LWB verabschiedet Grundsätze zur Gendergerechtigkeit

24 Juni 2013
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LWB/ATÖZ-Direktorin Pfarrerin Dr. Kaisamari Hintikka, Ausschussvorsitzender Bischof Dr. Miloš Klátik © LWB/Maximilian Haas

LWB/ATÖZ-Direktorin Pfarrerin Dr. Kaisamari Hintikka, Ausschussvorsitzender Bischof Dr. Miloš Klátik © LWB/Maximilian Haas

Würde und Gerechtigkeit für alle Menschen wahren

(LWI) Der Lutherische Weltbund (LWB) hat ein umfassendes Grundsatzpapier zur Verwirklichung von Gendergerechtigkeit verabschiedet, das zur Verwirklichung integrativer und tragfähiger Gemeinschaften, Kirchen und Programme in der gesamten weltweiten Kirchengemeinschaft auffordert.

Der LWB-Rat, Entscheidungsgremium der Organisation, bestätigte das Dokument am 18. Juni im Rahmen seiner Tagung in Genf (Schweiz). Es stützt sich auf mehrjährige Studienarbeit und Beratungen unter Einbeziehung der gesamten Kirchengemeinschaft.

Auf der Grundlage von Empfehlungen, die der Ausschuss für Theologie und ökumenische Beziehungen dem Rat vorgelegt hatte, sprach er sich für die Umsetzung der Grundsätze des LWB zur Gendergerechtigkeit auf der Ebene der regionalen Ausprägungen und Mitgliedskirchen des Weltbundes aus, in der Erwartung, dass eine methodische Anpassung an den jeweiligen Kontext vor Ort stattfindet. Der Generalsekretär wurde beauftragt, über die Umsetzung in der Kirchengemeinschaft Bericht zu erstatten.

Der den Grundsätzen zugrunde liegende theologische Ansatz stützt sich auf das Konzept Gerechtigkeit, das eingebettet ist in die in der Bibel wie der lutherischen Theologie verankerte Idee von der Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben. Das Papier betont den Aspekt der Gerechtigkeit als prophetische Ankündigung und als Grundlage, auf der Wandel herbeigeführt und die Würde aller Menschen gewahrt werden kann.

Gendergerechtigkeit drückt sich aus in der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und in ausgewogenen Machtverhältnissen zwischen beiden Geschlechtern. Sie verwirklicht sich, wo institutionelle, kulturelle und zwischenmenschliche Privilegierungs- und Unterdrückungssysteme überwunden werden, die Diskriminierung fortschreiben, so die Position des Papiers.

Die neuen Grundsätze sprechen sich dafür aus, Gendergerechtigkeit zu fördern als Teil des theologischen Fundaments für die Verkündigung von Würde und Gerechtigkeit für alle Menschen. Weiterhin fordern sie die Unterstützung von Frauen ein, da damit wesentlich beigetragen werden kann zur gerechteren Verteilung von Besitz und zur Verhinderung genderspezifischer Gewalt.

„Die Kirchengemeinschaft ist berufen, durch ihr Leben und Wirken in Christus Unrecht und Unterdrückung entgegenzutreten und gewandelte Realitäten, Gemeinschaften guten Lebens mit gendergerechten Beziehungen zu schaffen, die alle Menschen fördern und ihr Gedeihen bewirken“, so die Grundsätze.

Werkzeug für Gemeinden

„Die Grundsätze sollen als Werkzeug für die Kirchengemeinschaft, ihre Mitgliedskirchen, Gemeinden, Gruppen und Organisationen dienen, mit dem die Gleichstellung von Frauen und Männern herbeigeführt wird durch die Umsetzung kontextualisierter Massnahmen, die Gerechtigkeit und Würde befördern“, heisst es weiter in dem Dokument.

Das Dokument stellt fest, die Beteiligung von Frauen am ordinierten Amt stelle einen zentralen Schritt zur Schaffung einer integrativen Kirchengemeinschaft dar, drängt jedoch auch auf die vollumfängliche Teilhabe von Frauen wie Männern in Entscheidungsgremien. Die Grundsätze verweisen darauf, dass Ende 2012 nahezu 82 Prozent aller LWB-Mitgliedskirchen Frauen ordinierten, bei 18 Prozent stand die Frauenordination noch aus.

„Die Kirche stellt sich noch nicht in vollem Umfang der Problematik, dass Gendersysteme und -beziehungen die einen privilegieren, während sie anderen Unterdrückung und Leid zufügen und damit unser Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft beeinträchtigen“, betont das Papier.

Die Grundsätze sind im Kontext des diakonischen Dienstes des LWB in der Welt zu verstehen, der den gleichen Wert aller Menschen betont, einschliesslich der Förderung und Einbindung von Frauen in Leitungsverantwortung und Mitwirkung.

„Die Erfahrungen, die im diakonischen Einsatz für die Rechte der Armen und Unterdrückten gesammelt wurden, liefern die praktische Grundlage für das konzeptuelle Verständnis des Begriffs Gerechtigkeit auf allen Ebenen und in allen Beziehungen, insbesondere in den Genderbeziehungen“, erläutern die Grundsätze zur Gendergerechtigkeit.

Biblische Aspekte

Das Papier ruft dazu auf, die Auslegung bestimmter Bibelstellen zu hinterfragen, die einer Ungleichbehandlung der Geschlechter das Wort zu reden scheinen.

„Die Frage der Gendergerechtigkeit hat theologische Grundlagen im biblischen Zeugnis und der christlichen Tradition. Diese theologische und biblische Tradition kann zwar dergestalt verstanden werden, dass sie die Zusammenarbeit von Männern und Frauen in unterschiedlichen Aspekten von Leitungsverantwortung in der Welt befürwortet, diese Konsequenz wird jedoch im Allgemeinen im Kontext von Familie, Kirche und öffentlichem Raum nicht in vollem Umfang gelebt.

Frauen sind häufig unverhältnismässig mit häuslicher Verantwortung belastet, von der Leitungsverantwortung im geistlichen Amt ausgeschlossen und werden nicht ermutigt, im öffentlichen Raum Führungsrollen wahrzunehmen“, so die Grundsätze.

„Es sollte ein Dialog gefördert werden, der sich mit Genderfragen auseinandersetzt bzw. zu ihrer Reflexion hinführt und der auf Veränderungen im Sinne einer gendergerechten Praxis hinwirkt, mit der patriarchalische und der Teilhabe aller entgegenstehende Werte in Kirchen und Gesellschaften hinterfragt werden.“

Leitungsverantwortung und Entscheidungsfindung

Das Dokument betont die entscheidende Bedeutung gleicher Chancen von Frauen und Männern zur vollen Teilhabe an Leitungsverantwortung und Entscheidungsprozessen in Kirche und Gesellschaft: „In ihren Werten und ihrer Praxis kann und muss die Kirche ein Beispiel geben und damit zeigen, dass ihr Handeln im Einklang steht mit ihrer prophetischen Verkündigung.“

Das LWB-Grundsatzpapier stützt sich auf vielfältige Beschlüsse, mit denen die LWB-Vollversammlungen im Lauf der Jahre die Leitungscharismen von Frauen gewürdigt und sich für integrative Strukturen und Leitungsformen ausgesprochen haben.

„Machen wir uns die volle Teilhabe und gleichberechtigte Vertretung von Frauen und Männern in Führungsrollen zu eigen, so ist dies ein Zeichen der kontinuierlichen Reformierung und Wandlung der Kirche.“

Schliesslich ruft das Papier dazu auf, das Schweigen über genderbezogene Gewalt zu brechen: „Genderbezogene Unterdrückung und Gewalt, egal wie normativ, von der Tradition begründet oder allgemein akzeptiert sie im jeweiligen Kontext sein mögen, sind ein Verbrechen und eine Sünde. Genderbezogene Unterdrückung und Gewalt stehen im Widerspruch zum Evangelium.“

Die endgültige Fassung der Grundsätze des LWB zur Gendergerechtigkeit wird ab Anfang September (in englischer Sprache) auf der LWB-Website abrufbar sein.

 

LWF Communication