Beziehungen und Sprache gestalten und bewahren

24 Apr. 2020
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Diakonin Sue Rothmeyer, Geschäftsführerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika. Foto: ELKA

Diakonin Sue Rothmeyer, Geschäftsführerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika. Foto: ELKA

Interview mit Sue Rothmeyer, Geschäftsführerin der ELKA

CHICAGO, USA/GENF (LWI) – Diakonin Sue Rothmeyer, Geschäftsführerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA), erzählt, dass die meisten Menschen mit diesem Job in erster Linie nur an Regeln, Ausführungsbestimmungen und allerlei Dokumente denken würden. Sie wolle nicht leugnen, dass das einen großen Teil ihrer Arbeit ausmache, so Rothmeyer, aber es gehe auch um Beziehungen.

Und Beziehungen gingen „über die Regeln in einem Dokument hinaus, sie setzen das in einem Dokument Festgeschriebene auf sinnvolle und zweckdienliche Weise zum Wohl der Kirche insgesamt ganz praktisch um“.

Rothmeyer, Diakonin und ehemalige Studierendenseelsorgerin an der Iowa State University, berichtet auch, wie ihre beiden früheren Tätigkeiten ihr aktuelles Engagement und Wirken als erste Frau im Amt der Geschäftsführerin der ELKA prägen.   

Was sind die Aufgaben der Geschäftsführung der ELKA?   

Wir sind die Protokollführer, wir sind die Historikerinnen, wir sind die Meister der Worte – die Verwalter des Wortes. Wir sorgen für die Protokollführung bei Tagungen und Versammlungen der Kirche, ganz egal ob groß oder klein. Wir sind für die Archive der Kirche zuständig – wir verwalten das in der Vergangenheit Gesagte.   

Es geht immer um Sprache und Beziehungen. Für die Geschäftsführung sind die Grundprinzipien der Vertretung aller Bevölkerungsgruppen von zentraler Bedeutung. Ich arbeite mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen rassischen und ethnischen Bevölkerungsgruppen zusammen, wenn es darum geht, wie diese Gruppen durch eine Veränderung der Sprache besser dargestellt werden können. Wir überlegen und versuchen zu beachten, wie sich Sprache verändert und anpasst und wie die Dokumente dieser Kirche unseren Wunsch nach Diversität und Inklusion widerspiegeln.  

Sie sind die erste Diakonin in diesem Amt. Wo ist der Anknüpfungspunkt zwischen diesen beiden Ämtern, dem Amt einer Diakonin und dem Amt der Geschäftsführerin?  

In der ELKA gilt, dass das Amt des Diakons oder der Diakonin eine Berufung zu Verkündigung und Dienst ist – das ist mir sehr wichtig. Natürlich steht das Wort Gottes in unserem Verständnis für alle Pfarrerinnen und Pfarrer, alle Diakoninnen und Diakone und alle Laiinnen und Laien im Zentrum. Aber für mich verleiht gerade meine aktuelle Tätigkeit meiner Berufung und meinem Wirken tieferen Sinn. Meine Vorgänger haben das Amt des Geschäftsführers oftmals als „Servicestelle für die ganze Kirche“ beschrieben.

Die ELKA ist eine Kirche, die drei Ausdrucksformen hat – die Ortsgemeinden, die Synoden und die gesamtkirchlichen Strukturen. Das Amt der Geschäftsführerin ist sozusagen das verbindende Element, das sicherstellt, dass diese drei Ausdrucksformen gut zusammen funktionieren. Es ist ein Dienst für die Kirche als Ganzes.   

Sie tun das aber nicht allein. Wer arbeitet noch in Ihrem Stab mit?  

Nein, das tue ich nicht allein, das stimmt. Im Büro der Geschäftsführung gibt es 15 Mitarbeitende. Zum Führungsteam dort zählen die Leitenden der drei Mitarbeiterteams: Rechtliches, Tagungen und Verwaltung. Bevor ich selbst Geschäftsführerin wurde, war ich als Referentin des Geschäftsführers tätig.  

Arbeitet Ihr Büro in der aktuellen Coronavirus-Pandemie anders als sonst?   

Wie die meisten Menschen arbeiten wir von zu Hause und nutzen verschiedene Online-Tools. Ganz zu Beginn haben wir vereinbart, wie Besprechungen jetzt abgehalten werden können.   

Die Bischöfinnen und Bischöfe und auch die Kirchengemeinden hatten viele Fragen: Wie können wir jetzt überhaupt Versammlungen und Sitzungen abhalten? Wie können Ortsgemeinden Versammlungen veranstalten, um einen neuen Pastor oder eine neue Pastorin zu berufen? Anfangs waren die Besprechungen in erster Linie dazu da, Lösungen zu finden und Ideen zu sammeln, und um uns gegenseitig über verschiedene Online-Plattformen und bewährte Praktiken zu berichten und Materialien auszutauschen. Das Büro der Geschäftsführung wird oftmals als Veranstalter von Besprechungen und Sitzungen gesehen. Während dieser ersten Online-Besprechungen haben wir jedoch vor allem zugehört. Sie waren eine Plattform und Gelegenheit für den Austausch von Informationen.    

Auf einer ganz anderen Ebene ist mein Team damit beschäftigt gewesen, Flugstornierungen zu bearbeiten, in Rechtsfragen zu beraten und den Gemeinden, die Interesse an den Konjunkturpaketen der US-Regierung hatten, Steuerformulare für gemeinnützige Einrichtungen auszustellen.   

Insgesamt haben die Pandemie und die von den Regierungen verhängten Beschränkungen sehr viel verändert; wir achten jetzt noch mehr darauf, wie wir die Kirche als Ganzes noch besser unterstützen können.   

Ihr beruflicher Werdegang startete in der Studierendenseelsorge. Inwiefern hilft Ihnen das bei Ihrer jetzigen Tätigkeit?   

Die Tätigkeit als Hochschulseelsorgerin für junge Erwachsene mit Studiengängen wie Ingenieurswesen oder Tiermedizin, oder die – wie ich selbst – Rhetorik studierten, hat meinen Horizont sehr erweitert und mir sehr geholfen, zu verstehen, wie wir alle unsere Berufung auf ganz unterschiedliche Weise praktisch umsetzen. Die Studierenden waren Musterbeispiele dafür, wie wir als Kinder Gottes unsere Berufung in der Welt praktisch leben.

Mir war die Meinung von jungen Menschen immer sehr wichtig, und in meinem aktuellen Amt kann ich sehr gut sicherstellen, dass die Stimmen dieser Menschen auf neue und andere Art und Weise gehört werden. Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, erfüllt mich ein Gefühl von Dankbarkeit, dass die Kirche mir als junge Erwachsene Rollen und Verantwortung zugetraut und übertragen hat.

Während meiner Arbeit mit jungen Erwachsenen, und während ich als Hochschulseelsorgerin tätig war, habe ich auch mit dem Büro des damaligen Geschäftsführers zusammengearbeitet, um den Grundsatz einzuführen, dass mindestens 10 Prozent der Stellen in der Führungsebene der ELKA mit jungen Erwachsenen besetzt werden müssen.  

Warum ist es für die ELKA wichtig, Mitglied im Lutherischen Weltbund (LWB) zu sein?   

2016 hat unsere Kirche einige wichtige Änderungen beschlossen, wie wir unsere Verbindung mit der weltweiten Kirche ausdrücken. Wenn wir über die ELKA als Kirche gesprochen haben, haben wir oft von ihren drei Ausdrucksformen gesprochen. Aber diese beziehen sich nur auf die kirchlichen Strukturen hier, bei uns vor Ort. 

In Kapitel 3 unserer Verfassung „The Nature of the Church“ (Das Wesen der Kirche), heißt ganz klar: „Beflügelt und geleitet vom Heiligen Geist, partizipiert die Kirche im Lutherischen Weltbund als weltweite Gemeinschaft von Kirchen, legt treues Zeugnis ab für das Evangelium von Jesus Christus und engagiert sich im Dienst für die Mission Gottes in der Welt“. Dort wird also bekräftigt, dass unsere Teilhabe am LWB eine Art und eine Möglichkeit ist, wie unsere Kirche ihre Verpflichtung umsetzt, Teil der weltweiten Kirche zu sein. 

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.

 

LWF/OCS