„Gott will, dass ich ein positives Leben führe“

30 Juli 2012
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LWB-Jugenddelegierte der Internationalen AIDS-Konferenz 2012 in Washington, D.C./USA. © Paul Jeffrey/EAA

LWB-Jugenddelegierte der Internationalen AIDS-Konferenz 2012 in Washington, D.C./USA. © Paul Jeffrey/EAA

Junge LutheranerInnen engagieren sich auf internationaler AIDS-Konferenz

Trommelwirbel und Beifallrufe erfüllen die Halle des Konferenzzentrums in Washington, D.C., wo anlässlich der AIDS-Konferenz 2012 eine von jungen Leuten organisierte Percussion Jam beginnt, die den Saal erbeben lässt.

Es ist ein Uhr mittags im Globalen Dorf der Konferenz, das in einer riesigen Halle – die an eine Flugzeughalle erinnert – untergebracht ist. Unzählige Stände und Transparente prägen das Bild, fröhliches Stimmengewirr schallt durch den Raum.

Die jungen Menschen bringen Spannung und Begeisterung in diese Konferenzhalle. Unter den Tausenden von AktivistInnen, Führungspersönlichkeiten und Fachkräften sind LutheranerInnen aus aller Welt. Sie gehören zu den rund 20.000 Menschen, die vom 22. bis 27. Juli nach Washington, D.C., zu dieser grössten globalen Veranstaltung zusammengekommen sind, um im Kampf gegen HIV entscheidende Erfolge zu erzielen.

„Ich bin HIV-infiziert und glaube, dass es für mich eine grosse Chance ist, hier zu sein und zu hören, wie andere Länder gegen HIV vorgehen“, erzählt die 18-jährige Victoria Mumbula, Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sambia, die auch an der Interreligiösen Vorkonferenz über HIV am 20. und 21. Juli teilgenommen hat.

„Ich hatte bis jetzt nie den Mut, zuhause offen über meine HIV-Infektion zu sprechen, aber seit der interreligiösen Vorkonferenz spüre ich, dass ich diesen Mut jetzt haben werde“, sagt sie.

„Ich fühle mich stark genug, jedem zu sagen, dass ich HIV-positiv bin. Wir haben hier über Stigmatisierung gesprochen und das hat mir Kraft gegeben“, erzählt Mumbula, die als Mitglied der Delegation des Lutherischen Weltbundes (LWB) nach Washington, D.C., gekommen ist. Ziel des LWB ist es, auf dieser Konferenz eine Reihe von VertreterInnen von Mitgliedskirchen darauf vorzubereiten, in der Gemeinschaft eine Schlüsselfunktion als Akteure gegen AIDS zu übernehmen.

„Ich bin ein Mensch, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, und was Gott von mir will, ist, dass ich ein positives Leben führe. Durch diese Konferenz habe ich gelernt, mich so zu akzeptieren wie ich bin.“

Hannah Ball-Brau, die in Washington, D.C., lebt, sagt, die internationale Konferenz helfe ihr, lokale Fragen in einen grösseren Kontext zu stellen.

„Ich habe Menschen mit AIDS gekannt, die an den Folgen von AIDS gestorben sind. Es ist also Teil meines Lebens, aber ich weiss, dass ich unglaublich ignorant bin, was die Folgen dieser Krankheit in der Welt und hier bei uns zuhause anbetrifft“, sagt die 18-jährige Ball-Brau, die Mitglied der Delegation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) ist. „[Washington,] D.C. hat riesige Probleme mit HIV, das vor allem in armen Bevölkerungsgruppen und unter Frauen verbreitet ist.“

„Ich weiss nicht genug über Behandlungsmöglichkeiten und Prävention und habe mich auch noch nicht intensiv mit den sozialen Problemen beschäftigt, die durch HIV und AIDS entstehen“, fügt Ball-Brau hinzu. „Aber ich verstehe mich als Mitglied der Weltgemeinschaft, als Weltbürgerin, und als solche ist es unglaublich wichtig, dass ich mich über HIV und AIDS informiere.“

Einige der jungen lutherischen Delegierten auf der AIDS-Konferenz 2012 haben bereits Erfahrungen auf früheren Konferenzen gesammelt, die in ihr jetziges Engagement einfliessen.

„Ich habe zum ersten Mal als Jugenddelegierter der ELKA an der AIDS-Konferenz 2010 in Wien teilgenommen und seither engagiere ich mich in der ELKA als Laie für HIV- und AIDS-Fragen, so dass ich in das lokale Organisationskomitee für die interreligiöse Vorkonferenz berufen wurde“, erzählt der 29-jährige Ulysses Burley.

„Ich bin Arzt und habe mich ursprünglich vor allem für die Behandlung von Krebs interessiert. Als Medizinstudent habe ich dann aber ein Jahr in Südamerika verbracht und dort in einer AIDS-Stiftung gearbeitet“, berichtet Burley. „Ich habe HIV-Patienten in öffentlichen Krankenhäusern kennengelernt und das hat mir die Augen für diese neue Epidemie geöffnet, die Menschen auf verschiedenen Ebenen angreift, nicht nur auf medizinischer.“

„Als ich in die USA zurückkehrte, musste ich feststellen, dass diese Epidemie meine eigene Gemeinschaft heimgesucht hatte, und die ELKA stellte mir eine Plattform zur Verfügung, von der aus ich dieses Problem in der afrikanisch-amerikanischen Kirche und der afrikanisch-amerikanischen Gemeinde ansprechen konnte“, erzählt Burley, der aus Houston (Texas) stammt.

Die Informationsarbeit auf der AIDS 2012 verläuft laut Christine Mangale, die die ELKA- und LWB-Delegierten begleitet, in beide Richtungen.

„[Die Delegation] besteht aus fünf jungen und zwei älteren Mitgliedern“, erklärt Mangale, die im Lutherischen Büro für Weltgemeinschaft arbeitet, das im Namen von LWB und ELKA Advocacy-Arbeit bei den Vereinten Nationen in New York leistet. „Die Jugendlichen lernen von den Älteren, weil diese Erfahrung haben, und für die Älteren ist es eine Chance, direkt von den Jugendlichen zu hören, welche Bedürfnisse sie haben.“

Pfarrerin Aina Sheetheni, eine 40-jährige Pfarrerin aus Namibia, die ein „älteres“ LWB-Delegationsmitglied ist, sagt: „Zuhause arbeite ich in Gemeinden und da ich viel mit HIV-Infizierten und den sie unterstützenden Gruppen zu tun habe, bin ich auf die Informationen, die ich hier erhalte, angewiesen.“

„Wir greifen zurück auf das Know-how und die Einsichten junger Menschen“, erklärt Mangale. „Alle, die hier sind, sprechen in ihrem eigenen Namen. Dieser generationsübergreifende Austausch stellt Verbindungen her, die von entscheidender Bedeutung sind.“

Dieser Ansatz scheint sich nach Auffassung des „älteren“ Delegationsmitglieds Veikko Munyika in der globalen AIDS-Bewegung durchzusetzen.

„In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt in den Kirchen und selbst in den NGOs und Regierungen auf der Leitungsebene; es war Aufgabe der Leitung, als Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zu fungieren und die Menschen mit ihrer Leidenschaft anzufeuern“, erklärt Munyika, der die HIV-und AIDS-Arbeit im LWB in den letzten vier Jahren koordiniert hat.

„Aber dieses Mal scheint es, dass es von der Basis ausgeht, dass die Menschen sagen: ‚Lasst uns zu den Jugendlichen, den Frauen, den Ausgegrenzten gehen und sie aktivieren, denn die Änderungen, die wir anstreben, werden wahrscheinlich von ihnen kommen.‘“

Und tatsächlich wollen die jungen LutheranerInnen, die an der AIDS-Konferenz 2012 teilnehmen, nach ihrer Rückkehr zuhause aktiv werden.

„Wir haben traditionell alles daran gesetzt, junge Menschen zu AIDS-Konferenzen einzuladen. Das ist sehr wichtig, weil ihnen eine Schlüsselrolle dabei zukommt, dieser Epidemie Einhalt zu gebieten. Sie werden sich nach der Konferenz zuhause in ihren eigenen Gemeinschaften für die Umsetzung eines Aktionsplans engagieren“, betont Mangale.

Jugenddelegierte wie Burley nehmen laut Mangale bereits an Tagungen mit Pharma-Unternehmen teil.

„Die Arbeit auf der AIDS-Konferenz inspiriert die Strategiearbeit der Advocacy-Abteilung der ELKA auf nationaler und internationaler Ebene“, erklärt Mangale. „Zu dieser Advocacy-Arbeit gehört der Einsatz für kostengünstigere [AIDS-Medikamente] sowie kindgerechte Arzneimittel, insbesondere angesichts drohender Budgetkürzungen.“

Was aber auf dieser AIDS-Konferenz 2012 letztlich am wichtigsten ist, ist, dass junge LutheranerInnen Beziehungen knüpfen, bei denen es mehr um Menschen als um Strategien geht.

„Ich glaube, dass es meine Pflicht ist, zuzuhören, was die Menschen hier zu sagen haben, und sicherzustellen, dass dies auch in der Kirche gehört wird“, erklärt die 21-jährige ELKA-Jugenddelegierte Jessica Erickson, die aus Virginia hierher gekommen ist.

„Ich musste nicht lange überlegen, ob ich [für die AIDS-Konferenz 2012] zusagen würde. Ich hatte nämlich nicht gedacht, dass es mich emotional so direkt betreffen würde“, sagt Erickson. „Doch in Wahrheit kommt man hierhin und stellt fest, dass es um sehr persönliche Dinge und nicht um konzeptionelle Arbeit geht — du hilfst, ihre Geschichten zu erzählen.“ (1.149 Wörter)

(Beitrag von Jon Pattee, Mitglied des ökumenischen Medienteams)

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