„In meiner Kirche können Frauen gleichberechtigt arbeiten“

15 Nov. 2018
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Pfarrerin Karla Steilmann Franco: „Frauen haben in der Kirche schon viel erreicht, aber es gibt immer noch viel zu tun.“ Foto: LWB/Albin Hillert

Pfarrerin Karla Steilmann Franco: „Frauen haben in der Kirche schon viel erreicht, aber es gibt immer noch viel zu tun.“ Foto: LWB/Albin Hillert

Interview mit LWB-Ratsmitglied Pfarrerin Karla Steilmann Franco

Buenos Aires, Argentinien/Genf (LWI) – Pfarrerin Karla Steilmann Franco von der Evangelische Kirche am La Plata (Iglesia Evangélica del Río de la Plata, IERP) vertritt die junge Generation im Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB). Sie berichtet über die Situation in ihrer Kirche, über die Errungenschaften und Herausforderungen von Gendergerechtigkeit und über die Verortung von Jugendbeteiligung in der neuen LWB-Strategie.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen Ihre Kirche aktuell steht?

Die IERP ist in drei Ländern aktiv: Argentinien, Paraguay und Uruguay. Und in diesen drei Ländern sind die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten sehr unterschiedlich. In jedem der Länder setzen wir Projekte und diakonische Aktivitäten um. Viele unserer Gemeinden vor Ort wurden aus dem Wunsch heraus gegründet, den Menschen zu helfen und sie zu begleiten und Bewusstsein für die gesellschaftlichen Gegebenheiten zu schaffen.

Im Laufe der Zeit haben sich die Struktur und das Profil von einigen dieser diakonischen Aktivitäten natürlich verändert, nicht nur weil sich ja auch die Zeiten ändern – weder die Bedürfnisse noch die Herangehensweisen und Lösungsansätze bleiben auf Dauer gleich. Und vor diesem Hintergrund würde ich sagen, dass die größte Herausforderung, vor der wir aktuell stehen, die ist, wie wir unsere Projekte und diakonischen Aktivitäten auch in Zukunft aufrechterhalten können, wie wir sie umstrukturieren oder gar komplett neu denken müssten, und wie wir auf die Herausforderungen reagieren können und müssen, die sich immer wieder neu stellen. All das wird natürlich auch durch die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Instabilität in den drei Ländern erschwert. Diese Situation beunruhigt uns und macht es uns unmöglich, kalkulierbar zu planen und Konzepte zu entwickeln, und wir haben dadurch auch nicht ausreichend Zeit, um langfristige Strategien zu entwickeln.

Aus diesem Grund müssen wir für unsere Projekte und diakonischen Aktivitäten nicht nur Lösungsansätze finden, die es uns ermöglichen, den Menschen materielle und spirituelle Hilfe und Unterstützung anzubieten, sondern müssen in allen unseren Projekten und diakonischen Aktivitäten auch jeden Tag darauf vorbereitet sein, die Schwierigkeiten, die sich uns dann gerade stellen, anzugehen und zu überwinden. Das ist eine alltägliche und permanente Herausforderung.

Welche Rolle spielen der Staat und die Gemeinwesen bei der Umsetzung Ihrer Aktivitäten?

Die Projekte der IERP werden in keinem der drei Länder komplett vom Staat finanziert. Aber einzelne Aktivitäten werden in unterschiedlichem Umfang unterstützt, was es uns ermöglicht, bestimmte Aktivitäten zu vertiefen oder Schwerpunkte zu setzen und unsere Mitarbeitenden zu schulen.

Gleichzeitig möchte ich betonen, dass unsere Projekte und diakonischen Aktivitäten von Anfang an durch private Mittel und Zuwendungen von internationalen Organisationen und Schwesterkirchen in Europa finanziert wurden. Und das ist auch heute noch so. Vielleicht etwas weniger, aber wir bekommen immer noch Unterstützung von unseren Schwestern und Brüdern, um die Aktivitäten umzusetzen, die wir als notwendig und sehr wertvoll erachten.

Und ich möchte all die Menschen erwähnen, die uns haupt- und ehrenamtlich bei der Umsetzung unserer alltäglichen Aufgaben helfen. Sie sind für die Fortsetzung des diakonischen Engagements von zentraler Bedeutung.

Was denken Sie als junge Frau über das Thema Gendergerechtigkeit und die Teilhabe von Frauen in Ihrer Kirche?

Begeistert und stolz kann ich von mir sagen, dass ich seit Kurzem ordiniert wurde und jetzt die jüngste Pfarrerin in meiner Kirche bin. Und ich bin auch sehr stolz darauf, dass es in meiner Kirche schon seit über 30 Jahren ordinierte Frauen gibt. Natürlich war das am Anfang nicht nur einfach. Die Frauen mussten viele Hürden und Herausforderungen meistern, was es jüngeren Generationen dann ermöglicht hat, eigenverantwortlicher und autonomer zu arbeiten.

Frauen haben viel Raum gewonnen und viele Ziele erreicht. Aber dafür mussten die ersten Frauen, die davon geträumt haben, in unserer Kirche als Pfarrerinnen tätig zu sein, mit viel Engagement und Einsatzbereitschaft kämpfen. Allerdings gibt es auch heute noch viel, wofür wir kämpfen müssen, und viele noch nicht erreichte Ziele. Jeden Tag müssen wir um die gewonnen Räume kämpfen und unseren Platz und unsere Rechte verteidigen. Es stimmt schon, dass wir die gleichen Rechte und Pflichten haben wie unsere männlichen Kollegen, aber wir leben in einer überwiegend katholischen und weithin konservativen Gesellschaft, daher müssen wir immer wieder klarstellen, dass in der IERP – und in anderen Kirchen der protestantischen Tradition – auch Frauen Pfarrerinnen sind und ihren männlichen Pendant gleichgestellt.

Wir müssen beispielsweise oft erklären, dass die „Frau Pfarrerin“ eben nicht die Frau des Pfarrers ist, sondern dass sie eine Frau ist, die das Pfarramt eigenständig innehat und dass sie dies durch ihr eigenes Tun und ihre eigene Ausbildung erreicht hat. Ich selbst habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ich erklären musste, dass ich die Pfarrerin bin und dass mein Ehemann einen ganz anderen Beruf hat.

Darüber hinaus würde ich gerne hervorheben, dass die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Genderdiversität in der IERP nicht totgeschwiegen wurden. Das stimmt natürlich optimistisch, denn es wurden so bereichernde Räume innerhalb einer und derselben Kirchen geöffnet und wir können so nach und nach verschiedene Hürden oder Mauern überwinden.

Es gibt gewiss noch viel zu tun, viel zu erstreiten und viele Räume zu erkämpfen, sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Gesellschaft im weiteren Sinne, aber ich bin sehr dankbar dafür, dass ich sagen kann, dass ich in einer Kirche arbeite und einer Kirche angehöre, in der Dialog und Meinungsaustausch möglich sind, und in der wir als Frauen eigenverantwortlich und gleichberechtigt arbeiten können.

Während der LWB-Ratstagung wurde die neue LWB-Strategie verabschiedet. Welche Teile oder Aspekte der LWB-Strategie werden für Ihre Kirche am wichtigsten sein oder die größte Bedeutung haben?

Als Jugenddelegierte im Rat bin ich überzeugt, dass eine der größten Stärken unserer künftigen Arbeit die Fortsetzung der Unterstützung für die Jugendarbeit sein wird – sowohl auf lokaler Ebene wie auch im Globalen Netzwerk junger Reformatorinnen und Reformatoren. Die Strategie ruft die Kirchen auf, eine bedeutsame und sinnstiftende Teilhabe von jungen Menschen in Kirche und Gesellschaft sicherzustellen.

In diesem Sinne würde ich gerne hervorheben, welche Bedeutung der Inklusion und Teilhabe von jungen Menschen in den Jugendaktivitäten auf regionaler Ebene beigemessen wurde. Dies hat es vielen jungen Menschen im LWB ermöglicht, andere Kirchen in ihrer Region zu besuchen, an den Aktivitäten dieser Kirchen teilzuhaben und aus deren Erfahrungen zu lernen.

In der IERP durften wir Delegierte aus verschiedenen Kirchen in der Region in unserem Jugendcamp – dem „IERPino“ – begrüßen. Das war eine ganz besondere Erfahrung, weil wir uns so gegenseitig einmal persönlich kennenlernen und gemeinsam lernen konnten, während wir gleichzeitig unsere Vielfalt respektieren und schätzen lernten. Das wichtigste ist, dass wir unsere Netzwerke von jungen Menschen lebendig halten und sie aktiv bleiben.

Junge Menschen innerhalb der Kirche sind ungeheuer wichtig, ganz unabhängig von der Größe der Kirche. Denn in den Kirchen entstehen Gemeinschaften und Verbindungen und Beziehungen, die es uns ermöglichen, unsere Mission als Kirche in der Welt zu erfüllen, daran habe ich keine Zweifel. Wir sollten unsere Kirchen weiter „reformieren“, denn die jungen Menschen sind nicht nur die Zukunft der Kirche, sondern auch die Gegenwart.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.

 

LWF/OCS