CSW67: Einsatz für einen sicheren und inklusiven Cyberspace

13 März 2023

Mobiltelefone machen einen vereinfachten Zugang zur Welt möglich. Allerdings hat die digitale Revolution dafür gesorgt, dass viele Frauen und Mädchen den Anschluss verloren haben. Andere haben Erfahrungen mit völlig neuen Gefahren machen müssen. Am 9. März hat eine Veranstaltung bei den Vereinten Nationen in New York exemplarisch gezeigt, wie aus dem Glauben handelnde Akteure mit Regierungen und internationalen Organisationen zusammenarbeiten können, um die digitale Welt zu einem sichereren Ort zu machen.

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CSW67 ‘A phone of my own’

Der LWB und ökumenische Partner veranstalteten eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "A phone of my own", bei der Möglichkeiten erörtert werden, wie die Kirchen sich für den Schutz und die Stärkung von Frauen und Mädchen im Internet einsetzen können. Foto: LWB/P. Hitchen

Veranstaltung „Mein eigenes Telefon“: Mehr Handlungsmacht für Frauen durch digitale Innovationen

(LWI) – Cyber-Mobbing, Sexting, Stalking und Grooming. Digitale Technologien und besonders Mobiltelefone haben die Art und Weise revolutioniert, wie sich die meisten von uns verhalten und miteinander interagieren. Allerdings sind damit auch neue Herausforderungen für diejenigen entstanden, die sich für mehr Handlungsvollmacht von Frauen einsetzen und die ein Ende aller Formen sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt fordern. 

Eine Veranstaltung bei den Vereinten Nationen in New York am 9. März hat exemplarisch gezeigt, wie aus dem Glauben handelnde Organisationen gemeinsam mit Regierungen und internationalen Organisationen zusammenarbeiten können, um Internet-Kriminalität zu bekämpfen und die digitale Welt zu einem sicheren und inklusiveren Ort für alle Frauen und Mädchen zu machen. 

Die Veranstaltung mit dem Titel „Mein eigenes Telefon: sexuelle und wirtschaftliche Handlungsmacht in Zeiten der Krise“ wurde vom ACT Alliance und dem Lutherischen Weltbund (LWB) gemeinsam mit anderen christlichen Gruppen ausgerichtet, die im Bereich der technologischen Innovation arbeiten.  An der Finanzierung des Events waren außerdem die Regierungen von Finnland und Liberia über den UN-Bevölkerungsfonds im Rahmen der laufenden 67. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen (CSW67) beteiligt.

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Laura Chacón Gonzales

Laura Chacón Gonzales, Koordinatorin für Kommunikation und Advocacy des LWB in Kolumbien. Foto: LWB/P. Hitchen

Zu den Podiumsgästen gehörte Laura Chacón Gonzales, zuständig für die Koordination der  Kommunikations- und Advocacy-Arbeit für den LWB in Kolumbien und ebenfalls Mitglied der Gender-Referenzgruppe der ACT Alliance. Digitale Gewalt, so Chacón, „ist kein für sich isoliert stehendes Phänomen, sondern immer in einen sozialen Kontext von geschlechtsspezifischer Diskriminierung und systemischer Gewalt eingebettet.“ Im Kontext der Konflikte in Kolumbien würden diejenigen, die sich für Frauen- und Menschenrechte einsetzen, regelmäßig im Internet von Menschen angegriffen, die sie zum Schweigen bringen wollen und diejenigen einschüchtern, die die Opfer schützen wollen.

In den vergangenen Jahren, so berichtete sie weiter, habe der zunehmende politische und religiöse Fundamentalismus bei hart erkämpften Frauenrechten wieder zu Rückschritten geführt. Das wurde besonders deutlich anhand der Social-Media-Kampagne gegen den Volksentscheid über einen Friedensvertrag in Kolumbien, der von Kritikerinnen und Kritikern verurteilt wurde, „weil er sich gegen das Leben richtet und für eine Förderung der Genderideologie stark macht.“ Sie benannte Beispiele „gewalttätiger Angriffe in den sozialen Medien“ gegenüber denjenigen, die sich für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in Mexiko und in Argentinien oder gegen die Verfolgung fortschrittlicher religiöser Führungspersönlichkeiten in Brasilien einsetzen, die Opfer von Cyber-Mobbing geworden sind. 

„Gemeinsam retten wir Leben“

Chacón berichtete über die Arbeit des LWB mit fünf Frauenorganisationen im Departement Chocó an der kolumbianischen Pazifikküste. Diese lokalen Gruppen hätten auf einige der am meisten gefährdeten afro-karibischen und indigenen Frauen aufmerksam gemacht. Ihnen wurden Mobiltelefone mit Daten-Tarifen ausgehändigt, die das Risiko von Frauenmorden und Gewalt verringern sollen. Die Initiative mit dem Titel „Gemeinsam retten wir Leben“ stellt lokalen Gruppen ebenfalls Computer und Schulungen zur Verfügung, damit sie Missbrauchsfälle dokumentieren und anzeigen können, sowie Ressourcen, damit Überlebende einen sicheren Raum für sich finden.  

Deepti Bharthur, die bei IT for India als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist, wies nachdrücklich darauf hin, wie wichtig „ein funktionierender Zugang zu einem Mobiltelefon“ sei, damit Frauen und Mädchen immer Werkzeuge und das Wissen haben, um sicher im Internet zu navigieren. Im ländlich geprägten Südostindien arbeitet ihre Organisation mit jungen Mädchen zusammen, denen Wissen vermittelt wird und die Führungsqualitäten entwickeln, damit sie traditionelle Geschlechternormen in Frage stellen können. 

Bharthur berichtete über das Beispiel mehrerer Mädchen, die in ihrem Dorf Fotos von defekten Straßenbeleuchtungen gemacht haben und mit diesen Bildern von der Kommunalbehörde einen besseren Schutz verlangten. In städtischen Gebieten arbeitet IT for Change in Schulen und zeigt Mädchen Wege auf, wie sie einen traditionell sexistischen oder diskriminierenden Sprachgebrauch dekonstruieren können. Die Mädchen produzieren außerdem ihre eigenen Radioprogramme und stellen damit sichere Räume zur Verfügung, in denen sie über ihre Probleme berichten, Lösungen vorstellen und etwas über Anlaufstellen für die Überlebenden von Vergewaltigung und Gewalt erfahren.

Bekämpfung einer patriarchalen Kultur in den Kirchen und in der Gesellschaft.

Busani Lunga, ein junger Aktivist für Gendergerechtigkeit auf dem Forum der ACT Alliance in Simbabwe, sprach über die verfestigte patriarchale Kultur in seinem Land. Simbabwe, so erzählte er, sei ein vorwiegend christliches Land. Deshalb sei es wichtig, geschlechtsspezifische Gewalt nicht nur in den Kirchen, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt anzusprechen. Eine hohe Arbeitslosigkeit und die gängige Praxis der „Kinderehen“, besonders in ländlichen Regionen, stellen diejenigen, die Frauen und Mädchen mehr Autarkie und Handlungsmacht vermitteln wollen, vor zusätzliche, sich überlagernde Herausforderungen.

Maryam Torosyan, die eine App für Mobiltelefone mit der Bezeichnung „Safe You Armenia“ entwickelt hat, berichtete darüber, wie diese Anwendung für Nutzerinnen und Nutzer in den Nachbarländern Georgien und Irak entwickelt wurde. Die App steht in neun Sprachen zur Verfügung und richtet sich in erster Linie an Minderheiten in diesen Ländern. Sie kann ebenfalls auf Menschen angepasst werden, deren Sprach- und Sehvermögen beeinträchtigt ist. 

Die Plattform bietet Zugang zur Notfallhilfe für Frauen, die schnell zum Opfer von Gewalt werden können, und erfordert die Eingabe eines Sicherheitscodes mit zweistufiger Authentifizierung, so dass fremde Personen die App nicht einfach öffnen können. Die Plattform bietet ebenfalls einen sicheren Raum für Peer-Diskussionen sowie den Zugang zu Kontaktpersonen für Notfälle und  gegebenenfalls auch zur Polizei.

An der Diskussion beteiligten sich Liberias Ministerin für Gender, Kinder und Sozialschutz, Williametta Saydee-Tarr, die weitere Regierungen und Partner dazu ermutigte, in Bildung und Selbstbestimmung von Frauen zu investieren. Sie wies darauf hin, dass ihre Regierung eine Helpline eingerichtet hat, die 24 Stunden am Tag Anrufe entgegennimmt und Unterstützung für die Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt und in sonstigen Notsituationen bietet. Sie erinnerte ebenfalls daran, dass nur 47 Prozent der Frauen in ihrem Land ein Mobiltelefon besitzen.

Ib Petersen,  stellvertretender Exekutivdirektor des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, berichtete über die Arbeit seiner Agentur für Frauen in abgelegenen Gebieten in Brasilien, Myanmar und den Philippinen während der COVID-19-Pandemie, die zu einem Anstieg der Gewalt an Frauen besonders in Minderheitsgemeinschaften geführt hat. Er rief die Regierungen und die Technologieunternehmen auf, „gesetzliche und politische Rahmen aufzustellen, damit Mädchen und Frauen Zugriff auf digitale Dienste und Informationen haben, ohne um ihre Gesundheit fürchten zu müssen.“ 

Katri Jalonen, Gaming-Spezialistin bei der finnischen Jugendbewegung Generation Equality und Mitglied der finnischen CSW-Delegation, berichtete darüber, dass die meisten jungen Frauen bereits Belästigungen im Internet erlebt haben und sich oft selbst verbieten, darüber zu reden, „wie Frauen und Mädchen es im Laufe der Geschichte immer getan haben.“ Cyber-Sicherheit „kann nicht einfach nur in der Verantwortung einzelner Personen liegen“, erklärte sie, und forderte Regierungen, Gesetzgeber und Technologieunternehmen auf, geschlechtsspezifische Unterschiede beim Zugang zur digitalen Welt zu beseitigen und alle Formen von Cyber-Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen.

LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller
Themen:
Land:
Vereinigte Staaten