den Frauenrechten zunichte
Liria Consuelo Preciado, eine Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens, sprach über die zunehmende Zahl der Frauenmorde und anderer Formen der Gewalt gegen Frauen in ihrem Land, die unter den Folgen des seit langem anhaltendem Bürgerkrieg leiden. „Die Frauen leiden unter der Gewalt in ihrem Zuhause“, sagte sie, aber „auch Mädchen oder ältere Frauen, die ihre Häuser verlassen und versuchen, etwas zu essen zu organisieren, werden oft Opfer von Landminen“, die sie verletzen oder töten können.
Preciado berichtete ebenfalls über Rückschläge bei der Durchsetzung von Frauenrechten, denn „viele Menschen glauben, dass wir zu den traditionellen Familienrollen zurückkehren müssen.“ Darüber hinaus, so Preciado, würden die Kirchen zur Unterdrückung von Frauenrechten instrumentalisiert, und „das Wort Gottes wird benutzt, um die Machokultur und die untergeordnete Rolle der Frauen in der Gesellschaft zu rechtfertigen.“ Gleichwohl, so fügte sie hinzu, arbeite die Kirche in Kolumbien partnerschaftlich mit anderen Gruppen und katholischen, presbyterianischen, mennonitischen und indigenen Führungspersönlichkeiten zusammen, um Frauenrechte zu stärken „und dort präsent zu sein, wo es bewaffnete Konflikte gibt und wo Frauen am stärksten leiden.“
Denver Grauman, Theologe und Seelsorger der Herrnhuter Kirche in Südafrika, sprach über die „stumme Pandemie der geschlechtsspezifischen Gewalt“ in seinem Land mit einem Anstieg von 72 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2020. In diesem Jahr, so fügte er hinzu, seien mehr als 40 Frauen allein in den Wochen zwischen April und Juni getötet worden. Grauman arbeitet zurzeit bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche im südlichen Afrika (ELCSA), die nach seinen Worten „eine lange Tradition des Engagements für die Ermächtigung von Frauen hat.“
Die ELCSA kooperiert ebenfalls partnerschaftlich mit anderen Kirchen und Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter das ACT Alliance und die NGO Sonke Gender Justice, „um für mehr Aufklärung zu sorgen und für die Rechte von Frauen und Mädchen zu kämpfen.“ Seit einiger Zeit, so ergänzt Grauman, „arbeiten wir auch mit der Polizei und der Justiz zusammen, unterstützen Empowement Centers, in denen das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen von Gewaltopfern wiederaufgebaut werden, und bestärken unserer Mitglieder darin, Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalttaten mit Toilettenartikeln und anderen Bedarfsartikel zu versorgen.
Die Diskussionsgruppen sprachen auch über die Notwendigkeit einer stärkeren Rechenschaftspflicht der Kirchen und kirchennahen Organisationen und die Erfassung konkreter Fortschritte bei der Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt. Bajracharya wies auf die Bedeutung der LWB-Strategien hin, dazu gehörten der Verhaltenskodex, das Grundsatzpapier zur Gendergerechtigkeit, Beschwerdeverfahren, eine internationale Kinderschutzpolitik und Standards in der humanitären Hilfe. Das LWB-Personal und die lokalen Partner in Nepal, so berichtete sie, würden in all diesen Aspekten und Instrumenten geschult.
Grauman sagte, dass man „sich mit den Kirchen zusammensetzen und fragen müsse, inwiefern uns diese Probleme betreffen.“ Es sei wichtig, so Grauman weiter, dass wir globale Strategien adaptieren und kontextualisieren, so dass sie „sich konkret auf die Arbeit zum Schutz und zum Empowerment von Frauen auswirken.“ Es verwies ebenfalls auf die Bedeutung der Einrichtung „sicherer Räume für Jungen und Männer, in denen sie über ihre Ängste und Probleme reden können“ – ein neues Modell, dass im Kontext des südlichen Afrikas „bereits viel bewirkt hat.“ Bildung für Jungen und Mädchen habe einen hohen Stellenwert, so fügte er hinzu, und dazu gehöre auch die Unterweisung von Eltern, wie sie ihre Kinder am besten erziehen, damit sie die Rechte aller Menschen respektieren.
Preciado schloss mit einem Aufruf an alle Verfechterinnen und Verfechter der Gendergerechtigkeit, „ihre prophetische Stimme zu erheben und laut zu sagen, was innerhalb und außerhalb unserer Kirchen passiert.“ Es ist wichtig, „nicht zu schweigen“, sagte sie, sondern dafür zu sorgen, „dass alle Mitglieder unserer Kirchen wissen, wo sie einen sicheren Raum finden, wo sie gehört werden und wo sie unterstützt werden, wenn sie Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind.“