Für ein Ende der Gewalt: Unterstützung für Frauen und Mädchen

16 Aug. 2018
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LoeRose Mbise von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania, kämpft gegen Gesetze, die Frauen und Mädchen gefährden. Foto: LWB/Albin Hillert

LoeRose Mbise von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania, kämpft gegen Gesetze, die Frauen und Mädchen gefährden. Foto: LWB/Albin Hillert

Programm für Geschlechtergerechtigkeit in Tansania

Dodoma, Tansania/Genf (LWI) – Ein neues, auf drei Jahre angelegtes Programm zur Geschlechtergerechtigkeit ist das jüngste Beispiel für die Bemühungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELKT), das Problem der Gewalt gegen Frauen und Mädchen anzugehen, die durch geltendes Recht nur wenig Schutz erfahren.

In einem Interview für Stimmen aus der LWB-Gemeinschaft erklärt LWB-Ratsmitglied LoeRose Mbise, die Generalsekretärin einer Diözese der tansanischen Kirche ist, über die verstörenden Folgen von Kinderehen. Sie beschreibt, wie die Kirche den Mädchen und Frauen Hoffnung gibt. Das neue, auf drei Jahre angelegte Program zur Geschlechtergerechtigkeit will eine Plattform für Dialog darüber und über andere Angelegenheiten schaffen, welche Gerechtigkeit für Frauen und Männer betreffen.

Häusliche und sexuelle Gewalt, Kinderehen, frühe Mutterschaft weibliche Genitalverstümmelung und ein Mangel an Bildungsmöglichkeiten gefährdeten das Leben von Frauen und Mädchen in einigen Gemeinschaften. Dazu gehöre auch die Weigerung, Frauen am Vermögen der Familie zu beteiligen, sei Teil davon.

Bestimmte traditionelle und kulturelle Praktiken untergrüben ihre Würde, führten zu gesundheitlichen Problemen und vereitelten die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen. Wenn Mädchen der Zugang zu Bildung über die Sekundarstufe hinaus verwehrt sei, blieben sie in Abhängigkeitsverhältnissen.

Mbise nannte das Beispiel eines Mädchens, dem die Kirche geholfen hatte. Sie hatte ihre Schulausbildung abbrechen müssen und wurde als Geschenk ihres Vaters mit einem älteren Mann verheiratet. „Sie war zwangsverheiratet worden, und wir mussten sie mit Hilfe der Polizei aus dieser Situation herausholen und sie zurück in die Schule bringen. Das war nicht einfach, denn für das Mädchen beduetet das, den Kontakt zu ihrer Familie abzubrechen.“

Die geltenden Gesetze böten wenig Schutz und ermöglichten diese Art von Missbrauch in einigen Fällen sogar. Das Ehegesetz erlaubt nach wie vor die Verheiratung von Mädchen unter 18 Jahren und sagt nichts über das Schlagen der eigenen Ehefrau – zwei Praktiken, die sehr verbreitet sind. Das Strafgesetz sieht in der Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat und enthält auch keine besonderen Bestimmungen für geschlechtsspezifische Gewalt. Das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung wird nur am Rande thematisiert; für Frauen über 18 überhaupt nicht. Das Kinderschutzgesetz benennt kein gesetzliches Mindestalter für eine Heirat und verbietet weder Kinderehen noch -verlobungen.

Neues Programm für Geschlechtergerechtigkeit

Die Kirche wolle diese Themen nicht unter den Tisch fallen lassen. Gemeinsam mit dem Nationalen Christenrat in Tansania und anderen Organisationen engagiere sich die ELKT für die Änderung der Gesetze, die Kinderehen Vorschub leisten, erzählt Mbise.

Sie baue Mädchenschulen und kostengünstige Häuser für alleinerziehende Mütter und biete Behandlungen für Frauen in kirchlichen Krankenhäusern an. Pfarrerinnen und Pfarrer hätten selbst schon Mädchen bei sich aufgenommen, die vor einer anstehenden weiblichen Genitalverstümmelung von ihrer Familie geflohen waren, und haben geholfen, die Beziehungen zur Familie wiederherzustellen. Pfarrerinnen und Pfarrer hätten Frauen gerettet, die von ihren Männern geschlagen wurden.

Die Kirche suche nach alternativen Wohnungen für alleinerziehende Mütter. „Das ist dann eine große Hilfe für sie. Frauen, die nicht bei ihren Ehemännern bleiben können, werden von ihren Familien oftmals nicht wieder aufgenommen und haben dann keine andere Option mehr.“

Die Kirche unterhalte eine Schule für Mädchen, deren Familien Viehhirten sind oder Nomadenvölkern angehören. Für die Schulgelder komme die Kirche auf. Die Mädchen erhielten Stipendien und viele von ihnen könnten eine gute Ausbildung abschließen. Sie hätten die Universität besucht und abgeschlossen und bringen die Bildung, die sie erhalten haben, nun in ihre Dörfer zurück.

„Es hilft sehr, wenn es die Menschen aus den jeweiligen Gemeinschaften sind, die die Probleme ansprechen und versuchen, sie zu lösen, sich zu engagieren, die Menschen vor Ort zu mobilisieren – insbesondere dort, wo Frauen keine Stimme haben und ihre Meinung nicht zählt. Dort zählen nur die Männer. Wenn wir aber Mädchen haben, die das Glück hatten, eine gute Schul- und Ausbildung zu erhalten, können sie ihren jeweiligen Gemeinschaften helfen“, erläutert Mbise.

Das neue dreijährige Programm der Kirche soll ein Bewusstsein und eine Plattform für Dialoge zu vielfältigen Themen rund um Geschlechtergerechtigkeit schaffen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Frauen, Männer und junge Menschen gut informiert sind über Geschlechtergerechtigkeit, damit sie die Herausforderungen erkennen und Lösungen suchen können. „Wissen und Informationen führen immer zu Veränderungen. Die ELKT ist überzeugt, dass im Rahmen des Programms positive Entwicklungen und Schritte zu sehen sein werden“, erklärt Mbise. „Die ELKT will verbreitete Standpunkte und Haltungen verändern und will Frauen und Mädchen ermutigen, sich gegen Gewalt zur Wehr zu setzen.“

Die von der ELKT betriebene Universität Tumaini University-Makumira bietet als Reaktion auf die Notwendigkeit einer breiter angelegten Bildungsoffensive zum Thema Frauenrechte ein Master-Studienprogramm in Theologie, Genderstudien und Gesundheit an.

Zudem hat die ELKT die Kiswahili-Übersetzung des LWB-Handbuchs „Kirchen sagen ‚Nein‘ zur Gewalt gegen Frauen“ adaptiert und verwendet sie in den Ortsgemeinden. „Jedes Jahr wird ein Sonntag ausgewählt, an dem in allen Ortsgemeinden über das Thema Gewalt gepredigt wird. Die theologisch begründete Haltung der ELKT ist, dass Gewalt eine Sünde ist.“

Hoffnung und Verbesserungen

Aber es gibt auch Hoffnung: Die Situation von Frauen und Mädchen hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert und die genannten Probleme sind rückläufig. Weil sich die Bildungschancen für Mädchen und Frauen in Tansania verbessern, würden die Probleme letzten Endes nach und nach weniger werden, erläutert Mbise.

„Aber jetzt, da Frauen und Mädchen eine Stimme haben und sich für Themen engagieren, die so lange Zeit ein Tabu waren – zum Beispiel Sexualerziehung und Reproduktionsgesundheit – können wir Veränderungen beobachten.“

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.

 

 

LWF/OCS