LWB-Generalsekretär spricht über weltweite Dimension der Reformation
Windhuk (Namibia)/Genf, 2. November 2015 (LWI) – Die weltweite Dimension der lutherischen Reformation macht eine Theologie erforderlich, die Kirchen dabei unterstützt, aktuelle Gegebenheiten zu hinterfragen, in einer Welt, die zunehmend bestimmt ist von gnadenlosem Wettbewerb, Überlebenskampf und Ausgrenzung. Diese These hat der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Pfr. Dr. Martin Junge, anlässlich einer internationalen TheologInnentagung in der namibischen Hauptstadt Windhuk aufgestellt.
Eine Welt, die nichts von Gnade wisse, müsse zwangsläufig ohne Gnade sein und werde ihr Heil in nichts anderem suchen als dem gnadenlosen Wettbewerb, stellte Junge fest. „Nur wenige werden einen solch gnadenlosen Wettbewerb überleben“, ergänzte er in seinem Hauptreferat anlässlich der offiziellen Eröffnung der LWB-Tagung vom 28. Oktober bis 1. November, die im Vorfeld des 500. Reformationsjubiläums 2017 den Bezug zwischen theologischen Einsichten, Politik und Wirtschaft untersuchte.
Junge erinnerte daran, dass Martin Luthers theologische Erkenntnis von der Rechtfertigung allein aus Glauben sich auf gründliche theologische Forschung stützte. In dem Moment, wo diese Erkenntnis sich verband mit der seelsorglichen und diakonischen Sorge um die Menschen, gewann sie Relevanz für den öffentlichen Raum. „Luther sah, wie Menschen, von denen manche furchtbar arm und ausgegrenzt waren, ihre kleinen Münzen hergaben für ein bisschen Seelenfrieden – zumindest im nächsten Leben, da ihr diesseitiges Leben nichts war als eine Qual und ein Alptraum ohne Hoffnung auf Besserung.“
Der LWB-Generalsekretär forderte die Tagungsteilnehmenden auf, konsequent auf die Freiheit als wesentliche Einsicht der lutherischen Reformation hinzuweisen. „Kirchen in der reformatorischen Tradition sind gleichzeitig Kirchen der Gnade und der Freiheit! Wer in dieser Tradition steht und von der Rechtfertigung allein durch Gottes Gnade spricht, wird fortwährend und im gleichen Atemzug von Freiheit sprechen wollen.“
Junge betonte weiter, Freiheit im Sinne der theologischen Tradition der lutherischen Reformation sei nie autistisch oder autonom gedacht, sondern stehe stets in der Rechenschaftspflicht und Verantwortung vor den Anderen. „Freiheit, wie sie Gott schenkt, findet ihren vollen Ausdruck darin, dass Beziehungen eingegangen – und geschützt – werden.“ Nach dem Verständnis Luthers findet Freiheit ihre Grenzen in den Nächsten, insbesondere wenn diese Nächsten leiden.
Unter Verweis auf die beispiellose Herausforderung des Klimawandels betonte Junge, die aktuelle massive Umweltzerstörung sei Ausdruck eines falschen Verständnisses von Freiheit. Dies führe dazu, das die heutige Generation meine, sie habe die Freiheit, die Ressourcen zukünftiger Generationen zu verbrauchen, oder auch, dass bestimmte Länder oder Gesellschaften sich berechtigt fühlten, Ressourcen für sich zu beanspruchen, die allen gehören.
„Was die lutherische Theologie im 16. Jahrhundert noch nicht wahrnehmen konnte, was aber heute im Geist einer fortgesetzten Reformation ausdrücklicher artikuliert werden muss, ist die Erkenntnis, dass die von Gott geschenkte Freiheit ihr Beziehungsengagement nicht nur auf die leidenden Nächsten sondern auch auf die leidende Schöpfung Gottes richtet“, führte Junge aus.
Befreiender Glaube
Beim Eröffnungsgottesdienst der Tagung predigte Bischof em. Dr. Zephania Kameeta von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia. Kameeta wirkt aktuell in der namibischen Regierung als Minister für Armutsbekämpfung und soziale Wohlfahrt. In seiner Predigt betonte er, ein Glaube, der nicht erneuere und andere Menschen befreie, sei kein Glaube. Die diakonische Berufung der Kirche und die gegenseitige Ermutigung auf dem Weg des Glaubens müssten als integraler Bestandteil des Reformationsgedenkens betrachtet werden.
Die Tagung behandelte weiterhin Aspekte von Gesetz und Evangelium sowie Menschenwürde, Gendergerechtigkeit, theologische Ausbildung und weitere Themen. Sie stand unter dem Motto: „Reformation in globaler Perspektive – Wechselwirkungen zwischen Theologie, Politik und Ökonomie“.
Eröffnet wurde sie am 28. Oktober im Paulinum United Lutheran Theological Seminary, das von den drei lutherischen Kirchen Namibias betrieben wird. Die drei Kirchen sind 2017 Gastgeberinnen der Zwölften LWB-Vollversammlung und der Feierlichkeiten anlässlich des 500. Reformationsjubiläums.
Hauptreferat, LWB-Generalsekretär (in englischer Sprache)
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