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Pfarrerin Au Sze Ngui. Foto: LWB/Johanan Celine Valeriano
Kirchenhistorikerin Pfarrerin Au Sze Ngui spricht über Engagement für Stärkung der lutherischen Identität in Asien
(LWI) – Pfarrerin Au Sze Ngui ist in Sabah, dem östlichen Teil von Malaysia auf der Insel Borneo, geboren und aufgewachsen. 2024 war sie die stellvertretende Leiterin des renommierten theologischen Seminars dort. Sie lehrt Kirchengeschichte sowie Homiletik und Pastoraltheologie, und ist derzeit Dekanin für Studierende mit unterschiedlicher konfessioneller Zugehörigkeit aus allen Teilen der Region Südostasien.
Das Theologische Seminar in Sabah wurde 1988 gegründet und ist die erste Institution dieser Art, die Studiengänge in malaiischer Sprache und auf Englisch und Mandarin anbietet. Ngui berichtet, dass der Vorschlag, die theologische Ausbildung in einem Land, in dem der Islam Staatsreligion ist und sich weniger als 10 Prozent der Bevölkerung zum christlichen Glauben bekennen, in der Landessprache anzubieten, bei der muslimischen Bevölkerungsmehrheit große Ängste vor Evangelisierung auslöste.
„Aber zum Glück können wir auch auf Malaiisch unterrichten und Pfarrpersonen ausbilden, deren Wurzeln hier sind und die hier leben“, sagt Ngui. „Mit dem erst kürzlich eröffneten Zentrum für lutherische Studien an unserem Seminar können wir jetzt auch wichtige Ressourcen bereitstellen, um die lutherische Identität in der gesamten Region zu stärken und ein besseres Verständnis der lutherischen Identität zu fördern“, berichtet sie stolz.
Erzählen Sie uns zunächst etwas über ihren familiären Hintergrund?
Meine familiären Wurzeln liegen in China, aber ich bin auf mütterlicher Seite in 5. Generation und auf väterlicher Seite in 2. Generation christlich aufgewachsen. Die Familie meiner Mutter ist aufgrund der guten Arbeit der Basler Mission in China zum christlichen Glauben übergetreten. Ende des 19. Jahrhunderts nahmen sie ein Angebot zur Emigration nach Borneo der North Borneo Chartered Company an. Diese suchte damals Menschen, die sich auf der Insel Borneo niederlassen und das Land bearbeiten wollten. Meine Familie kam also Endes 19. Jahrhunderts hierher und 1882 wurde die Basler Christliche Kirche Malaysias offiziell gegründet.
Wann haben Sie entschieden, sich für den kirchlichen Dienst ausbilden zu lassen?
Eigentlich hatte ich Sprachwissenschaften studiert und habe zunächst als Lehrerin für Englisch als Fremdsprache gearbeitet. Während meines Studiums in Kanada habe ich mich in der Missionsbewegung „Campus Crusade for Christ“ (Campus für Christus) engagiert. Ich erinnere mich noch gut, dass wir auf einer Missionsfahrt nach Brasilien eines Sommers alle aufgefordert wurden, darüber nachzudenken, ob wir nicht berufen seien, hauptamtlich in der Kirche zu arbeiten.
Nach dem Studium ging ich zurück nach Malaysia und begann als Lehrerin zu arbeiten, aber Gott sandte immer wieder Menschen in mein Leben, die mich zunehmend ernsthaft darüber nachdenken ließen, mich für den kirchlichen Dienst ausbilden zu lassen. Ich habe lange darüber nachgedacht und immer wieder Gott zugehört, der durch das Evangelium und Predigten zu mir sprach. 1997 folgte ich schließlich dem Ruf Gottes und ging nach Singapur, um Theologie zu studieren.
Wann wurden Sie ordiniert?
Ich wurde 2008 ordiniert und habe in drei sehr unterschiedlich großen Gemeinden als Gemeindepfarrerin gearbeitet, bevor ich gefragt wurde, ob ich nicht am theologischen Seminar lehren wolle. Ich bin also nach Hongkong gegangen, um einen Master in Theologie zu machen. Aber erneut haderte ich mit Gott und mit mir selbst, ob ich wirklich den Schritt vom kirchlichen Dienst in die akademische Lehre machen wolle.
Ursprünglich war ich gebeten worden, systematische Theologie zu studieren, aber nach einem Wechsel in der Leitung des Seminars durfte ich Kirchengeschichte studieren, was mir sehr gefiel. Heute lehre ich neben Kirchengeschichte auch Homiletik und Pastoraltheologie und ich liebe den Austausch mit den Studierenden. Aber auch meine mehrjährige Erfahrung im Pfarramt sind sehr wichtig, weil sie beeinflussen, wie ich unterrichte und wie ich die Studierenden auf den hauptamtlichen Gemeindedienst vorbereite.
Erzählen Sie uns etwas über das Seminar und die Studierenden, die Sie unterrichten.
Bei uns studieren insgesamt 1.500 Studierende – in Vollzeit, in Teilzeit und online. Sie lassen sich zu Pfarrpersonen oder für Laienämter ausbilden. Etwa 50 oder 60 von ihnen leben vor Ort in den Studierendenwohnheimen und besuchen ein breites Spektrum an akademischen und praktischen Kursen. Sie kommen aus vielen verschiedenen protestantischen Kirchen, denn wir sind überkonfessionell und werden von vielen Kirchen aus Malaysia und aus dem Ausland unterstützt.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Spannungen zwischen der muslimischen Bevölkerungsmehrheit und der christlichen Bevölkerung in Malaysia gegeben – ist das ein Problem für die Studierenden und die Mitarbeitenden an Ihrem Seminar?
Sabah ist der östlichste Bundesstaat von Malaysia. Der christliche Bevölkerungsanteil hier ist deutlich höher als in den westlichen Landesteilen. In Sabah sind etwa 25 Prozent der Menschen christlich und in Sarawak im Norden der Insel sind es sogar 35 Prozent oder mehr. Wir sind hier also deutlich präsenter, aber es ist trotzdem nicht leicht, beispielsweise Land zu bekommen, um Kirchen zu bauen. Daher kommen viele Gemeinden entweder in Gewerbegebäuden oder Hauskirchen zusammen.
Ihr Seminar arbeitet bei einem neuen Programm mit dem LWB zusammen, das eine Ausbildung in den Bereichen Theologie, Gendergerechtigkeit und Führungskompetenzen für die Kirchen in der Region Asien anbietet – mit welchen Herausforderungen sind Frauen in Ihrem Land konfrontiert?
Malaysia ist ein recht offenes muslimisches Land, wo Frauen arbeiten dürfen und auch hochrangige Funktionen wie beispielsweise als Geschäftsführerinnen von Unternehmen innehaben können. Aber ich freue mich trotzdem, Teil dieser neuen Initiative zu sein, die, so hoffe ich, maßgeblich dazu beitragen kann, Frauen noch besser zuzurüsten, um auch bis in die obersten Führungsebenen in den Kirchen unserer Region aufzusteigen.
Ich habe an der Ausarbeitung des Teils zu Führungsverantwortung im Curriculum mitgewirkt, das Onlinekurse, individuelle Mentoring-Elemente und einen Präsenzteil Ende des Jahres umfasst. Mir persönlich sind Führungskompetenzen nicht in die Wiege gelegt worden, aber ein erfahrener Pastor und verschiedene andere Menschen haben es mir gut beigebracht. Es ist wichtig, gute Führungskompetenzen und gute Führungsgrundsätze zu haben, die von der Theologie und der Heiligen Schrift getragen werden.
Was bedeutet es für Sie und Ihre Arbeit, Teil der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen zu sein?
Für die durchschnittlichen Mitglieder einer Ortsgemeinde sind die Dinge und Angelegenheiten ihrer jeweiligen Gemeinde wichtiger und es ist nicht immer leicht, sich mit der weltweiten Kirchengemeinschaft zu identifizieren. Ich erinnere mich aber noch gut, was für ein Schlüsselerlebnis es für mich persönlich war, als ich begann, an LWB-Programmen teilzunehmen, und mich plötzlich mit einer weltweiten Kirchengemeinschaft verbunden fühlte. Selbst wenn ich nur auf meine eigene südostasiatische Heimatregion schaue, habe ich es als sehr ermutigend erlebt, zu wissen, dass es Menschen gibt, die mit den gleichen Dingen ringen wie wir und die gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden.
Was macht Ihnen für die Zukunft der Kirche in Ihrem Heimatland Hoffnung?
Als ich 2017 begann, am Seminar zu lehren, hatten wir eine Regierung, die der christlichen Religion gegenüber sehr negativ eingestellt war. Ausländische Lehrkräfte hatten es sehr schwer, ein Visum zu bekommen, und mussten das Land alle drei Monate verlassen. Aber seit dem Regierungswechsel hat sich vieles deutlich verbessert. Unsere Gebete wurden erhört und wir können nun Arbeitsvisa für unsere ausländischen Mitarbeitenden beantragen und auch Visa für ausländische Studierende. Alles ist heute anders und wir hoffen sehr, dass das so bleibt.