EU-Initiative „Kinder des Friedens“ unterstützt SchülerInnen in Konfliktgebieten
(LWI) – Den 30. Dezember 2011 wird der 17-jährige Walid Awad Majir nie vergessen. An diesem Tag wurde sein Dorf Koda im Bezirk Iban, Südkordofan (Sudan) von Militärflugzeugen bombardiert. Drei Mitglieder seiner Familie wurden dabei getötet, „unsere Mutter, unser Vater und eine kleine Schwester“. Majir und sein jüngerer Bruder Mowe waren in der Schule, der ältere Bruder Kur (21) war während des Luftangriffs ebenfalls nicht zu Hause.
Unterstützt von Verwandten und Nachbarn verliessen die Brüder zwei Tage später ihren Heimatort und machten sich auf den Weg in das Flüchtlingslager Yida im südsudanesischen Bundesstaat Unity. Seit über zwei Jahren leben die drei Brüder jetzt im Südsudan, und haben schliesslich im Flüchtlingslager Ajuong Thok im südsudanesischen Bundesstaat Unity ein Zuhause gefunden.
Majir erinnert sich an das Leid und die Gefahren auf dem schwierigen Weg in sicheres Gebiet unmittelbar nach dem Verlust ihrer Eltern und Schwester. „Wir haben 17 Tage gebraucht, bis wir das Lager Yida erreicht haben. Manchmal mussten wir uns tagelang verstecken. Wir wurden [von Militärflugzeugen] beschossen und sind durch viele Dörfer gekommen, die bombardiert wurden. Es war die schwerste Zeit meines Lebens“, berichtet er.
Seit März dieses Jahres nimmt Majir an dem vom Lutherischen Weltbund (LWB) koordinierten beschleunigten Bildungsprogramm teil. Es wird unterstützt von der EU-Initiative „Kinder des Friedens“, die 2012 nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU ins Leben gerufen wurde. Das Preisgeld soll Bildung für Kinder und junge Menschen in Konfliktgebieten ermöglichen, indem es ihnen ein sicheres Umfeld zum Lernen und psychosoziale Unterstützung bei der Verarbeitung der traumatischen Kriegserlebnisse bietet.
Wie tausende andere 12 bis 15 Jahre alte Flüchtlinge hier kommt Majir aus einem traditionell benachteiligten Bundesstaat des Sudan, wo die Kämpfe zum Zusammenbruch des Bildungssystems geführt haben. Das beschleunigte Bildungsprogramm ermöglicht es ihm, in einem sicheren schulischen Umfeld zu lernen und den Rückstand zu seinen AltersgenossInnen aufzuholen. „Ich bin in Ajuong Thok sehr glücklich“, erklärt er.
Schulbildung und praktisches Alltagswissen
Insgesamt 3.500 sudanesische SchülerInnen in den Lagern Yussif Batil und Kaya (Bezirk Maban, Upper Nile) sowie in Ajuong Thok kommen in den Genuss des beschleunigten Bildungsprogramms. Zudem wurden Lehrkräfte für das Programm eingestellt. Den SchülerInnen aus der einheimischen Bevölkerung, die bereits an den Primar- und Sekundarschulprogrammen des LWB teilnehmen, kommt die Ausstattung etwa mit Schulbänken ebenfalls zugute.
Das Programm bietet in einer humanitären Krisensituation einen intensiven, ganzheitlichen Prozess für die am stärksten benachteiligten jungen Flüchtlinge. Er schafft optimierte schulische Bedingungen mit dem Ziel besserer Lern- und Leistungserfolge.
Doch in dem Programm geht es nicht nur um die Vermittlung von Schulwissen: Die Teilnehmenden durchlaufen Kurse, die das Bewusstsein für die Gefahren bewaffneter Konflikte, für Gewalt und für Schutzmassnahmen schärfen. Gleichzeitig wird ihr Zugang zu den Mechanismen des Kinder- und Jugendschutzes erleichtert. In diesem Zusammenhang bietet der LWB Beratungsstellen und Kinderrechtsclubs sowie Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte an, damit diese wirkungsvoller zum praktischen Schutz der Kinder im Lager beitragen können.
Teil des Lehrplans sind neben klassischen Schulfächern auch die Aufklärung über HIV-und-AIDS, Menschenrechte, Hygiene und Umweltschutz. Damit erhält die Vermittlung von Kenntnissen für das Alltagsleben in dem Programm breiten Raum.
Akuter Konflikt gefährdet Erfolg
Das von der Initiative „Kinder des Friedens“ geförderte LWB-Projekt im Südsudan wurde im Dezember 2013 eröffnet. Im gleichen Monat brach jedoch der bewaffnete Konflikt im Südsudan aus, und machte den Zeitplan für den Projektstart zunichte.
Die fortdauernden Kämpfe im Südsudan gefährden das Lernprojekt auch weiterhin. Seit Dezember 2013 mussten fast 1,5 Millionen Menschen ihre Heimatorte verlassen, mehr als 400.000 sind in die Nachbarländer geflohen. Nahrungsmittel sind knapp. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms sind fast vier Millionen Menschen im Südsudan akut von Hunger bedroht.
Der LWB unterstützt südsudanesische Flüchtlinge in den Nachbarländern sowie Binnenvertriebene, die humanitäre Hilfe wird jedoch durch die unsichere Lage in verschiedenen Regionen, die Regenzeit sowie mangelnde finanzielle Mittel behindert. In einer von Konflikt und Unsicherheit geprägten Situation besteht ein grosses Potenzial für Spannungen hinsichtlich der Verteilung der Ressourcen zwischen der einheimischen Bevölkerung sowie Binnenvertriebenen und Flüchtlingen.
In den Bundesstaaten Unity und Upper Nile leben mehr als 211.000 Flüchtlinge aus dem Sudan. 2012 wurde die Nothilfe, die der LWB sudanesischen Flüchtlingen in beiden Bundesstaaten und anderen Regionen des Südsudan leistet, um Bildungsmassnahmen erweitert.
(Die SchülerInnen des beschleunigten Bildungsprogramms in Ajuong Thok interviewte Birhanu Waka, Teamleiter für den Bundesstaat Unity beim Südsudanprogramm des LWB-Weltdienstes.)