Möglichkeiten zukünftiger theologischer, spiritueller und praktischer Zusammenarbeit sondiert
ROM, Italien/GENF (LWI) – Führungspersonen des Lutherischen Weltbundes (LWB) haben ihren zweitägigen Besuch in Rom beendet und fühlen sich ermutigt durch die Mahnung von Papst Franziskus, den gemeinsamen Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft „mit Passion“ weiterzugehen. Diese Passion, sagte der Assistierende LWB-Generalsekretär Dirk Lange, würde sowohl „durch unsere Solidarität mit allen Leidenden als auch durch ein neuerliches Bekenntnis zur Vertiefung des Dialogs über Lehrfragen“ praktisch gelebt und zum Ausdruck gebracht.
Einer der Höhepunkte des Besuchs der LWB-Delegation in Rom, die aus Vertreterinnen und Vertreter der sieben LWB-Regionen bestand, war die Papstaudienz am 25. Juni. Am Vormittag desselben Tages hatten die Direktorin des LWB-Weltdienstes und der Generalsekretär von Caritas Internationalis eine Erklärung vorgelegt, in der sie eine gemeinsame Vision darlegen und die die theologische und spirituelle Grundlage für ihr humanitäres Engagement hervorhebt und einen gemeinsamen Weg der verstärkten Zusammenarbeit mit Ortsgemeinden vorschlägt.
Die Delegation hatte sich weiterhin mit Kurt Kardinal Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, getroffen, um die nächsten Schritte im lutherisch-katholischen theologischen Dialog zu erörtern. Beide Seiten betonten hierbei, wie wichtig es sei, das Evangelium auf eine Art und Weise auszulegen, dass es weiterhin für alle Altersstufen relevant bleibe, und unterstrichen die Notwendigkeit einer ständigen Fortbildung und einer Kontextualisierung sowohl für ordinierte als auch für nicht-ordinierte Menschen. Dirk Lange verwies auf die Fortschritte, die im Prozess rund um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) deutlich würden, der fünf weltweite christliche Gemeinschaften zur gemeinsamen Verkündigung des Evangeliums und zum gemeinsamen Dienst zusammenbringe. „Die GER entfaltet weiterhin ihr ökumenisches Potenzial“, sagte er, „und wird damit zu einem ermutigenden Zeichen für das, was Gott unter uns bereits bewirkt hat und weiterhin bewirkt.“
Vorlesung zu „Synodalität aus lutherischer Perspektive“
Im Rahmen einer öffentlichen Vorlesung an der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) setzte sich LWB-Generalsekretär Martin Junge mit den Konzepten der Synodalität und der Einheit von Christinnen und Christen aus lutherischer Perspektive auseinander. Synodalität, sagte er, stünde im Zentrum der Vision von Papst Franziskus von „einer Kirche im Aufbruch“. Junge weiter: „Das ist eine Frage, die ein jeder und eine jede von uns sich stellen muss, nicht nur in unserem persönlichen spirituellen Leben, sondern auch im Leben unserer kirchlichen Institutionen und der Art und Weise, wie wir Autorität und Macht definieren und nutzen.“
Das Konzept der Synodalität umfasse „sowohl den Bereich der Steuerung und Leitung als auch den Bereich des Spirituellen“, sagte Junge und richtete einen Blick auf die Art und Weise, wie in den frühchristlichen Gemeinschaften Entscheidungen getroffen wurden. Er erklärte, Martin Luther habe seinerzeit mit denselben Fragen gerungen und in aller Ausführlichkeit über die ersten Konzile und die Versuche geschrieben, gleichzeitig „den alten Glauben zu bekennen und zu bewahren“ und darauf zu achten, was der Heilige Geist im Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften in der Gegenwart bewirken will.
Mit Blick auf die Verbindungen zwischen Luthers Beharren auf dem Priestertum aller Gläubigen und dem katholischen Verständnis des sensus fidei (dem Glaubensinstinkt einer jeden getauften Person) betonte Junge, dass „jeder Christ und jede Christin aufgerufen [ist], die Gabe des Heiligen Geistes in den Anderen zu erkennen, was zu Einheit im Glauben und einem Wachstum in Gemeinschaft führt“. Alle Christinnen und Christen seien zugerüstet, unterstrich er, „diesen Weg gemeinsam zu gehen, in eine immer innigere Gemeinschaft, und damit Gottes Akt der Versöhnung praktisch zu leben und Zeugnis dafür abzulegen“.
In einer „zersplitterten, ausgrenzenden, einander feindlich gesinnten, isolationistischen“ Gesellschaft, sagte Junge, sind die Kirchen von Gott aufgerufen, sich auf einen „synodalen Weg“ zu begeben und „angesichts von politischen und gesellschaftlichen Spannungen“ Vorbild zu sein für „Dialog und Hoffnung“. Dies würde aber, so sagte er weiter, „ein Bewusstsein für die eigene Vulnerabilität“ und die Notwendigkeit, „sich wirklich auf die Gastlichkeit der anderen zu verlassen“, voraussetzen.
Junge begrüßte die Vertiefung der Zusammenarbeit vom LWB-Weltdienst und dem weltweiten katholischen Caritas-Netzwerk und erklärte, dass „wir als Einzelpersonen, aber auch als Kirchen durch unser Engagement für die Armen und Marginalisierten und Leidenden in der Welt, wenn wir ihnen zuhören und von ihnen lernen, in der Begegnung mit ihnen verwandelt werden“. Abschließend sagte er: „Wenn wir noch achtsamer auf unseren Glaubensinstinkt, das Priestertum aller Gläubigen hören, und die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung unter allen Menschen, wird unser Dialog über Lehrfragen verwandelt werden.“
Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller