„Wissen ist Licht, Unwissen ist Finsternis“

18 Okt. 2017
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Ein Mädchen aus Somalia lernt in einer Grundschule des LWB im Flüchtlingslager Ali Addeh, Dschibuti. Der LWB unterstützt nachdrücklich die Schulbildung für Mädchen und kämpft gegen Kinderehen. Foto: LWB/Heléne Wikström

Ein Mädchen aus Somalia lernt in einer Grundschule des LWB im Flüchtlingslager Ali Addeh, Dschibuti. Der LWB unterstützt nachdrücklich die Schulbildung für Mädchen und kämpft gegen Kinderehen. Foto: LWB/Heléne Wikström

Die Bedeutung von Bildungschancen für Mädchen

ALI ADDEH, Dschibuti/GENF (LWI) – „Wissen ist Licht, Unwissen ist Finsternis“, sagt Fatuma Aden Siyad. Wenn dies wortwörtlich zutrifft, dann hat die junge Frau aus Somalia die ersten elf Jahre ihres Lebens in Dunkelheit verbracht.

Ihre Familie ist 1991 aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu geflohen, als der Krieg ausbrach. An eine Rückkehr ist seither nicht zu denken. Fatuma wurde 1995 in Dschibuti geboren und verbrachte ihr ganzes Leben in diversen Flüchtlingslagern. Da es in Dschibuti keine formelle Bildung für Flüchtlingskinder gab, besuchte sie nie eine Schule.

Institutionelle Herausforderung

Eine formelle Schulbildung für Flüchtlingskinder ist in vielen Ländern ein großes Problem. „Kinder machen ein Drittel der globalen Weltbevölkerung aus, aber die Hälfte aller Flüchtlinge“, sagt Lennart Hernander, der LWB-Länderrepräsentant in Kenia und Dschibuti. „Mehr als 28 Millionen Kinder sind aus ihrer Heimat vertrieben worden.“

Während einige Länder die Flüchtlingskinder in ihre lokalen Schulen integrieren oder die Verantwortung für deren Bildung in Form von eigenen Lehrplänen, Prüfungen und Zertifikaten übernehmen, ist dieses Problem in anderen Ländern nach wie vor ungelöst. „Viele Flüchtlingskinder haben keinen Zugang zu primären Bildungseinrichtungen – das bedeutet, dass sie schnell Opfer von Ausbeutung und Missbrauch werden.“ Kinder ohne Bildung werden zu Jugendlichen und junge Erwachsene ohne Bildungsabschluss“, weiß Hernander.

In Dschibuti hat die Regierung vor kurzem in einer vorbildlichen Initiative Flüchtlingskinder im nationalen Bildungssystem willkommen geheißen. Bisher hat der Lutherische Weltbund (LWB) informelle Schulen eingerichtet, damit die Kinder wenigstens eine grundlegende Schulbildung erhalten. Fast 4.000 Flüchtlingskinder und Jugendliche sind zurzeit in LWB-Einrichtungen in den Flüchtlingslagern Ali Addeh und Hol Hol. Auch ohne die offizielle Zertifizierung durch die Regierung haben diese Schulen eine große Bedeutung für das Leben junger Mädchen, wie die Geschichte von Fatuma und ihren Altersgenossinnen zeigt.

Der erste Schultag mit 11 Jahren

Es geht etwas sehr Entschlossenes von der jungen Frau im schwarzen Tschador aus. Unter der traditionellen Kleidung trägt sie ein farbenfroh gemustertes Gewand, und ihr Gesicht wird von einem Kopftuch mit hellen lila Punkten umrahmt. Fatuma hat zum ersten Mal ein Klassenzimmer von innen gesehen, als ihre Familie 2006 in das Flüchtlingslager Ali Addeh verlegt wurde. Der LWB unterhält dort Kindergärten und Schulen. Damals war sie schon elf Jahre alt und fest entschlossen, die verlorene Zeit aufzuholen.

Fünf Jahre später wechselte sie in die Sekundarschule, schloss die 10. Klasse ab und suchte während der Prüfungsvorbereitungen bereits nach einem Job, um ihre Familie unterstützen zu können. Heute arbeitet Fatuma als Hygieneberaterin. Sie bringt Kindern bei, wie wichtig die Benutzung von Latrinen ist und dass man sich die Hände waschen muss, um nicht krank zu werden. „Meine Schulbildung hat mir geholfen, diese Arbeit zu bekommen“, sagt sie. „Ich bin meinen Lehrerinnen und Lehrern und meinen Eltern dankbar, die mich unterstützt haben. So Gott will, werde ich eines Tages als Ärztin arbeiten.“

Bildung als Voraussetzung für Arbeit

Frauen wie Fatuma können Vorbilder für die gesamte Gemeinschaft sein. Das gilt besonders für einen Kontext, in dem die Bildung von Mädchen tendenziell einen geringeren Stellenwert hat als die von Jungen. „Wenn der Zugang zu Bildung ohnehin eingeschränkt ist, gilt das für Mädchen noch viel mehr. Das führt in vielen Fällen zu Kinderhochzeiten und viel zu frühen Schwangerschaften“, beobachtet Hernander. Eine junge Frau, die das Familieneinkommen mit Arbeit außerhalb des Hauses aufbessert; eine Mutter, die ihren Kindern bei den Hausaufgaben hilft; eine Ehefrau, die den gleichen Bildungsabschluss hat wie ihr Ehemann – das sind dort, wo Fatuma herkommt, völlig neue Vorbilder. „Ich ermutige alle Frauen, ihre Bildung weiterzuverfolgen“, sagt Fatuma.

Natürlich ist die Unterstützung innerhalb der Familie für den Schulbesuch von Mädchen und einen Bildungsabschluss nach wie vor entscheidend, aber es ist Advocacy-Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene erforderlich, um die Voraussetzungen für die Bildung von Mädchen zu schaffen.

„Alle Kinder haben das Recht auf Bildung“, betont Hernander. „Kurzfristig hat Bildung eine lebensrettende und lebenserhaltende Funktion. Langfristig hilft Bildung beim Aufbau nachhaltiger Gemeinschaften.“

Der LWB sorgt für die Grundschulausbildung in den Flüchtlingslagern Ali Addeh und Hol Hol in Dschibuti und wird dabei umfassend von ECHO, UNHCR, UNICEF, der Kirche von Schweden und dem Australischen Lutherischen Weltdienst unterstützt.

LWF/OCS