Mosambik: Gerechtigkeit für die Opfer riskanter Investitionen
Beira, Mosambik/Genf (LWI) - „Sie kamen als Diebe“, sagt der 65 Jahre alte *Antonio. Er gehört zu den Landwirten im Dorf Grudja in Zentralmosambik, wo es einen Konflikt zwischen einem privaten Investor und der einheimischen Bevölkerung wegen des Kaufs grosser Ländereien für den umfassenden Anbau von Biokraftstoff-Pflanzen gibt.
2008 hat Antonio zusammen mit vier weiteren Nachbarn 80 Hektar seines Landes an die Niquel Company verkauft, einen privaten Investor, der im Gegenzug Schulen, landwirtschaftliche Maschinen und Arbeitsplätze versprach. Eigentlich sollte die einheimische Bevölkerung am stärksten von diesem Handel profitieren, aber fast ein Jahrzehnt später ist ein riesiges Feld mit Büschen außerhalb des Dorfes alles, was davon übriggeblieben ist. Das Unternehmen baut dort Jatropha an, eine Ölfrucht, die zu Biokraftstoffen weiterverarbeitet wird.
Da das Land im Besitz der Dorfgemeinschaft war und von dieser sowie einem Dorfältesten verwaltet und vom Staat kontrolliert wurde, haben viele Betroffene das Biokraftstoffprojekt nicht in Frage gestellt. Tatsächlich schien der Prozess völlig transparent zu sein, denn die örtlichen Behörden waren an der Auswahl des an den Investor zu übertragenden Landes beteiligt und auch an der Festlegung des an die Landwirte zu zahlenden Kaufbetrags.
Um das Land rechtmäßig zu bewirtschaften, brauchten diese Unternehmen die Genehmigung der Gemeinschaft. Diese sollte nach einem Konsultationsverfahren erteilt werden. Das passiere aber so gut wie nie, erklärt Nordine Ferrao, Advocacy-Referent für Justa Paz, einer lokalen Organisation, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzt. Er berichtet, dass einige der Investoren nach spekulativen Modellen des Landerwerbs vorgehen, die sie zum tatsächlichen Kauf des Landes letztlich nicht verpflichten. Fallstudien haben vielmehr gezeigt, dass ihr Ziel eher nicht die Einbindung der Ortsbevölkerung in die eigentliche Produktion ist, sondern vielmehr der Abschluss riskanter Abmachungen, die die Landwirte übervorteilen.
Landrechte und unrechtmäßige Landaneignungen wurden ca. 2009 zu brisanten Themen in Mosambik, hervorgerufen durch neue Investitionsprojekte in Biokraftstoffe und eine Regierungspolitik, die auf die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energien setzte. Die Vorbehalte der Zivilgesellschaft nahmen nach der Genehmigung des Prosavana-Projekts zu. Bei diesem Projekt ging es um eine Fläche von 11 Millionen Hektar, das entspricht fast dem Territorium des Nachbarstaates Malawi. Das Ziel des Wirtschaftswachstumsmodells der Regierung bestand darin, Mosambik für ausländische Investitionen interessant zu machen, die das Land verändern und sein Potenzial als wichtiger Exporteur von Biokraftstoffen entwickeln sollten.
Viele Versprechen
In Grudja und anderen Dörfern in der Provinz Sofala unterstützt der LWB die Arbeit von Justa Paz und anderen Organisationen, die von Landnahme betroffene Personen über ihre Rechte aufklären, Landeigentum beurkunden lassen und manchmal zwischen den konfliktbefangenen Parteien vermitteln.
Während des Besuchs einer aus Ortsansässigen bestehenden Gruppe erklärte der für die Niquel Company tätige und für den Landkauf in Grudja zuständige Manager, er sehe kein Fehlverhalten seitens des Investors. „Wir haben immer eindeutig kommuniziert, was wir vorhaben und welche Gegenleistung die Gemeinschaft erhält“, sagte er und wies noch darauf hin, dass diese ja der Vereinbarung zugestimmt habe. „Als wir hier vor zehn Jahren angefangen haben, gab es ausführliche Gespräche mit den Menschen“, insistierte er.
Es sieht aber so aus, als ob die Dorfgemeinschaft, viele von ihnen des Lesens und Schreibens unkundig, zwischen die Fronten eines Machtkampfes zwischen ausländischen Investoren, der Regierung und ihrem eigenen Dorfältesten geraten sei, zumal es keine offiziellen Unterlagen gibt.
„Ausländische Unternehmen kommen in eine Gemeinschaft und eignen sich Häuser und Grund und Boden ohne entsprechende Gegenleistung an“, sagt *Luisa, die für eine örtliche Organisation arbeitet. „Oft gibt es keinerlei Beratungen mit der Gemeinschaft, wie dies eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine Person, meistens der Dorfälteste, verkauft mit einem Federstich das Land für die gesamte Gemeinschaft.“
Von lokal zu global
2016 haben sich mehrere in der Gemeinschaft verwurzelte Organisationen mit Unterstützung des LWB des Konfliktes der Landwirte von Grudja mit dem Investor angenommen. Eine Fallstudie, die die Klagen der Gemeinschaft dokumentiert, wurde von dem gemeinnützigen Londoner Business and Human Rights Resource Centre (BHRRC) präsentiert. Dieser erste Versuch eines Dialogs wurde mit Missachtung und Drohungen seitens des Unternehmensmanagements quittiert, wodurch sich die Fronten zwischen dem Dorf und dem mächtigen Investor weiter verhärteten.
Die mosambikanische Zivilgesellschaft insistierte jedoch mit Unterstützung des LWB und des BHRRC und brachte das Unternehmen dazu, sich auf ein Gespräch einzulassen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts hatte das von Niquel nach einem Treffen in Beira 2017 versprochene Mediationsverfahren noch nicht begonnen. Es besteht jedoch Hoffnung, dass die Klagen der Landwirte gehört werden.
„Es geht uns nicht darum, irgendjemanden zu beschuldigen oder anzuklagen“, erklärt Ferrao. „Unser Wunsch ist es, gute Beziehungen zwischen der Gemeinschaft, der Regierung und dem privaten Sektor zu haben.“
Die Advocacy-Arbeit des LWB für Landrechte in Mosambik ist Teil eines LWB-Nothilfeprogramms und später eines LWB-Weltdienstprogramms, das aufgelegt wurde, um zurückkehrende Flüchtlinge nach dem Bürgerkrieg 1992 wieder einzugliedern. Seit Schließung des Länderbüros 2017 arbeitet der LWB über lokale Partner wie Justa Paz. Andere Diakoniearbeit läuft nach wie vor über die Evangelisch-Lutherische Kirche in Mosambik.
*Namen wurden zum Schutz der Identität einzelner Personen geändert.