Konvivenz-Workshop „Menschen unterwegs“ blickt auf Bedürfnisse einer sich verändernden Bevölkerung
Amsterdam, Niederlande/Genf (LWI) – Eine Kirche, die zu einem Komplex mit Sozialwohnungen umfunktioniert und umgebaut wurde, und ein ökumenisches Zentrum in einem multikulturellen Stadtviertel in Amsterdam bescherten Delegierten aus europäischen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) Einblicke in Diakonie-Projekte der Protestantischen Kirche in den Niederlanden (PKN).
Je fünf Personen aus den LWB-Regionen Mittel- und Osteuropa, Mittel- und Westeuropa sowie Nordische Länder haben vom 19. bis 22. März zusammen mit Mitarbeitenden des LWB und seiner Partnerorganisation, der Internationalen Akademie für Diakonie und soziales Handeln in Mittel- und Osteuropa (Interdiac), an dem Besuch teilgenommen.
Nach den Besuchen in Amsterdam sind die Teilnehmenden in einem Konferenzzentrum im östlich von Utrecht gelegenen Doorn zusammengekommen, um sich mit dem Thema „People on the Move, responding to growing diversity“ (Menschen unterwegs – wachsender Vielfalt begegnen) zu beschäftigen und sich darüber auszutauschen. Der dreitägige Besuch vor Ort zusammen mit den anschließenden Reflexionen in kleineren Gruppen war der zweite Workshop in dem auf drei Jahre angelegten Konvivenz-Prozesses. Dieser Prozess wird gemeinsam vom Europareferat des LWB und der Interdiac organisiert, um eine bessere Zusammenarbeit in der Diakonie im Streben nach Konvivenz – der „Kunst und Praxis des Zusammenlebens“ – zu ermöglichen.
„Es ist gut zu sehen, wie wirtschaftliche und diakonische Parameter gleichberechtigt Hand in Hand gehen können“, freut sich der deutsche Delegierte Peter Szynka nach dem Erlebten. Hanne Wilzing, eine der niederländischen Teilnehmenden fügt hinzu: „Es zeigt uns, wie eine Brücke geschlagen werden kann zwischen vertikalem und horizontalem Denken, inwiefern Versöhnung und die Schaffung von Frieden zusammengehören.“
„Menschen brauchen Menschen“
„Menschen unterwegs“ will sich mit den Folgen wachsender Diversität in Europa beschäftigen, die mit Migration und gesellschaftliche Veränderungen einhergehen, und gleichzeitig die Rolle der Kirchen in der Reaktion und im Umgang mit diesen Themen stärken.
Die Delegierten besuchten den Augustanahof, ein neues Projekt des lutherischen Diakonischen Werkes in Amsterdam, das in der ehemaligen in den 1950er Jahren im Zentrum eines grünen Stadtviertels von Amsterdam gebauten Augustana-Kirche angesiedelt ist. Nach einem langen Konsultationsprozess, wie das Gebäude weiterhin eine sinnvolle Funktion für die Menschen vor Ort haben könnte, hat das Diakonische Werk im Inneren des Kirchengebäudes 16 Sozialwohnungen gebaut.
Unter dem Motto „Menschen brauchen Menschen“ sind die meisten der Wohnungen auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten, wobei einige auch für junge Menschen zur Verfügung stehen. Diese Durchmischung von Altersgruppen zusammen mit der Verpflichtung, als gute Nachbarinnen und Nachbarn aufeinander Acht zu geben, bietet den älteren Menschen die Möglichkeit, länger selbständig zu leben.
Eine der Wohnungen dient als Gästewohnung für einen jungen Menschen, der oder die noch lernt, allein zu leben. Die Person hat dort die Möglichkeit, die anderen Hausbewohnerinnen und -bewohner um Hilfe zu bitten, wenn dies nötig ist. Von allen wird erwartet, dass sie sich an den Gemeinschaftsaktivitäten beteiligen.
Es gibt im Augustanahof auch Räumlichkeiten für Meditation und Gottesdienste. Das liturgische Zentrum, in dem die bunten Kirchenfenster zu sehen sind und zu dem ein kleiner Garten für stilles Gebet gehört, ist auch für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich.
„Einen Schritt weiter“
Die Teilnehmenden an dem Workshop zu „Menschen unterwegs“ haben darüber hinaus „De Nieuwe Stad“ (die Neue Stadt), ein ökumenisches Zentrum im multikulturell geprägten Südosten Amsterdams besucht, das von afrikanischen Baptisten, lutherischen (hauptsächlich aus Suriname), reformierten und römisch-katholischen Gläubigen, indonesischen Christinnen und Christen und der Presbyterianischen Kirche von Ghana genutzt wird.
Dort wird ein gemeinschaftliches Programm mit dem Titel „Stap Verder“ (Weitergehen) angeboten, das Neuankömmlingen Niederländisch-Kurse anbietet. Außerdem gibt es einen Raum für Pfarrerinnen und Pfarrer, um Seelsorge und Beratung zu allgemeinen Lebensfragen, zu Themen wie Arbeit, Bildung oder Einwanderungsfragen anzubieten.
Die Teilnehmenden an dem zweiten Workshop in der Serie zum Thema „Menschen unterwegs“ waren begeistert von der Vielfalt der Angebote, die die Kirche als Reaktion auf die Diversität in ihrem lokalen Kontext anbietet. Als ein konkretes Ergebnis ihres Besuchs planen sie nun, ein Dokument zu erarbeiten und zu veröffentlichen, in dem einige der neu entwickelten Begriffe wie „diaconal ecclesiology“ (diakonische Ekklesiologie) und „diaconal spirituality“ (diakonische Spiritualität) erläutert werden sollen.
Es wird über konkrete praktische Diakonie und Erfahrungen aus der Diakonie in Europa berichtet und Material für Bibelarbeiten, das in Zusammenhang mit den besuchten Projekten stehen wird, sowie eine Arbeitshilfe für einen weitergehenden Austausch zum Thema Diakonie veröffentlicht werden.
Der nächste Workshop soll 2020 in der Region Nordische Länder stattfinden.
Veröffentlichungen zum Konvivenz-Prozess
- Den erste Bericht „Konvivenz schaffen – Zur Gestaltung von Gemeinwesendiakonie in Europa“, schlägt ein neues Kernkonzept für die Gestaltung von Diakonie vor.
- Gedanken und Praxisbeispiele zum Thema Wohlfahrt und Fürsorge, Arbeit und Wirtschaft werden in der englischsprachigen Publikation „Towards a Convivial Economy: the Contribution of a Re-formed Community Diakonia in Europe“ dargelegt.
- Eine Auswertung der ersten Etappen des Konvivenz-Prozesses zusammen mit Kommentaren und Empfehlungen sind in der englischsprachigen Publikation „Seeking Conviviality: Faithful Living in Diversifying Europe“.