„Ein entscheidender Moment für die Kirche“

28 Juni 2018
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LWB-Generalsekretär Martin Junge legt dem Rat seinen Bericht vor. Foto: LWB/Albin Hillert

LWB-Generalsekretär Martin Junge legt dem Rat seinen Bericht vor. Foto: LWB/Albin Hillert

Bericht des LWB-Generalsekretärs bei der Ratstagung 2018

Genf (LWI) – In den kommenden Jahren will der Lutherische Weltbund (LWB) die Mitgliedskirchen in ihrem Wirken noch intensiver unterstützen und das Zeugnis der Kirche in der Welt stärken, betonte LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge in seinem Bericht an den LWB-Rat, den er am 29. Juni in Genf vorgelegt hat.

Bei dieser Gelegenheit thematisierte er auch das verstärkte Engagement des LWB für Klimagerechtigkeit, seine Vernetzungsarbeit im Blick auf die theologische Ausbildung, sein fortgesetztes Eintreten für Gendergerechtigkeit, die Einbindung der jungen Generation sowie seine ökumenischen Beziehungen und die Entschlossenheit, sich, neben dem unvermindert geleisteten Dienst an Flüchtlingen und Vertriebenen, den Ursachen menschlichen Leids entgegenzustellen.

„Wir leben in komplexen Zeiten“, stellte Junge fest. „Viele Entwicklungen deuten auf eine zunehmende Polarisierung und Fragmentierung der Welt, ja auch der Kirche hin.“ Vor diesem Hintergrund seien die Kirchen aufgerufen, als Stimmen der Hoffnung zu wirken.

„Wir durchleben in der Tat einen für die Kirche entscheidenden Moment, der sie vor große Herausforderungen stellt. Aber gleichzeitig könnte ich mir auch keine bessere Zeit vorstellen, um Kirche zu sein! Denn der Kirche ist die Botschaft Christi anvertraut: eine Botschaft der Hoffnung, die die Angst austreibt, eine Botschaft des Mitgefühls, die sich der Gleichgültigkeit entgegenstellt, eine Botschaft der Gerechtigkeit, die der Unterdrückung widersteht, und eine Botschaft der Versöhnung, die sich nicht davon abbringen lässt, für den Frieden einzutreten. Die Kirche hat eine Botschaft, die heute überaus dringend gebraucht wird“, betonte Junge.

Mitgliedskirchen zusammenführen und unterstützen

Der LWB legt sein Augenmerk besonders auf die Stärkung der lutherischen Identität sowie die theologische Bildung. „Auf der Grundlage der vielen regionalen und lokalen Initiativen verstehen wir unsere Aufgabe so, dass wir die Mitgliedskirchen und theologischen Institutionen zusammenführen zu einem partizipatorischen Netzwerk“, erläuterte Junge unter Verweis auf das neue Netzwerk für die theologische Ausbildung, das die Aufgabe habe, „Chancen für das kontextübergreifende Lernen zu eröffnen … und die Bedingungen für eine Wandel wirkende Aus- und Weiterbildung zu verbessern.“

Der LWB werde zudem den Impuls der aktuellen ökumenischen Entwicklungen weiter nutzen und die laufenden Dialoge mit der katholischen, anglikanischen, reformierten, mennonitischen, pfingstlichen und orthodoxen Tradition vorantreiben.

In seinem Bericht bekräftigte der Generalsekretär die Verpflichtung des LWB auf die Frauenordination. Er betonte, die entsprechende Resolution der Zwölften Vollversammlung weise dem LWB „klar und energisch“ die Richtung, „damit wir nie zulassen, dass die Frauenordination zur Disposition gestellt wird, auch nicht in unseren ökumenischen Beziehungen.“

Junge ermutigte die Kirchen weiterhin, junge Menschen in die Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen einzubinden, besonders wo es um Nachhaltigkeit und die Neubelebung der Kirchen gehe: „Keine Generation sollte ihr Nachdenken über die Zukunft der Kirche und ihre Arbeit an dieser Kirche ohne die nächste Generation, sondern gemeinsam mit ihr anstellen.“

Der Generalsekretär würdigte eine Initiative europäischer Kirchen, die „Möglichkeiten der Zusammenarbeit, des Austausches über bewährte Arbeitsweisen und der gemeinsamen Reflexion“ über eine Erneuerung der Kirche prüften, und versicherte sie der Unterstützung des LWB.

Die prophetische Stimme der Kirchen

Junge verwies auf die durch die aktuellen politischen Trends der „Polarisierung und Fragmentierung“ für die Kirchen entstehenden Herausforderungen. Er ermutigte die LWB-Mitgliedskirchen, der Versuchung zu widerstehen, angesichts von Unrecht aus Angst zu schweigen oder sich populistischen Bewegungen anzuschließen, die die christliche Identität einer Kirche, eines Landes oder einer Region zu schützen vorgäben: „Würde Gott sich wirklich auf diese Weise schützen lassen wollen?“

Besonders würdigte der Generalsekretär jene Mitgliedskirchen, die in von Gewalt geprägten Situationen „weiterhin ihre Stimme erheben und zum Frieden aufrufen“.

Der LWB wolle sich noch stärker als bisher für Klimagerechtigkeit einsetzen und das Thema priorisieren, etwa im Blick auf Bewusstseinsbildung und Unterstützung der Kirchen bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels. „Ich bin überzeugt, dass die LWB-Kirchengemeinschaft mit ihren starken Positionen auf den Ebenen von Theologie, Diakonie und Advocacy beispiellos gut positioniert ist, um entscheidenden Einfluss zu nehmen im Ringen der Menschheitsfamilie mit der Frage des Klimawandels und in ihrem Suchen nach Ansätzen zur Bewältigung dieser Herausforderung“, befand Junge.

Stärkung internationaler Institutionen

Ein besonderes Augenmerk richtete der LWB-Generalsekretär auf die Arbeit von LWB-Weltdienst, der humanitären Abteilung des LWB, in der „Gottes nachgehende Liebe zur ganzen Menschheit“ aktiven Ausdruck finde. Im vergangenen Jahr habe sich die LWB-Kirchengemeinschaft „über drei Millionen Menschen, von denen die meisten Flüchtlinge und Binnenvertriebene waren, direkt zugewandt und Einfluss auf ihr Leben genommen“. Damit habe man, entsprechend der beispiellos hohen Zahl an Menschen, die in jüngster Zeit weltweit gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, einen neuen, traurigen Rekord aufgestellt.

Der LWB belasse es nicht dabei, Opfern menschlichen Leids Hilfe zu leisten, er befasse sich auch mit den Ursachen dieses Leids. In den kommenden Jahren solle dementsprechend ein weiterer Schwerpunkt bei der Stärkung internationaler Initiativen und Institutionen gesetzt werden. Im vergangenen Jahr war der LWB als eine von wenigen nichtstaatlichen Organisationen von den Vereinten Nationen an der Erarbeitung ihres globalen Pakts für Flüchtlinge beteiligt worden.

Angesichts der wichtigen Zeit, die die Kirche durchlebe, erinnerte Junge den Rat: „Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringen wird, aber wir wissen, wer unsere Zukunft in Händen hält.“ Er ermutigte die Kirchengemeinschaft, voranzugehen mit „Dankbarkeit für und Vertrauen auf Gottes liebende Gegenwart“, und forderte sie auf, festzuhalten an der „ungebrochenen Vision von dieser Kirchengemeinschaft, die, in Christus verwurzelt, gemeinsam lebt und arbeitet für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt.“

 

 

Die Tagung des LWB-Rates 2018 findet vom 27. Juni bis 2. Juli in Genf statt und steht unter dem Thema: „Umsonst habt ihr‘s empfangen, umsonst gebt es auch“ (Matthäus 10,8). Der LWB-Rat tritt, als höchstes Entscheidungsgremium des LWB zwischen dessen Vollversammlungen, jährlich zusammen. Ihm gehören der LWB-Präsident, der Vorsitzende des Finanzausschusses und 48 Ratsmitglieder aus LWB-Mitgliedskirchen in dessen sieben Regionen weltweit an.

LWF/OCS