Kolumbien: „Vor Gott sind alle Menschen gleich“

12 Aug. 2022

Interview mit Elizabeth Arciniegas, Koordinatorin für Gendergerechtigkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens

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Elizabeth Arciniegas

Elizabeth Arciniegas, Koordinatorin für Gendergerechtigkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens . Foto: IELCO

(LWI) - Elizabeth Arciniegas, Evangelisch-Lutherische Kirche Kolumbiens (IELCO), ist eine von drei Koordinatorinnen des Netzwerks für Frauen und Gendergerechtigkeit der Region Lateinamerika und Karibik (LAC), zusammen mit Ángela Trejo Hager, Mexikanische Lutherische Kirche, und Ofelia Dávila, Lutherische Kirche Perus. 

In diesem Interview spricht Arciniegas darüber, wie sie in der Schrift Kraft für ihre Arbeit findet und fordert die gesamte Kirche auf, sich für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung der Frauen einzusetzen.  

Was für eine religiöse bzw. glaubensbezogene Bildung erhielten Sie in Ihrer Kindheit? 

Ich wurde in El Cocuy, einer kleinen Stadt im Norden vom Boyacá, geboren. El Cocuy ist einer der ersten Orte, die von christlichen Missionaren besucht wurden. Ursprünglich waren die Missionare katholisch und die Staatsreligion war bis zu der Zeit der politischen Gewalt in Kolumbien während der 1940er Jahre auch katholisch. In dieser Zeit wurden Protestantinnen und Protestanten, wie die evangelischen Christinnen und Christen genannt wurden, verfolgt. Da meine Eltern beide protestantisch waren und liberale politische Ansichten vertraten, wurde ihr Haus niedergebrannt, als ich jung war. 

Oft denkt man an diesen Zeitraum der Geschichte als Zeit der politischen Unruhe, aber es gab auch religiöse Aspekte, die nicht so hervorgehoben werden.  

Die religiöse Ungleichbehandlung ging so weit, dass Protestantinnen und Protestanten eigene Friedhöfe und Schulen hatten. Aus diesem Grund ging ich zu einer evangelischen Schule, da ich in einer staatlichen Schule Schwierigkeiten bekommen hätte. Ich wäre schikaniert worden, weil ich keine Asche auf der Stirn gehabt oder die katholischen Gebete nicht gekannt hätte.   

Eine meiner frühesten und schönsten Erinnerungen ist die an einen lutherischen Missionar, einen Pastor, der hinter unserem Haus lebte; er hatte einen grünen Truck, um seine Gemeindemitglieder zu besuchen. 

Wie sieht die Situation im Hinblick auf die Religion heute aus?   

In der heutigen Zeit sieht die Verfassung keine Staatsreligion vor.   

Gott sei Dank können wir heute frei entscheiden, wie und wo wir Gottesdienst halten möchten. Es ist viel einfacher als in meiner Kindheit. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Kolumbiens bildet gewissermaßen eine Brücke für die ökumenischen Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft. In vielerlei Hinsicht besteht ein Großteil unserer Arbeit als Kirche darin, die Beziehungen mit unseren Brüdern und Schwestern in der katholischen Kirche und in anderen Glaubensgemeinschaften zu versöhnen.  

Erzählen Sie uns von der Arbeit der ordinierten Frauen und der Laiinnen in der Kirche.  

Seit 1983 ordiniert die Lutherische Kirche Kolumbiens Frauen; Pastorin Consuelo Preciado war die erste Frau, die von unserer Kirche für das Amt des Wortes und der Sakramente ordiniert wurde. Die Ordinierung von Frauen ist nicht nur wichtig, um Zahlenvorgaben und Quoten zu erfüllen oder um zu zeigen, dass das, was wir glauben, theologisch gesehen richtig ist, sondern auch um einen umfassenderen und größeren Raum im Leben der Menschen, der Mitglieder der Kirche, einzunehmen. Gott sei Dank sind wir auf diesem Weg schon weit gekommen. Ich hoffe, dass mehr Frauen sich dafür entscheiden werden, Theologie zu studieren und den Glauben weiterzuverbreiten, denn das ist auch sehr wichtig im Leben der Kirchengemeinde. Wenn Sie zum Beispiel eine Pastorin haben, mit der Sie reden können, mit der Sie sich gut unterhalten können, dann gibt das Frauen das Selbstvertrauen zu sprechen.  

Als Laiin in einer Leitungsposition verweise ich auf die Worte des Paulus.  Wenn er sagt, „in Christus gibt es weder Mann noch Frau, weder Jude noch Grieche, denn in Christus sind wir alle neu erschaffen nach seinem Bild, Söhne und Töchter Gottes “, macht mir das Mut. In Kolumbien sind viele Frauen an der Laienleitung beteiligt, sei es bei der Ausbildung, bei der Leitung der theologischen Schule oder bei der Koordinierung von Projekten und Programmen, um nur einige Bereiche zu nennen.  

Wer sind die Kirchenakteure bei der Gendergerechtigkeit?  

Gendergerechtigkeit wird es erst dann geben, wenn alle Menschen erkennen, dass einige Menschen des Leibes Christi ihre Privilegien aufgeben müssen, so dass sich die anderen weniger privilegierten Menschen am Werk Gottes beteiligen können. Die Gendergerechtigkeitsbewegung hat Barrieren und Hindernisse erkannt, die wir überwinden müssen, und nun nutzen wir dieses Wissen als Instrument, um jene Barrieren nach und nach zu beseitigen. Manchmal werden wir bei dieser Aufgabe stolpern und hinfallen, aber wir stehen wieder auf und machen weiter. Wenn sowohl Männer als auch Frauen diese Barrieren erkennen, können wir gemeinsam vorangehen und für alle diesen Weg ebnen. Die Apostelgeschichte lehrt uns, „dass Gott die Person nicht ansieht“.

Was bedeutet es für Ihre Kirche, für Ihre Arbeit, für Sie, Teil der Kirchengemeinschaft zu sein? 

Teil der Kirchengemeinschaft zu sein, bedeutet, dass ich zusammen mit anderen in Solidarität vorangehe; ich kümmere mich um sie und sie kümmern sich um mich - wie ein Leib. 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.

LWF/A. Gray