FEATURE: So hart war das Leben in Namibia seit Jahrzehnten nicht

29 Juli 2013
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Makalas Familie verkauft Papayas, um nach der Dürre, die ihre Hirse zerstört hat, Nahrungsmittel kaufen zu können. © LWB/M. Retief

Makalas Familie verkauft Papayas, um nach der Dürre, die ihre Hirse zerstört hat, Nahrungsmittel kaufen zu können. © LWB/M. Retief

LWB unterstützt Opfer der schlimmsten Dürre-Katastrophe Namibias in ländlichen Gemeinden

Windhuk (Namibia)/Genf, 29. Juli 2013 (LWI) - Makala sitzt unter einem der Papaya-Bäume der Familie in der glühenden Sonne. Sie hat ihr Baby auf dem Schoss und um sie herum sitzen ihre anderen Kinder, während sie die Kerne aus einem Kürbis entfernt. Ihr Ehemann ist nirgendwo zu sehen. Auf die Frage nach ihm antwortet Makala, er sei in der örtlichen Shebeen, der Kneipe, die in der Region Omusati im Norden Namibias zahlreich sind.

Im vergangenen Jahr pflanzte die Familie im Dezember ihre Hirse, doch es regnete zu wenig, und die Pflanzen gediehen nicht. Die einzige Einkommensquelle sind die Papayabäume, auf denen noch Früchte wachsen, und die Kürbisse, die mit sehr wenig Wasser auskommen. Um die gesamte Familie zu ernähren, die normalerweise über die Sommermonate von ihrer Hirse lebt, bis wieder Regen kommt, genügen diese Einkünfte jedoch nicht.

Makala weiss nicht, wie sie ihre Familie in den kommenden Monaten bis zur Regenzeit im Dezember ernähren soll – falls der Regen in diesem Jahr überhaupt kommt.

Und sie ist nicht die Einzige.

Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt die lutherischen Kirchen Namibias bei ihren Hilfsmassnahmen für die ländlichen Gemeinden, die die schlimmste Dürre des Landes seit 30 Jahren zu bewältigen haben. 700.000 der 2,1 Millionen EinwohnerInnen des Landes sind von der Dürre betroffen. Davon leiden laut Schätzungen der Regierung über 42 Prozent unter unzureichender Nahrungsmittelversorgung.

Der Präsident Namibias hat einen landesweiten Dürre-Notstand ausgerufen und der Krisenhilfe 20,7 Millionen Namibia-Dollar zur Verfügung gestellt. Ausserdem bat er die internationale Gemeinschaft um Hilfe.

Namibia ist eines der Länder mit dem massivsten Wohlstandsgefälle der Welt. In den armen ländlichen Gegenden, in denen insgesamt 1,6 Millionen Menschen leben, hat sich die Situation für ohnehin schwache Haushalte, die von Viehhaltung und Pflanzenproduktion leben, durch die Lebensmittel- und Wasserkrise verschärft.

Die namibische Regierung hilft mit der Verteilung von Maisrationen und mit Brunnenbohrungen, doch es wird mehr Hilfe benötigt. Der Mais ist nicht nahrhaft genug, und gerade bei Kindern, von denen bereits 34 Prozent unter der Armutsgrenze leben, ist die Gefahr der Mangelernährung hoch.

Am 19. Juli rief LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge die LWB-Mitgliedskirchen auf, die von der Dürre betroffenen Menschen in Namibia und Angola mit Gebeten und finanzieller Hilfe zu unterstützen und betonte, bereits erkennbare Anzeichen der Mangelernährung aufgrund von Lebensmittel- und Wassermangel seien ein Hinweis darauf, dass sich die Situation womöglich verschlechtern werde.

Mit der Unterstützung der LWB-Abteilung für Weltdienst und des Gemeinsamen Kirchenrats der evangelisch-lutherischen Kirchen Namibias wurde ein Notfall-Hilfsprogramm ins Leben gerufen, um den Menschen in ländlichen Gegenden, in denen die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Republik Namibia (ELKRN) und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (ELKIN) mit Gemeinden vertreten sind, finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, damit die Grundversorgung gesichert werden kann. Die humanitäre Hilfe schliesst auch die Kapazitätsentwicklung für Notfallvorsorge sowie Advocacy-Arbeit mit ein.

Dem Gemeinsamen Kirchenrat gehört auch die deutschsprachige Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (ELKIN-DELK) an, die sich ebenfalls an den Hilfsmassnahmen für die Dürreopfer beteiligt.

Weniger essen, Abhängigkeit von Nachbarn und Pensionären

Im Rahmen einer vom LWB und dem Gemeinsamen Kirchenrat im Juni kurzfristig durchgeführten Bedarfsanalyse, auf der die geleistete Nothilfe basiert, wurden Treffen mit lokalen PfarrerInnen, Gemeinde- und KirchenleiterInnen, alten und jungen, arbeitslosen und behinderten Menschen organisiert.

Die Bewertungsgruppe stellte fest, dass die Familien zu negativen Bewältigungsmechanismen greifen, um zu überleben. So werden die Mahlzeiten auf eine pro Tag reduziert und es wird zunehmend die Hilfe der Nachbarn in Anspruch genommen. Kinder werden zu Verwandten geschickt, die noch in der Lage sind, sie zu ernähren, und ältere Verwandten stellen ihre Rentenbezüge zur Verfügung.

In sechs Regionen des Landes, in denen die Mehrheit der Haushalte von der Zucht von Rindern, Ziegen, Schafen, Eseln und Geflügel lebt, wurde das Weideland durch die Dürre stark beschädigt.

Bis zu 80 Prozent der Haushalte im ganzen Land halten Vieh und es wurden bereits 4.000 tote Tiere gemeldet.

Rund 85 Prozent der in der Landwirtschaft tätigen Haushalte gaben an, ihr Saatgut aufgrund des fehlenden Regens gar nicht oder sehr spät ausgesät zu haben. Landwirtschaftliche Haushalte erreichten nur 30 Prozenten ihrer gewohnten Ernteerträge. Die Lebensmittelreserven gingen drastisch zurück. Fast zwei Drittel der Familien geben an, über keine Nahrungsmittelvorräte mehr zu verfügen.

Manche Familien, wie die Makalas, bauen Kürbisse an, da diese mit weniger Wasser auskommen und die Kerne geröstet und ebenso wie die Schale und das Fruchtfleisch des Kürbisses verzehrt werden können.

Mangel an sauberem Wasser

Der mangelnde Zugang zu sauberem Wasser und zu sanitären Anlagen ist ein weiteres ernstes Problem. Familien bezahlen bis zu 100 Namibia-Dollar pro Monat für ihr Wasser und wenn sie kein Geld mehr haben oder sich verschuldet haben und daraufhin von der Wasserversorgung abgeschnitten werden, leihen sie sich Geld von Nachbarn oder Verwandten.

Eine Familie aus dem Norden des Landes berichtet, ihr stünden fünf Kanister Wasser pro Tag zur Verfügung: zwei um sich zu waschen und zum Kochen und drei für die Tiere. Um sich das weiterhin leisten zu können, wird die staatliche Pension eines älteren Familienmitglieds hinzugezogen.

Die LWB-Bewertungsgruppe wies darauf hin, dass bei Arbeitslosenquoten von bis zu 90 Prozent in einigen Regionen die Gefahr bestehe, dass ältere PensionärInnen, die ihrer Familie helfen möchten, ausgenutzt würden.

Erhöhter Alkoholkonsum

Mairo Retief, LWB/AWD-Notfallkoordinatorin für die Region Ost- und Zentralafrika, beschrieb einige der langfristigen Auswirkungen der Lebensmittelknappheit und die damit verbundene Notwendigkeit ganzheitlicher Hilfe, die auch eine psychosoziale Begleitung beinhaltet.

Sie verwies auf eine Gruppendiskussion, die das Bewertungsteam mit Frauen in einer Kirche im nördlichen Namibia geführt hatte und in der die Frauen erklärt hatten, weshalb Alkohol zunehmend zur Alternative gegen den Hunger werde. „‚Würden Sie eher einen Liter lokales Bier für einen Namibia-Dollar trinken, oder einen Laib Brot für 7,5 Dollar kaufen, um satt zu werden? Wenn wir Alkohol trinken, bleibt uns mehr Geld übrig, um unsere Kinder zu versorgen‘“, zitierte Retief einen Elternteil.

Daher würden sich mehr und mehr Eltern teils vor Hunger, teils aufgrund der Armut, die zu Stress führe, dem Alkohol zuwenden. Die Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt in Haushalten und die Vernachlässigung und der Missbrauch von Kindern nähmen zu, erläuterte Retief.

Vor allem örtliche Hilfsmechanismen müssten gestärkt werden, so Retief. Derzeit sind nur die Regierungen, die Kirchen und das namibische Rote Kreuz an den Hilfsmassnahmen beteiligt.

Schnelle und gezielte Hilfe

AWD-Direktor Pfr. Eberhard Hitzler erklärte, die Reaktionen der lutherischen Gemeinschaft auf den jüngsten ACT-Aufruf hinsichtlich der „langsam fortschreitenden Katastrophe in Namibia“ sei ermutigend. Bislang seien zwar nur wenige Todesfälle durch Mangelernährung registriert, es sei jedoch „sicher, dass es für Hunderttausende Menschen in verschiedenen Regionen Namibias und Angolas in den kommenden zwölf Monaten nicht genügend Lebensmittel und Wasser geben wird“.

Des Weiteren erklärte Hitzler, er sei besorgt, dass „diese Krise aufgrund anderer Krisen in der Welt übersehen und vernachlässigt werden könnte, obwohl eine schnelle und gezielte Hilfe unabdingbar ist, um noch Schlimmeres zu verhindern“.

LWF Communication
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