Tschad: Sudanesische Geflüchtete brauchen mehr Unterstützung

Mehr als 700.000 sudanesische Geflüchtete haben im Tschad Schutz gesucht und hoffen auf ein sicheres Leben. Der LWB stellt die Wasserversorgung sicher, errichtet Notunterkünfte und leistet Soforthilfe – allerdings führen begrenzte Ressourcen und Mittel dazu, dass viele Menschen um ihr Überleben kämpfen.

20 Dez. 2024
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„Ich habe das Schlimmste gesehen“: Nawala Ateib Mahamat (gelbes Kleid) mit ihrer Schwester und deren Kindern in ihrem Haus im Flüchtlingslager. Foto: LWB/C. Kästner-Meyer

„Ich habe das Schlimmste gesehen“: Nawala Ateib Mahamat (gelbes Kleid) mit ihrer Schwester und deren Kindern in ihrem Haus im Flüchtlingslager. Foto: LWB/C. Kästner-Meyer

Der LWB verteilt im Osten des Tschad Hilfsgüter und sorgt für die Wasser- und Sanitärversorgung

(LWI) – „Wir wollen Sicherheit und Frieden!“ Den Frauen, die sich unter einen Baum in Adré im Tschad gesetzt haben, sieht man ihre Erschöpfung an. Sie sind am Morgen aus Darfur im Sudan nach einem tagelangen Fußmarsch hier angekommen. Ihre Kinder sitzen apathisch neben ihnen. Aziza Harun aus Al Geneina hat in dem Konflikt, der seit April 2023 im Sudan tobt, ihren Ehemann, einen Schwager und ihren Großvater verloren. Andere Frauen in der Gruppe kommen aus al-Faschir und waren die ganze Nacht unterwegs, um tagsüber auf der Straße nicht angegriffen zu werden. An einem Morgen im Dezember 2024 haben sie die Grenze zum Tschad überquert. 

Aziza Harun, ihre Familie und ihre Begleitung gehören zu den mehr als 3 Millionen Menschen, die seit der letzten Eskalation vor der Gewalt aus dem Sudan geflohen sind. Mehr als 700.000 sind in den Tschad gekommen und haben Zuflucht in Dutzenden von Geflüchtetencamps in den östlichen Provinzen des Landes gefunden. Viele von ihnen sind Frauen, Kinder oder ältere Menschen. Die Aufnahmegemeinschaften und Hilfsorganisationen können nur unter großen Schwierigkeiten Unterkünfte und Nahrungsmittel für diese Menschen organisieren, die oft nur mit den Kleidern am Leib ankommen und von Erinnerungen an Gewalt und Tod traumatisiert sind. 

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Flüchtlingslager Arkoum, in dem der LWB tätig ist. Foto: LWB/C. Kästner-Meyer

Flüchtlingslager Arkoum, in dem der LWB tätig ist. Foto: LWB/C. Kästner-Meyer

Unterfinanzierte Hilfsaktionen 

Der LWB Tschad ist schon lange vor dem letzten Konflikt im Osten des Tschad im Einsatz und leistet dort wichtige Hilfe in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Der LWB hat dort die Wasser- und Sanitärversorgung sichergestellt, Nahrungsmittel und Hilfsgüter verteilt und Notunterkünfte für diejenigen gebaut, die nach ihrer Ankunft zunächst im Freien nächtigen mussten. Und doch übersteigt der Bedarf bei Weitem die verfügbaren Ressourcen. 

„Die Menschen in den Lagern sind mit unglaublich schwierigen Umständen konfrontiert“, sagt Faba Djondang, LWB-Koordinator für Sila und Wadai. „Der Zugang zu Trinkwasser ist eine der größten Herausforderungen neben der Sanitärversorgung.“ Im Geflüchtetenlager Arkoum ist es dem LWB gelungen, 55 Latrinen für 50.000 Menschen zu errichten – angesichts der schieren Anzahl Menschen eine völlig unzureichende Lösung. 

Die Antwort auf die sudanesische Geflüchtetenkrise ist nach wie vor erheblich unterfinanziert. Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen stehen nur 30 Prozent des Geldes zur Verfügung, das eigentlich für die Versorgung mit Nahrungsmitteln, für Notunterkünfte und für die Unterstützung der Menschen gebraucht würde, die aufgrund des Konfliktes im Sudan vertrieben wurden. Die 700.000 Geflüchteten im Osten des Tschad wurden von Gemeinschaften aufgenommen, die selbst teilweise in extremer Armut leben. In den Grenzprovinzen sind die Straßen meistens nicht befestigt, Generatoren und Solarmodule übernehmen die Stromversorgung, Wasser ist knapp. 

Heikle Balance 

Der Zustrom von Geflüchteten hat das ohnehin fragile Gleichgewicht in den Aufnahmegemeinschaften überstrapaziert. „Nehmen wir das Thema Feuerholz“, erklärt Djondang. „Das Gesetz verbietet es den Menschen, Bäume für Feuerholz zu fällen, aber für viele Geflüchtete ist es die einzige Existenzgrundlage. Das führt zu Konflikten – nicht nur mit den Aufnahmegemeinschaften, sondern auch innerhalb der Gruppe der Geflüchteten selbst, denn es ist nicht genug für alle da.“ 

Fatouma Yahoub, die seit Mai 2003 im Geflüchtetenlager Arkoum lebt, schildert ausführlich, was passieren kann: „Wenn Frauen Feuerholz sammeln, werden sie geschlagen und manchmal vergewaltigt.“

„Die Lebensmittelrationen, die wir für einen Monat erhalten, sind zu wenig. Ich habe sieben Kinder, aber was wir bekommen, reicht kaum für eine Woche. Seit der letzten Nahrungsmittelverteilung sind drei Monate vergangen“, sagt sie. 

In Arkoum leben die meisten Menschen in Notunterkünften aus Planen, Sperrholz und Stroh, die kaum Schutz vor der sengenden Sonne im Sommer oder vor kalten Nächten bieten. „Ich habe nur die Kleider, die ich bei unserer Ankunft hier am Leib trug“, sagt Aza Shahadin. „Bitte gebt uns wenigstens Pullover für die Kinder!“ 

Gefragt sind langfristige Lösungen 

„Es ist schwer, Unterstützung zu finden“, sagt Adam Abdallah Abdalrahman, Vorsitzender der Geflüchteten-Community im Übergangslager Adré und Mitglied des Führungszirkels der Geflüchtetengemeinschaft. „Die verteilten Nahrungsmittel reichen nicht.“ Er berichtet, dass Frauen und Kinder oft auf den Feldern oder Märkten arbeiteten, um die mageren Einkünfte ihrer Eltern aufzustocken. Damit werden sie schnell Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Andere sammeln Feuerholz, das die verkaufen, oder verschulden sich. Einige Familien berichten, dass ihre jungen Männer weitergezogen sind, um über das Mittelmeer in ein besseres Leben zu gelangen. 

Der LWB leistet weiterhin Nothilfe und verteilt Utensilien wie Matten, Decken, Kochgeschirr und Eimer. Djondang weist allerdings darauf hin, dass dringend langfristige Lösungen gefragt sind. „Wir müssen den Geflüchteten dabei helfen, selbst wieder für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können. Einige der Menschen, die 2003 aus dem Sudan geflohen sind, haben sich inzwischen in ihre lokalen Gemeinschaften integriert. Das muss unser Ziel sein.“ 

Viele der Geflüchteten bitten verzweifelt um Hilfe, da sie nirgendwo mehr hinkönnen. Ihre Häuser und Gemeinschaften wurden zerstört. „Wir haben uns unter den Betten versteckt“, erinnert sich Nawala Ateib Mahamat, eine Geflüchtete in Führungsfunktion in Farchana. „Wir haben den Tod gesehen. Sie haben unschuldige Menschen ermordet. Ich werde niemals in den Sudan zurückkehre, denn ich habe dort das denkbar Furchtbarste erlebt.“ 

LWB/C. Kästner-Meyer
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Sudan
Tschad
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