Zögerliche Reaktion auf Spendenaufrufe für Flüchtlinge in Äthiopien, Kenia und Uganda
(LWI) – Seit im Dezember 2013 die Gewalt im Südsudan ausbrach, hat sich die Ernährungsunsicherheit in Jonglei, Unity und Obernil, den drei von dem Konflikt betroffenen Bundesstaaten, in alarmierendem Tempo verschärft. Die bäuerlichen Familien konnten weder die neue Saat ausbringen, noch die Ernte einfahren und die Herden konnten nicht zwischen den verschiedenen Weidegebieten wechseln.
Trotz der zuletzt zwischen Regierung und Aufständischen vereinbarten Waffenruhe bleibt es für den Lutherischen Weltbund (LWB) schwierig, mit humanitärer Hilfe zu den von ihm unterstützten Gemeinwesen in den Bezirken Maban (Obernil), Ajuong Thok (Unity) sowie Bor und Twic East (Jonglei) vorzudringen.
Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms leiden 3,9 Millionen Menschen im Südsudan an katastrophaler Ernährungsunsicherheit. Falls die dringend benötigten Hilfsgüter nicht geliefert werden können, drohen in manchen Landesteilen in den nächsten Monaten Hungersnöte. Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen schätzt, dass seit Ausbruch der bewaffneten Auseinandersetzungen in den betroffenen Bundesstaaten 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht sind, was Gemeinwesen, deren Ernährungslage zuvor stabil war, zunehmend belastet.
Besonders schwierig ist es, Menschen in entlegenen Gebieten, wie etwa dem Dorf Dhiam-Dhiam auf einer der 20 Inseln in der Uferzone des Weissen Nil, zu helfen, erläutert George Taban, Bildungsreferent des Südsudanprogramms der Abteilung des LWB für Weltdienst (AWD). Es fehlt nicht nur an den grundlegendsten sanitären Einrichtungen und Bildungsmöglichkeiten, auch die medizinische Versorgung ist eingeschränkt. „Die nächste Krankenstation in Patiou liegt 12 Kilometer von Dhiam-Dhiam entfernt, das ist auf dem Fluss, der einzigen Transportmöglichkeit, eine Tagesreise“, führt Taban aus.
In den drei Bundesstaaten hat die anhaltende Gewalt die Fortschritte weitgehend zunichte gemacht, die der LWB und seine Partner in den vergangenen Jahren bei der Schaffung nachhaltiger Existenzgrundlagen, der Förderung von Frieden, Menschenrechten und Versöhnung sowie bei der Verbesserung der Katastrophenbereitschaft und der Bildungsmöglichkeiten in den ländlichen Gemeinwesen erzielt haben.
Der LWB ist bemüht, zusätzliche Mittel zu erschliessen, mit denen nicht nur die humanitäre Hilfe für südsudanesische Binnenvertriebene weiter verstärkt und das Nahrungsmitteldefizit ausgeglichen, sondern auch 400.000 Menschen unterstützt werden sollen, die gezwungen waren, in die Nachbarländer Äthiopien, Kenia und Uganda zu fliehen.
Äthiopien: 100.000 Menschen fehlt es an Unterkünften und grundlegender Versorgung
Die geringen Mittelzusagen in der Folge der im bisherigen Jahresverlauf veröffentlichten Finanzierungsaufrufe des ACT-Bündnisses für den Südsudan wirken sich weiterhin negativ auf die Bemühungen aus, die Grundversorgung der von AWD-Programmen unterstützten Flüchtlinge sicherzustellen.
Im Flüchtlingslager Gambella im Westen Äthiopiens ist das LWB-Programm für die Versorgung von fast 100.000 SüdsudanesInnen mit Wasser, sanitären Anlagen und Hygiene (WASH) zuständig und leistet ihnen zudem psychosoziale Unterstützung. Abgesehen von der Nahrungsmittelversorgung sind zusätzliche Mittel erforderlich zur Finanzierung sonstiger grundlegender Hilfsgüter (non-food items, NFI) und zur Unterstützung der Flüchtlinge bei der Erwirtschaftung einer Existenz. Über 90 Prozent der Flüchtlinge sind Frauen und Kinder unter 17 Jahren.
In Leitchour, wo ursprünglich Raum für 20.000 Flüchtlinge vorgesehen war, sind aufgrund des massiven Zustroms etwa 47.000 Menschen untergebracht. Sophie Gebreyes, LWB-Vertreterin des AWD-Äthiopienprogramms nennt die mangelnden durch den ACT-Aufruf und aus anderen Quellen erschlossenen Finanzmittel, die unsichere Situation im Lager aufgrund von Überschwemmungen und die angesichts der Hungersnot in Somalia erwartete neue Flüchtlingswelle als die grössten Herausforderungen.
Neue Flüchtlinge belasten alte Infrastruktur in Kakuma
Das Flüchtlingslager Kakuma in Nordkenia war ursprünglich für 100.000 Menschen ausgelegt, seine Kapazität wurde dann auf 120.000 erweitert. Aktuell leben dort 168.000 Flüchtlinge, davon kommen beinahe 40.000 aus dem Südsudan. Der Aufgabenbereich des LWB umfasst hier Bildung, Kinderschutz, Wasserversorgung und soziale Dienste.
In Kakuma sind 65 Prozent der südsudanesischen Flüchtlinge Kinder, davon sind etwa 20 Prozent unbegleitete, mehrheitlich männliche Minderjährige. Die Auffang- und Schutzzentren des Lagers sind überfüllt, es gibt zu wenige Unterkünfte und keine alternativen Versorgungssysteme für die Schwächsten wie z. B. unbegleitete Kinder. In allen Bohrlöchern sinkt der Wasserspiegel, manche stürzen ein, so dass die Wasserversorgung deutlich schlechter geworden ist. Überdies ist die Infrastruktur insgesamt alt und in schlechtem Zustand, so dass es lecke Leitungen u. ä. unmöglich machen, Lagererweiterungen an das System anzuschliessen.
Eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten
Die Bildungseinrichtungen in Kakuma sind mit vergleichbaren Problemen konfrontiert. Die Schulgebäude sind marode, es fehlt am Platz für Neubauten. Die vorhandenen Klassenräume sind zu klein, es gibt nicht genug Lehrkräfte und Schulmaterialien, es fehlt an Mahlzeiten für die SchülerInnen. „Auf den ACT-Aufruf hin sind nur sehr zögerlich Mittelzusagen erfolgt“, berichtet Lennart Hernander, LWB-Vertreter des Kenia-/Dschibutiprogramms. Dass unlängst die kenianische Regierung zur Verbesserung der Sicherheitslage alle Flüchtlinge aus den Städten in bestimmte Lager umgesiedelt hat, hatte einen zusätzlichen Zuwachs in Kakuma zur Folge, so Hernander weiter.
In Norduganda stellt der LWB für über 87.000 südsudanesische Flüchtlinge in allen neuen Siedlungen im Distrikt Adjumani NFIs bereit, leistet psychosoziale Betreuung und Kinderschutz, fördert die Erwirtschaftung von Existenzgrundlagen, stellt WASH und soziale Dienste sicher und betreibt Friedensarbeit. Frauen und Kinder stellen 87 Prozent der Flüchtlingsbevölkerung hier. Über 64 Prozent der fast 137.000 SüdsudanesInnen, die in Uganda Zuflucht gesucht haben, sind Kinder. „Dass 79 Prozent aller Kinder im Grundschulalter die Schule nicht besuchen“ ist eines der Hauptprobleme, so Jesse Kamstra, LWB-Vertreter des AWD-Ugandaprogramms.