Europäische Mitgliedskirchen antworten auf Flüchtlingskrise

07 Sep 2015
Image
Flüchtlinge im Bahnhof Keleti in Budapest, Ungarn steigen in einen Zug nach Nordeuropa. Foto: MTI

Flüchtlinge im Bahnhof Keleti in Budapest, Ungarn steigen in einen Zug nach Nordeuropa. Foto: MTI

„Situation hat sich dramatisch verschärft“

Budapest, Ungarn/Genf, 4. September 2015 (LWI) – Tausende von Flüchtlingen erreichen jeden Tag in Ungarn. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn (ELKU) hat deshalb Ressourcen und Freiwillige mobilisiert, um den Flüchtlingen im Land und besonders in Budapest zu helfen.

„In den vergangenen Tagen hat sich die Situation in Ungarn dramatisch verschlimmert“, berichtet Bischof Tamas Fabiny, LWB-Vizepräsident und in der ELKU zuständig für ausländische Angelegenheiten. Nach Erkenntnissen des UNHCR überqueren täglich mehr als 2.000 Flüchtlinge – die meisten aus Syrien – die Grenze zwischen Serbien und Ungarn. Tausende warten an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen in Budapest auf eine Gelegenheit, in einen Zug zu steigen, der sie in ein nordeuropäisches Land wie Deutschland bringt.

Decken und heisse Mahlzeiten

Die ELKU sammelt Kleidung, Decken, Schlafsäcke und Erste-Hilfe-Ausstattungen in Gemeinden und bei Mitarbeitenden der Kirche und versorgt die Flüchtlinge, die sich vor dem Hauptbahnhof Keleti in Budapest aufhalten, jeden Tag mit 150 warmen Mahlzeiten. „Dieser Dienst wird gemeinsam mit dem in der Nähe gelegenen Studentenheim geleistet“, erzählt Fabini. „Eine Gruppe von Pastor/innen und Angestellten des Verwaltungszentrums der ELKU sorgt gemeinsam mit Freiwilligen vor Ort für die Essensausgabe.“

Die ELKU hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt rund 4.000 US-Dollar an das Hilfswerk der Kirchen Ungarns für Kinderhilfsgüter gespendet, die im provisorischen Aufnahmelager in Nagyfa in der Nähe von Szeged nahe der serbischen Grenze verteilt wurden. Der Diakonische Dienst der ELKU gibt ebenfalls Medikamente an hilfsbedürftige  Flüchtlingskinder aus. Das Fachcollege für Roma in der Stadt Nyiregyhaza hat ebenfalls Freiwillige entsandt. Die ELKU entwickelt zurzeit eine Software, um die Arbeit der Ehrenamtlichen besser koordinieren zu können.

„Mehrere Gemeinden und Pastor/innen nehmen an den Freiwilligeneinsätzen teil“, sagt Bischof Fabiny und nennt in diesem Zusammenhang die lutherischen Gemeinschaften in der Nähe des Bahnhofs Keleti und des nahe gelegenen Papst-Johannes-Paul-II-Platzes.  Die ELKU geht ebenfalls nachdrücklich gegen Fremdenhass vor. „Diese Spannungen sind besonders in Ungarn spürbar“, sagt Fabiny. „Wir unternehmen alles in unserer Macht Stehende, um Wut und schädliche Vorurteile zu bekämpfen und statt dessen eine Kultur des gegenseitigen Respekts, der Inklusion und der Menschenliebe zu fördern.“  

„Offene Herzen und Türen“

Wie die ELKU sehen angesichts der jüngsten Ereignisse zahlreiche weitere LWB-Mitgliedskirchen ihre Aufgabe darin, sich der Flüchtlinge in Europa anzunehmen. Mit Willkommensinitiativen für die Flüchtlinge in ihren Gemeinden und Gemeinschaften und mit öffentlichen Erklärungen motivieren sie die Lutheraner/innen, diejenigen zu unterstützen, die vor Krieg und Unterdrückung geflohen sind.

„Öffnet eure Herzen und Türen“ ist ein Aufruf, der am 2. September in Österreich von den lutherischen und reformierten Pastor/innen veröffentlicht wurde und der an die Österreicher/innen appelliert, „Menschen aufzunehmen, die fliehen mussten. Diese Flüchtlinge sollten auf eine Weise beschützt und unterstützt werden, die ihre Würde respektiert und den Menschenrechten entspricht.“  

Die österreichischen protestantischen Gemeinden sind aufgefordert darüber zu diskutieren, ob sie die Möglichkeit für die Aufnahme von Flüchtlingen haben, wie sie Flüchtlinge unterstützen können und wie man Aufklärungs- und Advocacyarbeit gegen Fremdenhass leisten kann. „Kein Kind sollte ohne Begleitung und Schutz sein, keine Frau und kein Mann sollten ausgebeutet werden oder in Gefahr leben, keinem menschlichen Wesen sollten Entfaltungsmöglichkeiten und menschenwürdige Behandlungen verwehrt werden“, heisst es in der Erklärung.

„Ring der Freu(n)de“ beschützt Flüchtlinge

In Jütland (Dänemark) haben sich Einwohner/innen und Pastor/innen in ihren Soutanen an ihren Händen gefasst und einen „Ring der Freu(n)de“ gebildet, um ein örtliches Asylheim zu schützen. Die Aufnahmeeinrichtung war in den Wochen zuvor mehrmals Ziel von Vandalismus geworden.  

In Deutschland nehmen zahlreiche lutherische Gemeinden Flüchtlinge auf oder suchen nach Möglichkeiten, ihnen Schutz zu geben. Die evangelische Kirche in Bayern hat eine Task Force eingesetzt und will bis Ende 2016 rund 100 Unterkünfte für anerkannte Flüchtlinge bauen. Bischof Heinrich Bedford-Strohm hat die Gemeinden gebeten, Möglichkeiten für die Aufnahme von bis zu 2.000 Flüchtlingen zu finden, die zurzeit jeden Tag in München ankommen.

Bischöfin Helga Haugland Byfuglien, vorsitzende Bischöfin der Kirche von Norwegen und Vizepräsidentin des LWB, veröffentlichte eine Erklärung und forderte darin Unterstützung für die in Norwegen ankommenden Flüchtlinge ein. „Sie befinden sich in einer verzweifelten Lage und kommen zu uns mit der Hoffnung auf Sicherheit und Hilfe“, sagt Byfuglien. „Wir müssen diejenigen aufnehmen, die zu uns kommen, und sie mit Respekt behandeln“.

Die Norwegische Kirche fordert nachdrücklich die Unterstützung des Hilfswerks der norwegischen Kirchen und anderer Organisationen, die sich auf nationaler und internationaler Ebenen dafür einsetzen, das Leid zu mildern. „Die Situation erfordert unseren Einsatz, unsere Gebete, unsere Zuwendung und unsere Spenden“, sagt Byfuglien.  

Unterstützung

Unterstützung der Arbeit der LWB-Mitgliedskirchen für die Flüchtlinge in Europa. Der LWB führt über seine Mitgliedskirche in Italien ein Hilfsprogramm durch und bietet damit Flüchtlingen psychosoziale Hilfe an, sammelt Gelder für Soforthilfe in Mitteleuropa und plant Massnahmen für den Kapazitätsaufbau in den Mitgliedskirchen, die schnell auf die Flüchtlingskrise reagieren müssen. Wer das Programm unterstützen möchte, spendet bitte über seine Kirche oder auch über den Lutherischen Weltbund.

 

Cornelia Kästner