Kanada: Pilgerin der Gegenwart in der Rolle einer Vizepräsidentin

20 Okt. 2023

Im folgenden Interview sprechen wir mit Pfarrerin Katherine Gohm, Pastorin in London, Ontario/Kanada, die jüngst zur Vizepräsidentin des LWB für die Region Nordamerika gewählt wurde. 

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Pfarrerin Katherine Gohm, LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika

Pfarrerin Katherine Gohm, LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika. Foto: LWB/A. Hillert

Interview mit Pfarrerin Katherine Gohm aus Kanada

(LWI) – Sie beschreibt sich selbst als „Lutheranerin seit der Geburt“, „Pilgerin der Gegenwart“ und ist – seit der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Krakau – Vizepräsidentin der Kirchengemeinschaft für die Region Nordamerika: Katherine Gohm, Pastorin der lutherischen Erlöser-Gemeinde in London, Ontario/Kanada, und ehemalige Direktorin der für Public Policy und die kirchlichen Dienste zuständigen Abteilung der Östlichen Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada (ELKIK).

Als Mutter zweier Söhne ist es ihr ein großes Anliegen, den Stimmen von jungen Menschen in der Kirche mehr Gehör zu verschaffen. Zudem ist das Ringen um ein Ende von Gewalt gegen Frauen eine Herzensangelegenheit für sie, insbesondere der Gewalt gegen indigene Frauen, die öfter als andere Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt werden. Weiterhin setzt sie sich für die Themen Entkolonialisierung und Versöhnung mit den First Nations und den Inuit und Métis als wichtige Arbeitsbereiche für die Kirche in ihrem Heimatland ein.  Zusammen mit ihrer Gemeinde arbeitet Gohm mit verschiedenen ökumenischen Partnern und anderen Organisationen zusammen, um obdachlose Menschen vor Ort zu unterstützen, zu denen auch Menschen zählen, die mit einer Suchterkrankung oder psychischen Problemen zu kämpfen haben. Wie in den meisten Ortsgemeinden in Kanada ist ihre Gemeinde mit einer alternden Gesellschaft konfrontiert und sucht nach Möglichkeiten und Wegen, auch in den kommenden Jahren nicht immer mehr an Bedeutung zu verlieren und zukunftsfähig zu bleiben.

Erzählen Sie uns doch zunächst etwas über sich und Ihre Herkunft?

Meine Eltern sind beide aus Deutschland nach Kanada eingewandert; sie haben sich in Montreal, Québec, kennengelernt und auch dort geheiratet. Meine drei älteren Brüder und ich sind im lutherischen Glauben erzogen worden, obwohl ich mich in meinen späteren Teenager-Jahren und während meines Studiums auch mit anderen Glaubenstraditionen beschäftigt habe. Ich habe einen Bachelor-Abschluss in Soziologie und hatte ein Studium der Sozialen Arbeit begonnen, habe mich dann letztlich aber doch für ein Theologie-Studium entschieden. Meinen Master of Divinity habe ich am Waterloo Lutheran Seminary gemacht, das heute Martin Luther University College heißt.

Ich bin also sozusagen seit meiner Geburt Lutheranerin und der hauptberufliche Gemeindedienst ist meine wahre Berufung. Ich wandere gerne und bin sehr stolz darauf, dass ich vor fünf Jahren zusammen mit einer Begleitung den ganzen Jakobsweg von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich bis nach Santiago de Compostela in Spanien gewandert bin. Ich liebe es, zu wandern; es ist eine Zeit der inneren Einkehr und des Betens für mich. Die Pilgerwanderung hat mir geholfen, einige wichtige Lebensentscheidungen zu treffen, und hat meine Berufung zum Seelsorgedienst bestätigt. Ich würde diese Wanderung wirklich gerne noch einmal machen; oder vielleicht eine der anderen regionalen Pilgerrouten.

Erzählen Sie uns etwas über die Gemeinde, in der Sie derzeit als Pastorin tätig sind?

Die Erlöser-Gemeinde ist eine großartige, sehr aktive Gemeinde. In den letzten Jahren haben wir uns mit einer Neugestaltung und Neuausrichtung beschäftigt und versucht herauszufinden, wie es für uns am besten weitergehen soll. Die ELKIK insgesamt ist eine relativ kleine Kirche und wir sind in unserem hiesigen Kontext mit einer alternden Gesellschaft konfrontiert und haben wenig finanzielle Mittel. Deshalb suchen wir nach Möglichkeiten und Wegen, uns mehr in unserem breiteren Kontext zu engagieren.

Wir arbeiten mit verschiedenen lokalen Organisationen zusammen, um die obdachlosen Menschen in zehn Gemeinden entlang des Flusses zu unterstützen. Im ganzen Land herrscht eine Wohnungskrise und wir wollen diejenigen unterstützen, die umfassende Hilfe brauchen, weil sie zum Beispiel mit einer Suchterkrankung und/oder psychischen Problemen zu kämpfen haben. Wir sammeln Lebensmittel für die Tafeln und unterstützen ein Frauenhaus, das hier ganz in der Nähe unserer Kirche ist.

Die Arbeit mit den indigenen Völkern Kanadas ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der ELKIK, richtig?

Ganz richtig. Wir müssen in unserem Streben nach Versöhnung und Heilung viel zuhören und lernen. Meine Gemeinde hatte einen Vertreter der indigenen Völker eingeladen, in unserer Gemeinde einen Vortrag zu halten, und wir haben zusammen mit lokalen ökumenischen Organisationen an einem so genannten „Blanket Exercise“-Workshop teilgenommen. Das ist eine interaktive Übung, bei der wir uns mit der Geschichte der Kolonisation in Kanada beschäftigen und die veranschaulicht, wie die indigenen Völker durch Landnahme, Krankheiten und Konflikte immer mehr verdrängt wurden.

Mit einer Gruppe junger Menschen bin ich zudem nach Ottawa gefahren, um an einer solchen „Blanket Exercise“-Übung vor dem Parlament teilzunehmen. Wir müssen lernen, genau zuzuhören, was die indigenen Völker uns sagen und was sie von uns fordern.

Wie und wann hat ihr Engagement beim LWB begonnen?

Als ich noch als Direktorin der für Public Policy und die kirchlichen Dienste zuständigen Abteilung der Östlichen Synode tätig war, wurde ich gebeten, Bischöfin Cindy Halmarson als Beraterin des LWB-Rats zu vertreten. Das war 2015. Und danach war ich zwei Jahre später Delegierte auf der LWB-Vollversammlung in Namibia.

Seither habe ich immer mehr über die Führungsstrukturen und die Arbeit des LWB gelernt und es war mir eine Ehre, Mitglied im Planungsausschuss für die Vollversammlung in Krakau zu sein. Ich berichte meiner Kirche immer wieder vom LWB und betone, dass wir Teil einer weltweiten Kirchengemeinschaft sind und die Arbeit zusammen erledigen müssen. Unsere Nationalbischöfin Susan Johnson hat auch ganz enorm dazu beigetragen, den Menschen den LWB näherzubringen.

Und zum Schluss: Was sind Ihre Hoffnungen für die kommenden Jahre als eine der sieben neuen LWB-Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten?

Unsere Aufgabe ist es, den Stimmen aus unseren jeweiligen Regionen zu lauschen und ihre Anliegen in den LWB zu tragen. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede und auch diese müssen im LWB Beachtung finden. Natürlich ist die Arbeit zur Versöhnung mit den indigenen Völkern und die Entkolonisierung ein wichtiger Aspekt dessen, worauf wir in Nordamerika hinarbeiten. Aber auch Gendergerechtigkeit ist in unseren Kirchen und Gesellschaften ein wichtiges Thema, denn wir wissen, dass geschlechtsspezifische Gewalt in der so genannten „Schattenpandemie“ deutlich zugenommen hat.

Des Weiteren ist auch das Engagement für generationenübergreifende Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung und wir müssen den Stimmen von jungen Menschen mehr Gehör verschaffen. Sie sind engagiert und glaubenstreu; sie setzen sich engagiert im Kampf gegen den Klimanotstand ein und sind bemüht, die Bedeutung und Lebendigkeit des Evangeliums zu bewahren. Für meine beiden Jungs – 22 und 23 Jahre alt – ist das sehr wichtig und ich bin sehr stolz auf unsere Synode, die meinen jüngsten Sohn gerade erst als neuen Direktor für die Öffentlichkeitsarbeit eingestellt hat. Es ist wichtig für alle jungen Menschen in unseren Kirchen, dass wir ihre Arbeit unterstützen und ihnen Führungsverantwortung übertragen.

LWB/P. Hitchen