Gewalt gegen Frauen ist alarmierend, Gemeinden können mehr tun
Moshi (Tansania)/Genf, 2. Juni 2015 (LWI) - „Sind wir als Kirchen manchmal unfähig, über Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu sprechen, weil wir sie selbst erfahren und ausüben?“ Diese und weitere Fragen stellte Dr. Musimbi Kanyoro, Vorstandsvorsitzende und Präsidentin der in den USA ansässigen internationale Stiftung für Frauen (Global Fund for Women) während ihrer Rede beim Treffen der afrikanischen lutherischen KirchenleiterInnen, das im tansanischen Moshi anlässlich des 60. Jubiläums der ersten panafrikanischen Versammlung der lutherischen Gemeinschaft stattfand.
Kanyoro, die in den späten 1980er und 90er Jahren die Abteilung Frauen in Kirche und Gesellschaft des Lutherischen Weltbundes (LWB) koordinierte, lobte den LWB für seinen Mut beim aktiven Eintreten für eine Veränderung in der Gesellschaft und in den Kirchen. „Jede und jeder von uns hier hat bereits erlebt, wie der LWB sich aktiv für theologische und soziale Fragen einsetzt“, sagte sie und erwähnte unter anderem das Engagement und aktive Eintreten gegen Apartheid, politischen Zwang und Unterdrückung, für Vertriebene, HIV und Aids.
„Es wird immer Probleme geben, die in der Öffentlichkeit Besorgnis auslösen“, sagte Kanyoro in ihrem Vortrag zum Thema „Rechtfertigung und öffentliche Verantwortung“. Sie ermutigte die Kirchen in der lutherischen Gemeinschaft, ihren Glauben weiterhin in die Tat umzusetzen, auch wenn es nicht immer Fortschritte gebe.
Kanyoro bekräftigte die Rolle des LWB bei der Befähigung der Kirchen, sich gemeinsam über eine inklusive Kirche für Männer und Frauen, für KlerikerInnen und für Laien auszutauschen. „Wir sehen ständig, wie Kirchen voneinander lernen und zudem ihre bilateralen und multilateralen Beziehungen pflegen“, sagte sie und bezog sich dabei auf die Frage der Frauenordination in einigen LWB-Kirchen.
„Es hat einige Zeit gedauert, bis Veränderungen wirksam wurden, doch sobald wir begannen, gemeinsam zu handeln, beeilten sich Kirchen unserer Gemeinschaft, auch diesen Weg der Veränderung zu gehen“, so Kanyoro. Als Beispiel nannte sie Frauenordinationen unter anderem in lutherischen Kirchen in den Vereinigten Staaten, in Finnland, Namibia und Tansania.
Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet
Kanyoro lobte den LWB und seine Kirchen für bedeutende Anstrengungen im Zusammenhang mit dem Problem der Gewalt gegen Frauen sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Dennoch müsse noch viel mehr getan werden. „Gewalt gegen Frauen und Mädchen in der heutigen Welt ist so weit verbreitet, dass es eine Schande für die Gesellschaft ist, und für uns in der Kirche gibt es keine Entschuldigung, das nicht zu unserem Thema zu machen“, betonte sie.
Globale Indikatoren bezüglich der Verbreitung und der Auswirkungen solcher Gewalt zeigten, dass „der gefährlichste Ort für eine Frau ihr eigenes Zuhause ist“, in der Hand eines vertrauten männlichen Partners, sagte Kanyoro. Sie beschrieb die Tatsache, dass „mehr als jede dritte Frau dieser Erde bereits Opfer physischer und/oder sexueller Gewalt geworden“ sei als „erschütternd“. Die persönliche Tragödie und das menschliche Leid sowie die enormen sozialen und wirtschaftlichen Kosten, die mit dieser Gewalt verbunden seien, hätten nachhaltige Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft.
Ebenso alarmierend sei die Anzahl der Frauen, die weltweit Opfer von Menschenhandel und als Arbeitskräfte versklavt würden. Kanyoro zitierte Statistiken der Vereinten Nationen, laut derer Frauen und Mädchen 55 Prozent der geschätzten 20,9 Millionen Menschen ausmachen, die weltweit Opfer von Menschenhandel und als Arbeitskräfte versklavt werden. Im Falle sexueller Ausbeutung handelt es sich sogar bei 98% der geschätzten 4,5 Millionen davon betroffenen Menschen um Frauen. Hinzu kommen weitere Formen der Gewalt gegen Frauen, darunter die extremste: der Femizid, bei dem Frauen und Mädchen lediglich aus der Tatsache heraus getötet werden, dass sie weiblich sind.
Glaube fordert Taten von den Kirchen
Kanyoro betonte, die Kirchen und ihre Gemeinden hätten die fachliche Kompetenz, um den Schmerz in unseren Gemeinden zu begreifen, und sie sollten somit bestrebst sein, geschlechtsbedingte Ungleichheiten zu korrigieren, die Menschenrechte aller Menschen ohne Ausnahme zu respektieren, Konflikte und Kriege zu verhindern, Gewalt zu beenden und eine faire und gerechte Welt zu schaffen.
Glauben ohne Handeln gibt den Menschen keine Hoffnung, so Kanyoro. Sie forderte die mehr als 200 Kirchendelegierten bei der Konferenz auf, „die Kanzel weiterhin zu nutzen, um zu lehren, wie unsere Gemeinschaften aussehen sollten“ und Menschen dabei zu helfen, das Bild Gottes in jedem leidenden Menschen zu sehen.
„Meine Hoffnung ist, dass wir niemals müde werden, unsere Verantwortung zu übernehmen, präsent zu sein und im richtigen Moment zu handeln, um die Probleme unserer Zeit anzugehen. Wir werden durch den Glauben gerechtfertigt und an unsere Verantwortung erinnert“, fügte sie hinzu.
(Beitrag von Afram Pete, regionaler Koordinator des afrikanischen lutherischen Kommunikations- und Informationsnetzwerks)