Ungarn: Anpacken für ukrainische Flüchtlinge

10 März 2022
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Alona sieht sich die Vorräte an einem der Stände der Hilfsorganisationen am Nyugati-Bahnhof in Budapest an. Sie, ihr eineinhalbjähriger Sohn und ihre Mutter flohen aus Kiew und kamen am 6. März nach einer 26-stündigen Reise in Budapest an. Alle Fotos: LWB/Albin Hillert

Alona sieht sich die Vorräte an einem der Stände der Hilfsorganisationen am Nyugati-Bahnhof in Budapest an. Sie, ihr eineinhalbjähriger Sohn und ihre Mutter flohen aus Kiew und kamen am 6. März nach einer 26-stündigen Reise in Budapest an. Alle Fotos: LWB/Albin Hillert

Bischof Fabiny: „Ich bin stolz auf die Menschen meiner Kirche“

BUDAPEST, Ungarn/GENF (LWB) – Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar haben mehr als 200.000 Flüchtlinge (Stand 8. März) die ungarische Grenze überquert, um vor dem Krieg und der zunehmend verzweifelten humanitären Lage zu fliehen. Die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn (ELKU) und ihre Partner reagieren aktiv auf die dringendsten Bedürfnisse dieser Menschen.

In der Hauptstadt Budapest unterstützen viele Menschen die ankommenden Flüchtlinge. Einige helfen ihnen an den wichtigsten Ankunftsorten in der Stadt. Sie organisieren kostenlose Unterkünfte, Fahrkarten für die Weiterreise, Verpflegung, Windeln für die Kinder, Kleidung und Medikamente.

Ukrainische Familien steigen aus einem Zug am Bahnhof Nyugati in Budapest und werden von einer Helferin begrüßt, die sich um Neuankömmlinge kümmert. Der Bahnhof ist ein Hauptknotenpunkt für Flüchtlinge.

Andere bereiten Hilfspakete zur Verteilung an der Grenze vor oder organisieren deren Weiterleitung in die Ukraine. Wieder andere öffnen einfache Unterkünfte für Familien, die vor dem Krieg fliehen.

Ukraine-Krise „verändert die gesamte Perspektive“

Sozialarbeiterin Júlia Andrási arbeitet für das Integrationszentrum von ELKU im Mandák-Haus im Distrikt Józsefváros. Das Mandák-Haus beherbergt die lutherische Gemeinde Budapest Józsefváros, eine sozial aktive Gemeinde, die sich um einige der ärmsten Viertel der Stadt kümmert.

In Budafok, Budapest, engagieren sich ein Dutzend Freiwillige der Hungarian Interchurch Aid (HIA) in einer Sammelstelle für Spenden und anderes Material für ukrainische Flüchtlinge. HIA nimmt Spenden aus der Öffentlichkeit entgegen, sortiert und registriert sie. Dann werden sie in die Grenzgebiete zwischen der Ukraine und Ungarn sowie direkt in die Ukraine weitergeleitet. Dort hat HIA zwei Zentren zur Unterstützung von Flüchtlingen in der Region Unterkarpaten eingerichtet, zusätzlich zu einem in Lwiw.

Unter der Leitung der lokalen Pfarrerin Márta Bolba, wurde die Kirchgemeinde dafür bekannt, dass ihre Türen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten offenstehen.

Andrási sagt, dass sich mehr als 100 Menschen gemeldet hätten, um mitzuhelfen, Unterstützung für die eintreffenden Flüchtlinge aus der Ukraine zu organisieren. „Zu dieser Zeit sollte ich meine normale Arbeit machen. Aber die Ukraine-Krise verändert die gesamte Perspektive.“

„Viele Menschen, die hier ankommen, haben keine Unterkunft“, so Andrási. „Deshalb müssen wir eine für sie finden.“ Viele sind ethnische Ungarn, die in der Ukraine leben, aber einige sind auch Roma. „Roma haben besonders mit Diskriminierung zu kämpfen, wenn sie nach einem Ort suchen, an dem sie nach ihrer Flucht bleiben können“, berichtet Andrási.

„Viele Menschen in der lutherischen Kirche haben den Menschen, die nach Ungarn kommen, Unterkünfte angeboten“, erklärt Andrási weiter. Doch erforderte es ein hohes Maß an Koordination, um in einer Woche hunderte Betten und Personen zusammenzubringen.

Sozialarbeiterin Júlia Andrási (links) leitet ein Koordinationstreffen von Ehrenamtlichen im Mandák-Haus in der Kirchgemeinde in Józsefváros.

„Es ist, als wenn sich die Menschen ermutigt fühlen zu helfen“

„Normalerweise kümmern wir uns um 200-300 Flüchtlinge pro Jahr. Wir bieten ihnen Beratung, Essensgutscheine, Unterkunft und medizinische Versorgung“, sagt Attila Mészáros, der als Flüchtlingskoordinator der ELKU arbeitet. „Das ist normalerweise. Jetzt müssen wir unsere Kapazitäten erhöhen.“

Die positive Reaktion der ungarischen Gesellschaft ermutigt Mészáros. „Es ist wunderschön, diesen enormen guten Willen der Gemeinschaft, der Kirche, der zivilgesellschaftlichen Basisorganisationen und der Einzelpersonen zu sehen“, sagt er. „Jetzt, wo sich die offizielle Flüchtlingspolitik zu ändern scheint, ist es, als wenn die Menschen sich ermutigt fühlen zu helfen.“

Das ELKU-Hauptbüro koordiniert derzeit die Unterstützung, finanzielle Hilfe und andere Maßnahmen, um Flüchtlinge zu unterstützen.

Am 6. März nahmen Hunderte von Menschen an einem Benefizkonzert zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge teil, das in der lutherischen Kirche in Deák tér in Budapest stattfand.

Mészáros ist besonders begeistert über die kreative Art und Weise, wie Kommunen und lokale Kirchengemeinden versuchen, den jeweiligen Bedürfnisse der neu angekommenen Flüchtlinge zu begegnen und Problemlösungen zu finden.

„Jetzt müssen wir schauen, wie wir diese Hilfsbereitschaft aufrechterhalten können und sie über mehrere Monate oder sogar Jahre ausdehnen können“, so Mészáros. „Vieles ist unsicher. Wir wissen nicht, wie viele Flüchtlinge kommen werden. Und wir wissen auch nicht, wie viele in Ungarn bleiben werden oder woanders hingehen. Doch wir wissen auch, dass die Auseinandersetzungen in einem Land nicht sofort aufhören, selbst wenn ein Krieg beendet ist“, schließt Mészáros und verweist auf seine eigene Erfahrung als Flüchtling der Balkankriege.

„Ich muss sagen, ich bin stolz auf die Menschen in meiner Kirche, ob Fachpersonen oder Ehrenamtliche, auf ihre Wärme, mit der sie die Menschen willkommen heißen“, so der leitende Bischof der ELKU, Tamás Fabiny. „Jetzt müssen wir diese Hilfsbereitschaft aufrechterhalten. Und unsere professionellen Kapazitäten erhöhen, um diese Arbeit fortzusetzen.“

Von Albin Hillert, Redaktion: LWB/A. Weyermüller. Deutsche Übersetzung: Tonello-Netzwerk