Aufruf zur Sensibilisierung von Gemeinden und Zusammenarbeit mit Regierungen
Tariro Dube (Name geändert), 19 Jahre alt, erinnert sich genau daran, wie sie und ihre zwei Freundinnen 2008 am Internationalen Flughafen von Harare aus einem Air Zimbabwe-Flugzeug herausgeholt wurden.
Ihr eigentliches Reiseziel war China, wo sie in der Textilindustrie arbeiten sollten. Am Anfang ihrer Reise hatte eine einfache Zeitungsannonce gestanden, die gut bezahlte Arbeit versprach. Wachsame Polizeibeamte, die auf die Bekämpfung des Menschenhandels spezialisiert waren, retteten sie aus der Hand von Menschenhändlern.
Menschenhandel war eines der Themen, die vom 5. bis 9. November auf einer regionalen Konsultation des Lutherischen Weltbundes (LWB) ausführlich diskutiert wurden. An der Konsultation, die in der simbabwischen Hauptstadt Harare stattfand, nahmen 34 VertreterInnen der Länder- und assoziierten Programme der LWB-Abteilung für Weltdienst (AWD) im südlichen Afrika, der LWB-Mitgliedskirchen in der Lutherischen Gemeinschaft im südlichen Afrika (LUCSA), von Partnerorganisationen sowie eingeladene ReferentInnen teil, die zu verschiedenen Themen das Wort ergriffen.
Auf der Grundlage von Fallstudien und anderen Berichten diskutierten die Teilnehmenden darüber, wie Kirchen und religiöse Organisationen einen strategischen Beitrag zu Initiativen leisten können, die Menschenhandel und andere Formen der Zwangsmigration stoppen und ihnen vorbeugen.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und die dazugehörigen Protokolle beschreiben Menschenhandel als Aneignung von Personen mit unzulässigen Mitteln wie Zwang, Betrug oder Täuschung zum Zweck der Ausbeutung. Er unterscheidet sich von der Schleusung von Migranten, die die gewerbliche Schaffung illegalen Zutritts in andere Staatsgebiete bezeichnet.
Nach der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bringt der Menschenhandel jährliche Gewinne von schätzungsweise 10 Milliarden US-Dollar. Statistiken zufolge handelt es sich bei den 12 Millionen Menschen, die jährlich Opfer von Menschenhandel werden, zu 80 Prozent um Frauen und Kinder. Ihr Los sind illegale Adoptionen, Zwangsehen, Kinderarbeit, Zwangsdienstbarkeit in Landwirtschaft und Bauindustrie, sexuelle Ausbeutung und Prostitution oder die Entnahme von Körperorganen zwecks Organhandels.
„Der Menschenhandel ist eine moderne Form der Sklaverei, die sich heute wieder ausbreitet. Es gibt viele Menschen dort draussen, die aus dem Leben anderer Menschen Profit schlagen wollen, und wir als Weltdienst und als Kirche müssen uns fragen: Wie können wir helfen? Welche vorbeugenden Massnahmen können wir gegen das Ausmass des Leids ergreifen, dem Menschen in diesen Situationen ausgesetzt sind? Schliesslich ist es die Kirche, die Tür des Pastors/der Pastorin, an die die Menschen klopfen und um Hilfe bitten“, stellte Pfr. Eberhard Hitzler, der Direktor der AWD, fest.
Durchlässige Grenzen, schwache Gesetze
Im südlichen Afrika, wo die AWD Länderprogramme in Angola, Mosambik und Sambia und assoziierte Programme in Malawi, Südafrika, Swasiland und Simbabwe betreibt, sind Menschenhandel und Menschenschleusung vor allem deshalb so weit verbreitet, weil die Grenzen durchlässig sind und Rechtsvorschriften schlecht umgesetzt werden.
Allet Sibanda, Kinderschutzbeauftragte beim Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) in Harare, beschrieb das Phänomen des Menschenhandels. „Menschen, die sich auf das Geschäft mit der Schleusung von Menschen in andere Länder spezialisieren, werden manchmal zu Menschenhändlern. Kinder leiden immer am meisten, weil sie schutzlos sind. [Dies] wird durch die ‚Kultur der Kinderausbeutung‘ in unseren Gesellschaften noch verschlimmert. Ein 13-jähriges Kind wegzuschicken, um Arbeit zu suchen, ist Ausbeutung, weil das Kind nicht freiwillig geht und arbeitet“, sagte sie.
Pfr. Dr. Mogomme Masoga von der Evangelisch-Lutherischen Kirche im südlichen Afrika (ELKSA) rief die Kirchen zur aktiven Beteiligung am weltweiten Kampf gegen Menschenhandel auf. Auch die Regierungen müssten sie in dieser Frage zur Rechenschaft ziehen. „Wir sind reaktiv statt proaktiv. In Johannesburg und Pretoria wird mit Menschen gehandelt. Sie werden zu Prostitution und Pornographie, Zwangsarbeit auf Farmen und Betteln in den reichen Vororten Südafrikas gezwungen“, sagte er.
Masogas Einschätzung wurde von Tapfumanei Kusemwa, dem IOM-Beauftragten zur Bekämpfung des Menschenhandels, bekräftigt. Er appellierte an die Verantwortung der Kirchen, die, so Kusemwa, sicherstellen müssten, dass das von Gemeindemitgliedern empfangene Geld nicht aus illegalen Geschäften stamme.
„Die Kirche kann so viel tun, um das Bewusstsein für diese Probleme zu stärken, insbesondere indem sie Überlebenden des Menschenhandels hilft. Die Kirchen stellen eine Plattform für Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung dar“, erklärte George Mkanza, der Vertreter des LWB/AWD-Länderprogramms in Mosambik.
Die verschiedenen Massnahmen, die sowohl auf internationaler als auch regionaler Ebene zur Bekämpfung des Menschenhandels ergriffen werden, scheinen keine ausreichende Abschreckung zu bieten, erfuhren die Teilnehmenden. „Es ist ein organisiertes Geschäft, das verdeckt und mit niedrigen Kosten betrieben wird. Ermittlungen werden ad hoc geführt und die Strafen für verurteilte Täter fallen milde aus. Die Opfer werden eingeschüchtert, korrupte Beamte arbeiten mit Syndikaten zusammen. Es gibt Sprachbarrieren, die Opfer haben Angst und die Polizeibeamten sind für diese Art von Arbeit nicht ausgebildet“, erklärte Kusemwa.
Positive Entwicklungen
Die Tagungsteilnehmenden waren sich darin einig, dass die Länder des südlichen Afrika ihre Gesetze verschärfen müssen, um dieses Phänomen zu bekämpfen. De facto gibt es einige positive Entwicklungen. „Südafrika verlangt jetzt von jedem Reisenden mit Kind einen beglaubigte Erklärung, dass beide Eltern der Reise des Kindes zugestimmt haben“, unterstrich Sibanda.
Auch Angola fordert eine solche Erklärung. Abrao Mushavi vom AWD-Länderprogramm Angola ermutigte die Kirchen, „im Kampf gegen den Menschenhandel Bündnisse mit gleichgesinnten Organisationen zu schliessen und gegen die Ursachen, wie die in unseren Gesellschaften weit verbreitete Armut, vorzugehen“.
Das assoziierte Programm in Simbabwe, der Lutherische Entwicklungsdienst, war Gastgeber der Tagung, auf der auch der Leitende Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe, Stephen M. Dube, das Wort ergriff.
(Beitrag des in Harare lebenden Journalisten Stanley Kwenda für die LWI)