Gressier, Haiti/Genf, 13. Januar 2015 (LWI) – Eine 22-köpfige Gruppe von Studierenden des US-amerikanischen Luther College hat jüngst das vom Lutherischen Weltbund (LWB) geschaffene Modelldorf in Gressier (Haiti) besucht.
Seit dem Erdbeben, das Haiti im Januar 2010 heimsuchte und über 200.000 Menschenleben forderte, mehr als 300.000 Gebäude beschädigte oder zerstörte und 1,5 Millionen Menschen obdachlos machte, kooperiert das LWB-Programm in dem karibischen Land mit verschiedenen Partnern bei der Verwirklichung von Projekten in den Bereichen Wiederaufbau, Katastrophenverminderung und Umweltsanierung. Das Modelldorf liegt in Gressier, wenige Kilometer westlich von Port-au-Prince, wo das Erdbeben die schlimmsten Schäden verursacht hat. 150 Familien, die ihre Bleibe verloren, haben sich hier ein neues Leben aufbauen können. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (ELKA) hat das Projekt unterstützt.
Diese Verbindung war der Anlass, der den Studierenden im Rahmen eines Kurses zum Thema Grenzen, Migration und Identität eine Reise in die Karibik bescherte. Der Besuch des von ihrer Kirche finanzierten Projekts gab ihnen Einblicke in von Naturkatastrophen sowie sozioökonomischen und politischen Krisen verursachte Migrationsbewegungen. Zum Teil waren auch persönliche Zugänge und Beziehungen zu dem Land im Spiel. „Mein Vater kommt aus Haiti“, erklärte etwa Iloria, eine der Studierenden. „Ich wollte das Land kennenlernen, denn ich habe schon so viel darüber gehört und war noch nie selbst hier.“
Clinton aus Ghana war besonders an den Ähnlichkeiten zwischen karibischen und afrikanischen Kulturen interessiert. George, der am Luther College Betriebswirtschaftslehre studiert, hat sich schon vorher ausführlich mit Investitionen und Projekten in Haiti befasst.
Wissensvermittlung statt Abhängigkeit
Das Modelldorf Gressier wurde mit dem Grundsatz konzipiert, die zerstörten Gebäude durch verbesserte Nachfolgebauten zu ersetzen. So haben die Menschen jetzt nicht nur neuen Wohnraum, ihre Häuser sind auch hurrikanfest und sollen zukünftige Naturkatastrophen besser überstehen. Neben den Wohnhäusern gibt es in dem neuen Dorf auch Regenwasserabflusskanäle, Stützmauern, ein Abwassersystem, eine Müllsammelstelle, Sonnenkollektoren, ein Gemeindezentrum, einen Spielplatz und eine befestigte Zufahrtsstrasse. 2013 zogen in das Dorf auf der Grundlage einer Miteigentümerschafts-Vereinbarung die ersten Familien ein.
Die Studierenden konnten die neue Infrastruktur besichtigen. Darüber hinaus sprachen sie mit einer Bewohnerin des Dorfes darüber, wie sie das Erdbeben erlebte und wie sie nach Gressier kam.
Seit Eröffnung des Modelldorfs unterstützt der LWB die BewohnerInnen beim Aufbau eines tragfähigen Gemeinwesens. So wurden Seminare angeboten, bei denen Leitungskompetenzen und Verwaltungskenntnisse sowie die der Miteigentümerschaft zugrundeliegenden Regeln vermittelt wurden und es wurden einkommenschaffende Massnahmen aufgelegt. „In unserem Kurs haben wir darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Menschen Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, anstatt sie in Abhängigkeit zu halten“, schrieben zwei Mitglieder der Besuchsgruppe, Alahna Keil und Elizabeth Hardy, später in einem Blogbeitrag. Die Studierendengruppe überreichte zudem eine Spende an das Dorf.
„Wir hatten einerseits Gelegenheit, bei unserem Besuch im Dorf viel zu lernen, gleichzeitig gab es aber auch Raum für Spiel und Austausch mit den Einheimischen“, so das Fazit. „Trotz der Hitze fand ein internationales Fussballspiel statt, das das Team des Luther College verloren hat. Quinn hat ihnen auch den American Football nahegebracht – es war wunderbar zu sehen, wie die Kinder einen neuen Sport entdeckten.“
Die Studierenden schliessen: „Insgesamt hat uns die gute Organisation und die Sauberkeit im Dorf beeindruckt, genauso wie die Freundlichkeit der Menschen dort. Für uns beide war das der bisher schönste Tag unserer Reise.“
(Mit Beiträgen von Helene Branco, LWB-Haiti.)