Niemand darf vergessen werden

10 Dez. 2015
Image
-

-

COP 21 muss Klimarisiken der Ärmsten und am stärksten Gefährdeten eindämmen

Paris (Frankreich)/Genf, 9. Dezember 2015 (LWI) – Klimabedingte Schäden und Verluste sind einer der Problembereiche, auf die Organisationen aus dem religiösen Bereich bei der COP 21 vorrangig aufmerksam machen wollen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion und einer öffentlichen Aktion wurden Anfang Dezember anlässlich der Klimakonferenz in Paris vielfältige Facetten der Problematik herausgearbeitet.

Am 3. Dezember thematisierte Brot für die Welt im deutschen Pavillon der Klimakonferenz die Problematik der ökologischen Schäden und Verluste.

Pfarrerin Dr. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt, stellte im Rahmen einer Podiumsdiskussion zunächst eine Studie vor, die die Entwicklungsorganisation gemeinsam mit ACT Alliance und Germanwatch vorgelegt hat und aus der ein Positionspapier hervorgegangen ist.

Die Studie stützt sich auf Daten, die von Unterorganisationen der Vereinten Nationen und von der Versicherungsindustrie sowie durch wissenschaftliche Forschung erhoben wurden. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine rasche Zunahme von wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Verlusten zu verzeichnen ist, die im Zusammenhang mit Wetterextremen, Dürreperioden, Überschwemmungen, dem ansteigenden Meeresspiegel und anderen sich langsam vollziehenden Veränderungen stehen.

Aufgrund höherer Risiken und einer gleichzeitigen geringeren Resilienz (Widerstandsfähigkeit) wirken sich solche Klimaereignisse in den ärmeren Ländern stärker aus.

„Neben schwerwiegenden wirtschaftlichen Schäden vor allem in der Landwirtschaft, Wasserversorgung, Fischerei und Küsteninfrastruktur stellt die Studie auch die klimabedingte Flucht und Migration sowie den Verlust von Staatsgebiet und kulturellem Erbe aufgrund des steigenden Meeresspiegels dar“, erläuterte Füllkrug-Weitzel.

„Allein im Jahr 2013 mussten 22 Millionen Menschen aufgrund von Umweltrisiken ihre Heimat verlassen – das sind dreimal so viele wie diejenigen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen mussten“, ergänzte sie unter Verweis auf einen 2014 vom Norwegischen Flüchtlingsrat vorgelegten Bericht.

Podiumsteilnehmer Pa Ousman Jarju, gambischer Minister für Umwelt, Klimawandel, Forstwesen, Wasser sowie die Tier- und Pflanzenwelt, betonte, Anpassung allein reiche nicht aus.

„Wie soll man sich anpassen, wenn die Hälfte der eigenen Volkswirtschaft von klimabedingten Schäden betroffen ist?“

Die ökumenischen Delegierten in Paris fordern, dass das Thema Schäden und Verluste in das Abkommen aufgenommen werden muss, damit eine solide politische Grundlage geschaffen wird für die Prävention, Verminderung und den Transfer von Klimarisiken in der Zukunft. Ein Vorbild für solche Überlegungen gibt es seit der COP 19, bei der 2013 der „Warschauer Internationale Mechanismus“ für den Umgang mit Verlusten und Schäden durch den Klimawandel vorgeschlagen wurde.

„Für uns als evangelische Organisation liegt der Schwerpunkt eindeutig bei den Ärmsten und am stärksten Gefährdeten weltweit. Sie sind wachsenden Klimarisiken ausgesetzt, die ihr Leben und ihre Existenzgrundlagen bedrohen“, führte Füllkrug-Weitzel aus.

„Wir alle müssen aktiv werden, damit Prävention und ein besseres Klimarisikomanagement gelingen können“, so die Direktorin von Brot für die Welt.

Am 4. Dezember setzten AktivistInnen von „Act Now for Climate Justice“/„Jetzt handeln für Klimagerechtigkeit“ mitten am Konferenzort bewegend die zahllosen Todesopfer, zerstörten Chancen und nicht wiedergutzumachenden Schäden ins Bild, die in den am schwersten vom Klimawandel betroffenen Ländern zu verzeichnen sind.

„Jetzt handeln für Klimagerechtigkeit“ ist eine Initiative von ACT Alliance, einem Bündnis von 137 Organisationen aus dem religiösen Bereich, einschliesslich zahlreicher Kirchen, das sich in über 100 Ländern für positive, nachhaltige Veränderungen im Leben der Armen und Ausgegrenzten engagiert.

Mariana Paoli, bei Christian Aid Beraterin für internationale Advocacy-Arbeit, betrachtet die Aktion als strategisch wichtig, da sie den Druck auf die Verhandelnden in Paris erhöht habe, was die Berücksichtigung der Problematik der klimabedingten Schäden und Verluste und die Verankerung des Warschauer Mechanismus in der zu erreichenden Vereinbarung angehe.

Die AktivistInnen erregten mit ihren grossformatigen Bildern von Klimafolgen im Namen von Millionen Betroffenen erhebliche Aufmerksamkeit bei den Teilnehmenden der COP 21. Der Klimawandel zwinge die Menschen zur Flucht oder koste sie ihr Leben, so Paoli.

Klimawandel - in Indien alltägliche Realität

In der indischen Heimat von Pranita Biswasi, einer Delegierten des Lutherischen Weltbundes bei der COP 21, sind die vom Klimawandel verursachten Schäden alltägliche Realität.

„Wir alle wissen, dass kein Leben möglich ist ohne Wasser. Was aber ist mit den tausenden Menschen, die heute im Süden Indiens aufgrund der schweren Überschwemmungen ertrinken? Wer wird Entschädigung leisten für die Schäden und Verluste, die sie aktuell treffen?“

Biswasi ergänzt: „Wenn sie keine Entschädigung leisten wollen, sind die politisch Verantwortlichen dann bereit, ihre luxuriösen Häuser zu öffnen und den Gefährdeten Schutz und Nahrung zu geben, die es auf keinen Fall verdient haben, von diesen Katastrophen heimgesucht zu werden?“

Die UN-Klimaverhandlungen in Paris dauern noch bis zum 11. Dezember. Die zweite Woche der diesjährigen Klimakonferenz gilt als entscheidende Phase des 20-jährigen Prozesses, aus dem ein tragfähiges Klimaabkommen hervorgehen soll.

 

Zum Nachlesen: „Klimabedingte Schäden und Verluste“, Positionspapier von Brot für die Welt

 

LWF/OCS