Kenia: Selbstloser Dienst an vorderster Front

15 Aug. 2019
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Sarah Ewoi (r.), die für den LWB in Kenia tätig ist, ist eine von vielen Frauen, die in diesem Jahr als „Women Humanitarians“ im Mittelpunkt des Welttages der humanitären Hilfe stehen. Foto: LWB

Sarah Ewoi (r.), die für den LWB in Kenia tätig ist, ist eine von vielen Frauen, die in diesem Jahr als „Women Humanitarians“ im Mittelpunkt des Welttages der humanitären Hilfe stehen. Foto: LWB

Sarah Ewoi unterstützt Flüchtlinge aus dem Südsudan

Nadapal, Kania/Genf (LWI) - Die 46-jährige Sarah Ewoi ist Mutter von vier Kindern. Sie arbeitet für den Weltdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) im Nadapal-Transitzentrum in Kenia. Das Zentrum liegt direkt an der Grenze zum Südsudan und ist die erste Anlaufstelle für die Bürgerkriegsflüchtlinge. Als Sozialarbeiterin empfängt sie dort an manchen Tagen mehrere hundert Menschen, die vor Gewalt und Hunger geflohen sind. 

Ewoi spricht elf Sprachen – Englisch, Suaheli, Turkana, Arabisch, Tira, Toposa, Jie, Dinka, Didinga, Logir und Französisch –, die sie größtenteils während ihrer Arbeit in Kenia, im Sudan und im Südsudan erlernt hat. Ihr Engagement in der humanitären Arbeit begann vor 16 Jahren. Anlässlich des Welttages der humanitären Hilfe am 19. August erzählt sie, was sie täglich erlebt. 

Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag für Sie aus?  

Ich melde mich um 8 Uhr im Büro zum Dienst. Zunächst beaufsichtige und kontrolliere ich die Reinigungsarbeiten im Transitzentrum. Dann beginne ich meinen Tag mit psychosozialen Begutachtungen von Neuankömmlingen und erkläre ihnen, was von den Flüchtlingen und Asylsuchenden während ihres Aufenthalts in Nadapal erwartet wird. Ich kläre sie über ihre Rechte auf und darüber, worauf sie Anspruch haben. Ich leiste psychosoziale Ersthilfe für Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt und erstelle und versende täglich Berichte. Besonders gefällt mir an dieser Arbeit, dass ich täglich Menschen ganz konkret helfen kann. 

Wie schaffen Sie es, mit Kindern in Kontakt zu treten, insbesondere den unbegleiteten Minderjährigen, die im Transitzentrum ankommen? 

Ich kann ihre Sprache sprechen, dadurch baut man schnell eine Verbindung auf und ich gewinne ihr Vertrauen. Und natürlich hilft es, dass ich selbst Mutter bin, so kann ich ein vertrautes Umfeld für sie schaffen. 

Hat es in Nadapal eine bestimmte Begegnung gegeben, die Sie besonders berührt hat? 

Ja. Ich bin einmal einem 14-jährigen Mädchen begegnet, das von zuhause weggelaufen ist, weil ihre Eltern sie mit einem 50-jährigen Mann verheiraten wollten. Als sie sich weigerte ihn zu heiraten, war sie von ihrem Vater körperlich misshandelt worden; ihr Körper war voller Wunden. Sie ist dann weggelaufen. Fünf Tage lang war sie ohne Essen und Trinken zu Fuß unterwegs. Die Nächte verbrachte sie im Busch, bis sie hier im Transitzentrum angekommen ist. Wir konnten ihr helfen, wir kümmern uns um sie. Sie besucht nun wieder die Sekundarschule und möchte später einmal Anwältin für humanitäres Völkerrecht werden. 

Wie schaffen Sie es als humanitäre Helferin Ihr Engagement für die Flüchtlinge und für Ihre eigene Familie zu vereinbaren? 

Ich bekomme Ruhe- und Erholungszeiten und alle acht Wochen habe ich Heimaturlaub. Dadurch ist sichergestellt, dass ich ausreichend Zeit habe, um mich auszuruhen, mich zu erholen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich danke Gott für meinen Mann, der mich sehr unterstützt, und für meine guten Familienstrukturen, denn meine Familie kümmert sich oftmals um meine Kinder, wenn ich weg bin. Als Mutter ist es immer schwer, von den eigenen Kindern getrennt zu sein, aber in der Regel rufe ich sie jeden Tag an und erkundige mich, wie es ihnen geht. Wir machen am Telefon zusammen Hausaufgaben und wir genießen die gemeinsame Zeit, wenn ich zuhause bin. 

Was bedeutet es für Sie, in der humanitären Hilfe tätig zu sein? 

Ich bin der festen Überzeugung, dass Flüchtlinge Hilfe und Unterstützung brauchen, damit sie ein neues Leben beginnen können. Meine Aufgabe ist es, ihnen Hoffnung und eine Zukunft zu schenken. Hier in Nadapal geraten wir oft zwischen die Fronten von Rinderhirten auf der einen und Sicherheitsbehörden auf der anderen Seite. Das macht mir oft große Angst und ich denke dabei immer an meine Kinder. Aber es hält mich nicht davon ab, den Flüchtlingen zu helfen, denn wenn es andersherum wäre und wir vor einem Krieg fliehen müssten, würde ich ja auch wollen, dass jemand alles menschenmögliche tut, um uns aufzunehmen, uns zu beschützen und uns dabei zu helfen, uns wieder ein Leben aufzubauen. 

Was für einen Ratschlag würden Sie anderen Frauen geben, die sich in der humanitären Hilfe engagieren? 

Ich würde mir wünschen, dass wir Frauen, die wir uns in der humanitären Hilfe engagieren, in unserer Arbeit an vorderster Front weiterhin Hoffnung und mütterliche Zuwendung schenken können. Wir sind die Mütter und Stützpfeiler in der Welt. 

Ich würde mir wünschen, dass meine Erfahrungen und meine Geschichte von Durchhaltevermögen und Resilienz andere Frauen in der ganzen Welt inspiriert. Wenn wir heute der Menschen gedenken, die im Rahmen ihres humanitären Engagements ihr Leben gelassen haben, wünsche ich mir, dass wir noch stärker werden und noch engagierter rausgehen und Leben retten. 

 
Ein Beitrag von Yvonne Baraza, LWB Kenia, übersetzt und redigiert vom Kommunikationsbüro des LWB.

 

 

 

LWF/OCS