Erneute Feindseligkeiten in der äthiopischen Region Tigray und in den Nachbarprovinzen haben dazu geführt, dass der nach einem Waffenstillstand vor fünf Monaten eingerichtete humanitäre Korridor wieder geschlossen wurde. Dennoch führt der LWB von der Hauptstadt Mekelle aus weiterhin Hilfsaktionen durch.
LWB setzt humanitäre Hilfe von Mekelle aus fort
(LWI) – Obwohl die Kämpfe im Norden Äthiopiens mit zunehmender Härte geführt werden, leistet der Lutherische Weltbund weiterhin humanitäre Hilfe für die Menschen, die von dem Konflikt in Tigray betroffen sind. Der LWB hat bisher Bargeldzahlungen geleistet sowie für Nahrungsmittel, Notunterkünfte, Hilfsgüter und Sanitäreinrichtungen gesorgt und die Wasserversorgung für Tausende von Menschen sichergestellt. Die Kämpfe, die Ende August wieder begonnen haben, sind nach Aussage der LWB-Länderrepräsentantin für Äthiopien, Sophia Gebreyes, der Grund dafür, dass die humanitäre Hilfe nur noch sehr schwer geleistet werden kann.
„Es sind Menschen ums Leben gekommen, und Infrastrukturen wurden zerstört. Darüber hinaus hatten erneute Luftangriffe in der Gegend um Mekelle und auf die Stadt selbst zur Folge, dass Flüge zur humanitären Versorgung der Bevölkerung in die Region und aus der Region ausgesetzt werden mussten. Das hatte zur Folge, dass der humanitäre Korridor, durch den dringend gebrauchte Lebensmittel nach Tigray per Flugzeug und Lkw transportiert wurden, von heute auf morgen geschlossen werden musste,“ so Gebreyes.
Der Tigray-Konflikt wird durch eine Hungersnot im Horn von Afrika zusätzlich verschärft. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass mehr als 7,2 Millionen Menschen humanitäre Hilfe brauchen.
„Der humanitäre Korridor, durch den dringend gebrauchte Lebensmittel nach Tigray transportiert wurden, musste von heute auf morgen geschlossen werden.“
- Sophia Gebreyes, LWB-Länderrepräsentantin für Äthiopien
Der LWB und seine Mitgliedskirche, die Äthiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus, führen seit Beginn des Krieges humanitäre Hilfsaktionen in der Region Tigray durch. Allerdings wird es infolge der sich verschlechternden Sicherheitslage zunehmend schwierig, die Menschen mit lebensrettender Hilfe zu unterstützen.
Personal von den Grenzregionen abgezogen
Im Vertriebenen-Camp Seba Kare in der Nähe von Mekelle hat der LWB erfolgreich eine Wasserversorgungsanlage gebaut. Vorher musste Trinkwasser mit Lkws in das trockene Gebiet transportiert werden. Als das neue System fertig gebaut war, hatten fast 11.000 Binnenvertriebene und Mitglieder der Aufnahmegemeinschaft Zugang zu sauberem Wasser. „Wir und alle anderen Organisationen, die den Wassertransport per Lkw übernommen hatten, können diese Gelder jetzt für andere lebensrettende Maßnahmen ausgeben: Bau von Notunterkünften, Hilfsgüter, Lebensmittelversorgung, Schutzdienste und psychologische Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft zum Beispiel“, sagt Charles Masanga, LWB-Programmkoordinator für Äthiopien.
Der LWB hat außerdem für 3.400 Familien in Abergele im Süden Tigrays Hilfsgüter geliefert und Notunterkünfte errichtet.
Mit zunehmender Härte des Krieges war der LWB gezwungen, Personal aus einigen Einsatzgebieten im Süden Tigrays und von der Nähe der eritreischen Grenze abzuziehen und in die Provinzhauptstadt Mekelle zu verlagern. Von dort aus hilft der LWB weiterhin der vom Krieg betroffenen Bevölkerung – so lange, sagt Masanga, wie es die Sicherheitslage erlaube.
Keine Hoffnung mehr auf Frieden
Der Krieg in Tigray im Norden Äthiopiens dauert seit November 2020. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und den äthiopischen Streitkräften und ihren Verbündeten.
Im Zuge des Konflikts kommt es mutmaßlich zu Gräueltaten, die wahrscheinlich als Kriegsverbrechen anzusehen sind, darunter sexualisierte Gewalt, die als Kriegswaffe eingesetzt wird. Der Krieg hat außerdem eine humanitäre Krise ausgelöst, die dadurch weiter verschlimmert wird, dass die Region seit eineinhalb Jahren weitgehend von humanitärer Hilfe ausgeschlossen ist. Am 24. März 2022 hat die äthiopische Regierung einen unilateralen humanitären Waffenstillstand erklärt, damit humanitäre Hilfsgüter nach Tigray geliefert werden können.
Die derzeitigen Feindseligkeiten begannen am 24. August. Sie beendeten diese Waffenruhe durch neue Kämpfe im Süden Tigrays, die sich auf den umkämpften Landstrich zwischen den Regionalstaaten Amhara und Tigray ausgeweitet haben. „Für unser humanitäres Personal, das auf einen Friedensvertrag bis zum äthiopischen Neujahr in diesem Monat gehofft hatten, ist dies ein schwerer Rückschlag“, sagt die LWB-Länderrepräsentantin in Äthiopien, Sophia Gebreyes.
Im Einklang mit den humanitären Grundsätzen betont der LWB die dringende Notwendigkeit, weiteres durch den Konflikt verursachtes Leid zu verhindern, insbesondere für Kinder, Frauen und andere gefährdete Gruppen in der Gemeinschaft. Der LWB schließt sich der internationalen Gemeinschaft an und unterstützt Initiativen, die eine friedliche Lösung des Konflikts fördern und den Weg für einen dauerhaften Frieden zwischen den verschiedenen Gemeinschaften in der nördlichen Region Äthiopiens sowie im ganzen Land ebnen.
Die Arbeit des LWB in Äthiopien erfolgt über den ACT-Appell (ICA, ALWS, PDWRF, ELCA) und in Partnerschaft mit CLWR/GAC und IOM.