Theologie, Technologie und das Potenzial des Networking
Humanitäre und EntwicklungshelferInnen, TheologInnen und WissenschaftlerInnen diskutierten im Rahmen des vom Lutherischen Weltbund (LWB) organisierten Symposiums zum Thema Arbeit darüber, wie durch Koordination und Networking die Effizienz einer Organisation verbessert werden kann.
Während des von der LWB-Abteilung für Theologie und Öffentliches Zeugnis (ATÖZ) koordinierten Symposiums wurde betont, dass zwar kein allgemein gültiger Ansatz dafür existiere, auf welche Weise eine Organisation gute Ergebnisse erzielen kann, jedoch anhand festgelegter Normen zur Koordination von Planung und Tätigkeiten durchaus effizienter und kostengünstiger gearbeitet werden könne und gleichzeitig Raum dafür bestehen bleibe, von den verschiedenen Beitragsleistenden zu lernen.
„Ein Mangel an Koordination würde dazu führen, dass den Beteiligten kein Raum zur Diskussion oder zur Abwägung der unterschiedlichen Ziele und Alternativen zur Verfügung stünde. Letztendlich nähme der ganze Prozess mehr Zeit in Anspruch, als die Beteiligten erwartet haben oder als sie zu investieren bereit sind“, erklärte Dr. Julia Fleischer den Teilnehmenden des Symposiums, das am 1. Mai im Ökumenischen Zentrum in Genf stattfand.
In ihrer Eröffnungsrede erklärte die Dozentin für Politikwissenschaften an der Universität Amsterdam (Niederlande), AkademikerInnen und Praktizierende weltweit legten aufgrund der immer komplexeren Vorgänge der Entscheidungsfindung zunehmend Wert auf Koordination. Sie sprach über die Vor- und Nachteile der Koordination, über Modelle organisatorischer Strukturen und die Wahrnehmung der Beteiligten, die von ihrem eigenen Kompetenzbereich und ihrer Weltanschauung beeinflusst werden.
Für religiöse Organisationen, an denen Menschen aus unterschiedlichen Kontexten beteiligt sind und die eine Vielzahl an Zielen haben, beispielsweise Fragen der Diakonie, der humanitären Hilfe, des Umweltschutzes, der Gleichstellung der Geschlechter und der Gerechtigkeit, könne Koordination zu unklaren und kontroversen Auffassungen hinsichtlich der Vorteile unterschiedlicher Programme und „Technologien“ führen, erklärte Fleischer. Den Begriff Technologien bezog sie dabei auf die Methoden, die verwendet werden, um die angestrebten Ziele zu erreichen.
In vielen Institutionen oder Situationen, schloss Fleischer, könne Koordination schwierig sein, sie sei jedoch „absolut unverzichtbar“, da sie die Grundvoraussetzung für schlüssige Entscheidungsprozesse und eine Konsensbildung mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen darstelle.
Der Geist des Lebens
Der reformierte Schweizer Theologe Pfr. Dr. Jean-Pierre Thévenaz, Mitbegründer des Netzwerks „Church Action on Labour and Life“ (CALL), sprach über die enge Verflechtung von Arbeit und dem „dem Geist des Lebens“. Die Koordination der Arbeit, erklärte er den Teilnehmenden des Symposiums, „muss daran ausgerichtet sein, wie wir das Leben in den verschiedenen Phasen von der Geburt über die Ausbildung und sogar bis hin zum Tod wahrnehmen. Wir müssen aus der Perspektive Gottes darüber nachdenken, den wir in uns tragen und der uns dabei hilft, alles zu erreichen.“
Auf die Frage, ob die heutige theologische Ausbildung die Koordinationsaufgabe für das „gemeinsame Leben“ fördere, erklärte Thévenaz eindringlich: „Unsere Untersuchungen lassen dieses gemeinsame Leben aussen vor und sind auf das Leben innerhalb der Kirche beschränkt, was der Kirche wenig dienlich ist, wenn sie sich an der öffentlichen Debatte beteiligen möchte. Wir brauchen Pfarrerinnen und Pfarrer, die in der Lage sind, an Orten zu sprechen, an denen die Kirche sich selbst wiederfindet.“
Neue Medien, Macht und Leistung
In seiner Präsentation über Koordination in der weltweiten Kirche und die digitale Revolution erörterte Pfr. Roger Schmidt die Möglichkeiten, die der weltweiten Kirche zur Nutzung der modernen Technologien zur Verfügung stehen, um so die Christinnen und Christen an einem bestimmten Ort mit ChristInnen aus aller Welt miteinander in Kontakt zu bringen.
Schmidt, Geschäftsführer des schweizerischen Vereins „Digital Encounters“, rief kirchliche Organisationen dazu auf, intelligente, digitale Anwendungen zu nutzen, um ihre lokal gewonnen Erkenntnisse der gesamten christlichen Gemeinschaft zugänglich zu machen, damit die ChristInnen in ihrem jeweils lokalen Kontext die Wirklichkeit der weltweiten Kirche kennenlernen können.
Es gebe unterschiedliche religiöse Erzählungen, die kirchliche Organisationen dabei unterstützen könnten, die positiven wie negativen Aspekte der Koordination zu erfassen, erläuterte Pfarrerin Dr. Simone Sinn, LWB-Studienreferentin für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen in der ATÖZ. In ihrer Präsentation zu religiösen und theologischen Hilfsmitteln für Koordination hob sie den Einfluss dreier grosser Machtdimensionen hervor: der Wunsch, allmächtig zu sein (Hybris), die Herrschaft über andere (Asymmetrie) und Macht ohne die anderen (Unfriede).
Der Sinn von Koordination, betonte Sinn, beinhalte auch „Macht, bei dem andere im Mittelpunkt stehen. Die Ergebnisse der Koordination sind Zusammenarbeit und Stärkung. Es geht nicht um grenzenlose Macht, sondern um Macht im Hinblick auf die gemeinsame Aufgabe und darauf, wer wir sind.”
Simangaliso Hove, Referentin für Programm- und Projektkoordination in der LWB-Abteilung für Mission und Entwicklung, erörterte, weshalb eine Organisation Leistung über Koordinationssysteme messen und regeln muss. „Es ist wichtig, sich Arbeitsvorgänge genauer anzusehen und zu bewerten, ob sie effizienter strukturiert werden können, insbesondere dann, wenn die Gelder knapp sind. Durch Management-Systeme wird für [die Mitarbeitenden] ausserdem der Wert ihres eigenen Beitrags sichtbarer.“
Humanitäre Hilfe
Über die Abteilung für Weltdienst arbeitet der LWB mit den Sonderorganisationen der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe in verschiedenen Teilen der Welt zusammen.
Konkrete Beispiele von Pascal Daudin vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und von Brian Lander vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) machten deutlich, wie bestimmte lokale Gegebenheiten eine weltweite Koordination erforderlich machen. Es wurde über die verschiedenen Schwierigkeiten gesprochen, auf die die UNO und andere humanitäre Partnerorganisationen bei ihren Bemühungen stossen, Menschen in Krisengebieten mit rechtzeitiger und gezielter Hilfe zu unterstützen.
Rund 30 TeilnehmerInnen, vorwiegend Mitglieder von Organisationen im Ökumenischen Zentrum, nahmen an dem dritten LWB-Symposium aus einer Reihe theologischer Seminare zum Thema Arbeit und Glaube teil, die die LWB-Abteilung für Theologie und Öffentliches Zeugnis seit 2011 organisiert. Die Themenschwerpunkte der vorherigen Seminare lauteten „Vertrauen am Arbeitsplatz“ und „Würde der Arbeit“. Aus Letzterem ging die LWB-Dokumentation mit dem Titel „Würde der Arbeit – theologische und interdisziplinäre Perspektiven“ (2011) hervor.
„Die interdisziplinäre Natur der Koordination erfordert eine kritische Analyse unseres gemeinsamen Lebens bei der Arbeit. Mit einer besseren Koordination können wir mehr schaffen“, sagte Pfr. Dr. Kenneth Mtata, ATÖZ-Studiensekretär für Lutherische Theologie und Praxis, der die Symposien koordiniert, abschliessend.