Genf, 20. Januar 2016 (LWI) – Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Dr. Martin Junge, hat betont, im Bereich der Religionen beheimatete und andere Organisationen müssten noch intensiver zusammenarbeiten beim Flüchtlingsschutz und bei der Bekämpfung der Wurzeln von Flucht und erzwungener Migration.
Im Rahmen einer Konferenz unter Beteiligung von Regierungen, UN-Organisationen und zivilgesellschaftlichen sowie im Christentum und in anderen Religionen beheimateten Organisationen, die am 18. und 19. Januar im Ökumenischen Zentrum in Genf stattfand, erklärte Junge, die Schaffung einer verbindlichen europäischen Asylgesetzgebung werde „den der Migration zugrundeliegenden Ursachen nicht begegnen“. Es seien die zunehmenden weiter greifenden Asymmetrien und ungerechten Verhältnisse im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation, dem Klima und den Geschlechterbeziehungen, die die Menschen zwängen, ihre Heimat zu verlassen, denn „sie wollen leben“.
Organisiert hatte die Konferenz der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk (UNICEF), dem Bevölkerungsfonds (UNFPA) und dem Hohen Flüchtlingskommissariat (UNHCR) der Vereinten Nationen. Sie verfolgte die Zielsetzung, die Akteure zu bewegen, sich auf eine verstärkte Koordination der Bemühungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Europa zu verpflichten, einschliesslich der Umsetzung von Migrations- und Integrationsmassnahmen sowie der Schaffung wirksamer Mechanismen, die angesichts der Flüchtlingsbewegungen quer über den Kontinent für geordnete Abläufe und Sicherheit sorgen.
Schwache brauchen Schutz
Junge erinnerte daran, dass die Not von 40 Millionen Flüchtlingen am Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa als wesentlicher Faktor zur Gründung des LWB im Jahr 1947 beigetragen habe. „Dass wir zum Schutz der Schwachen berufen sind, gehört zu unseren tiefsten Glaubensüberzeugungen“, erklärte der Generalsekretär unter Verweis auf das bis heute starke Engagement des LWB in der Flüchtlingsarbeit. Im Jahr 2015 leistete der Weltbund Hilfe für 1,7 Millionen Flüchtlinge und 700.000 Binnenvertriebene in aller Welt.
In seiner Ansprache stellte Junge fest, die derzeitige Flüchtlingskrise in Europa sei für die Völkergemeinschaft, der es nach dem Krieg gelungen sei, mit begrenzten Mitteln diese 40 Millionen Flüchtlinge zu versorgen, nicht die erste einer solchen Grössenordnung: „Wenn es die Völkergemeinschaft damals vor zwei Generationen mit im Vergleich zu heute sehr viel geringeren Mitteln und weniger Wohlstand geschafft hat, die Flüchtlingskrise einzudämmen, wie kann es da sein, dass heute alles so schwierig, ja unmöglich erscheint?“ In der gegenwärtigen Situation gehe es um nichts weniger als die gemeinsamen Werte der gegenseitigen Verantwortung, der Interdependenz und der Solidarität innerhalb der einen Menschheitsfamilie weltweit.
Kooperation ist entscheidend
Der LWB-Generalsekretär betonte, die Kooperation zwischen im religiösen Bereich angesiedelten Organisationen und dem UN-System müsse intensiviert werden. Als Beispiel nannte er die Initiative des UNHCR, das 2012 aktiv die Zusammenarbeit mit weiteren religiös beheimateten Akteuren der Flüchtlingsarbeit gesucht hatte. Eines der Ergebnisse dieser Initiative sei das gemeinsame Engagement von LWB und Islamic Relief Worldwide für Flüchtlinge in Syrien und für Opfer des Erdbebens in Nepal 2015.
„Es bewirkt etwas bei den Menschen vor Ort, wenn sie erleben, dass um ihretwillen eine christliche und eine islamische Organisation ihre Ressourcen und Kapazitäten bündeln. Dass wir mit unserem gemeinsamen Handeln sichtbar den Gegensätzen entgegenwirken, ist eine konkrete Botschaft für diese Menschen, angesichts der Konflikte und Lebensumstände, mit denen sie konfrontiert sind und die sie in grossem Masse auf die Gräben zwischen den Religionen zurückführen.“
Die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise finde in einem Kontext statt, der über Religionsgrenzen hinweg von Fundamentalismus, Radikalismus und Extremismus geprägt sei. „Wir haben die Verantwortung, den religiösen Raum in Wort und Tat für unsere gemässigte Position zu beanspruchen, die wir energisch und standhaft zu vertreten haben, was auch das Bild der öffentlichen Meinung von Religion mitprägen wird“, so Junges Forderung.