LWB-Generalsekretär Martin Junge skizziert die nächsten Schritte im lutherisch-katholischen Dialog
SALAMANCA, Spanien/GENF (LWI) – Die Ergebnisse, die der internationale lutherisch-katholische Dialog in den vergangenen 50 Jahren zeitigte, bieten eine Chance, vorherrschende Positionen aus der Perspektive der Einheit zu überdenken, anstatt weiterhin die Unterschiede zu betonen.
Diese Erkenntnis formulierte der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, in seiner Vorlesung unter dem Titel „Neuorientierung – Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ im Rahmen der Ökumenetagung, die die Päpstliche Universität Salamanca (Spanien) vom 8. bis 10. Juni ausrichtete.
Den Abschluss der Tagung bildete ein gemeinsamer Gottesdienst, dem der LWB-Generalsekretär zusammen mit Bischof Dr. Brian Farrell, dem Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, vorstand. Die Liturgie stützte sich auf den Ökumenischen Gottesdienst, der im Rahmen des katholisch-lutherischen Prozesses unter dem Titel „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ entwickelt wurde. Es predigten unter anderem Ricardo Kardinal Blázquez, der Präsident der katholischen spanischen Bischofskonferenz, sowie Pfarrer Pedro Zamora von der Spanischen Evangelischen Kirche. Die Liturgie war aus Anlass des 500. Reformationsgedenkens in Lund und Malmö (Schweden) im Oktober 2016 gemeinsam entwickelt worden.
Im Rahmen seiner Vorlesung stellte Junge fest, die lutherisch-katholischen Beziehungen befänden sich aktuell in einer „Phase des Übergangs“, und legte dar, in welchen Bereichen in den nächsten Jahren weiter an ihnen zu arbeiten sei. Das Gemeinsame katholisch-lutherische Reformationsgedenken in Lund und Malmö, sei in diesem Zusammenhang einer der wichtigsten Meilensteine.
Die Gedenkfeier in Lund habe auf lutherischer wie katholischer Seite ein lebhaftes Interesse an gemeinsamen Liturgien geweckt. „Ein solcher Eifer bei der Förderung der Rezeption dieses internationalen Dialogs ist sehr ermutigend“, stellte Junge fest. „Die gemeinsamen Liturgien schaffen ein neues Element im kollektiven lutherischen und katholischen Bewusstsein und helfen dem Volk Gottes so, sich neuer Realitäten, neuer Sichtweisen aufeinander bewusst zu werden.“ Junge schloss seine Vorlesung mit der Feststellung, es gebe für die anstehenden Prozesse keine etablierten Pfade, „das bedeutet auch, dass es notwendig sein wird, die Wege hinter uns zu lassen, die wir bisher gegangen sind und an die wir uns gewöhnt haben.“
Das Lund-Prinzip: Nicht getrennt tun, was gemeinsam getan werden kann
Junge erklärte, das wechselseitige Bekenntnis zueinander, das der LWB und die katholische Kirche im Rahmen des gemeinsamen Reformationsgedenkens abgelegt haben, verweise auf und realisiere das „Lund-Prinzip“, wonach nicht getrennt getan werden solle, was man gemeinsam tun könne. Die von Caritas Internationalis und dem LWB anlässlich des Reformationsgedenkens in Malmö unterzeichnete Absichtserklärung verweise ihrerseits auf die erneuerte Selbstverpflichtung, „im diakonischen Bereich ein leidenschaftlicheres Zeugnis vom Glauben an den dreieinigen Gott“ abzulegen. Sich gemeinsam bewusst ökumenisch zu engagieren, impliziere laut Junge außerdem eine verstärkte Beteiligung der beiden christlichen Traditionen an der Mission Gottes durch die Stärkung der öffentlichen Präsenz der Kirche und durch einen „direkten Beitrag zur Schaffung von Frieden“ in einer zersplitterten Welt.
Kirche, Amt und Abendmahl als zentrale theologische Themen
Kirche, Amt und Abendmahl seien, so Junge, die drei zentralen theologischen Themen, die in den kommenden Jahren eine vertiefte „Auseinandersetzung, Klärung und Dialog“ erforderten. Die von Papst Franziskus und dem damaligen LWB-Präsidenten Bischof Dr. Munib A. Younan während der Gedenkfeier in Lund unterzeichnete Gemeinsame Erklärung fordere dazu auf, seelsorgliche Formen des Umgangs für die Teilnahme an der Eucharistiefeier von konfessionsverschiedenen Paaren zu finden.
Junge betonte, er sei überzeugt, dass es eine Verflechtung der theologisch-dogmatischen Diskussion mit den in vielen Kontexten und Gemeinden bestehenden Realitäten der Seelsorge ermöglichen werde, „die theologischen Fragen neu zu formulieren, die diesem Klärungsprozess den Weg weisen.“ Die kontextuelle Realität werde die Notwendigkeit vorgeben, dieser Herausforderung zu begegnen, und „innovative, theologisch fundierte sowie angemessene Herangehensweisen“ an Situationen inspirieren, die einen seelsorglichen Umgang erfordern.
Weiter unterstrich Junge, für das Volk Gottes manifestiere sich die Einheit der Kirche in ihrer direktesten, greifbarsten Form in der Möglichkeit, „den Ruf des Herrn an seinen Tisch anzunehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint das gemeinsame Abendmahl nicht als Endpunkt, als letzte Konsequenz in Prozessen der Einheit, sondern als Ansporn, sie zu erreichen und von Gott schenken zu lassen.“
Als bereits unternommene ermutigende Schritte für die Einheit nannte Junge die von der katholisch-lutherischen Dialogkommission in den Vereinigten Staaten vorgelegte „Declaration on the Way“, die Arbeit des Catholica-Ausschusses der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sowie die schwedisch-finnische Studie zu den praktischen Auswirkungen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999).
Ökumenische Verantwortung bei anstehenden Jubiläen
Das Jahr 2017 bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Jubiläen der lutherischen Kirchen. Diese erforderten eine deutliche „ökumenische Verantwortung“, betonte Junge. Zu nennen sei das 2021 anstehende 500. Jubiläum des Reichstags zu Worms und der Verabschiedung des Wormser Edikts, mit dem die Reichsacht über Martin Luther verhängt wurde. Dieses Jubiläum könne zwar einen Stolperstein für die positiven Ergebnisse des seit 50 Jahren geführten Dialogs bedeuten, der LWB habe aber dem Einheitsrat vorgeschlagen, mit diesem und weiteren Ereignissen ebenfalls in „einem ökumenischen Geist und im Einklang mit den bisher unternommenen Schritten“ umzugehen.
Eine positive Perspektive zeigte Junge hinsichtlich des 500. Jubiläums des Augsburger Bekenntnisses auf, das 2030 ansteht. Das Gedenken an diese zentrale Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen biete weitere Chancen zur „Vertiefung des katholisch-lutherischen ökumenischen Prozesses“.
Der LWB-Generalsekretär rief das Publikum in seiner Vorlesung auf, standhaft und mutig die jeweiligen ökumenischen Prozesse weiterzuführen, und betonte, für den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft oder auch zur Einheit gebe es keine festgelegten Fristen. Er legte den Zuhörenden Zuversicht und Hoffnung ans Herz und erinnerte daran, dass auch das, was in unseren Terminkalender noch nicht stehe, in Gottes Kalender bereits verzeichnet sei: „Das Gemeinsame Reformationsgedenken 2016 liefert den jüngsten Beleg für diese Tatsache.“