Hilfe bei der Existenzgründung in einem Land, das sich von Konflikten erholt
(LWI) – Wie Menschen, die alles verloren haben, zu erfolgreichen Geschäftsleuten in ihren neuen Gemeinschaften werden: Im Irak leistet der LWB Hilfestellung beim Wiederaufbau von Existenzen. Im Rahmen von Finanzworkshops und kleinen Gründungsdarlehen erhalten Vertriebene und besonders unterstützungsbedürftige Gemeinschaften Mittel, um Geschäfte zu gründen oder wieder zu eröffnen – in einigen Fällen mit durchschlagendem Erfolg.
Obwohl sich der IS-Aufstand schon vor zehn Jahren ereignete, gibt es im Irak immer noch 1,14 Millionen Binnenvertriebene. Das Land hat ebenfalls mehr als 300.000 Geflüchtete aus Nachbarländern aufgenommen, in erster Linie aus Syrien. Zwar sei der so genannte IS-Aufstand 2017 beendet worden, so berichtet Helan Remzi Muhammed, LWB-Programmkoordinatorin im Irak, aber die Gesamtsituation sei nach wie vor prekär.
Von der humanitären Hilfe zur Entwicklungsarbeit
„Die nach wie vor bestehende Notlage der zwangsvertriebenen Menschen ist in der Hauptsache auf sozio-ökonomische Faktoren, die Missachtung von Menschenrechten und fehlende Rechtsstaatlichkeit zurückzuführen und nicht mehr dem Vertriebenenstatus anzulasten“, fügt Muhammed hinzu. Infolge der langjährigen Konflikte im Irak ist es für die Menschen dort schwierig geworden, ein regelmäßiges Einkommen zu erwirtschaften oder sich eine Existenz aufzubauen. Das gilt besonders für marginalisierte Gruppen, die kaum Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen haben.
Aus diesem Grund haben die Hilfsorganisationen im Irak ihren Einsatzschwerpunkt von humanitärer Hilfe auf Entwicklungsarbeit verlegt und versuchen auf diese Weise, Menschen bei der Existenzsicherung zu helfen und das Land auf diese Weise wiederaufzubauen.
Die PROSPECTS-Partnerschaft hat sich hier einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Dieses Projekt wird von der Regierung der Niederlande geleitet und finanziert und von UN-Hilfswerken wie UNHCR und UNICEF, der Internationalen Finanz- Corporation (IFC), der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der Weltbank sowie kleineren NGO wie dem LWB umgesetzt. Ziel der Partnerschaft ist die Unterstützung von Startups. Während die privaten Partner den Kontakt zwischen den Projektteilnehmenden und den örtlichen Banken für die Vergabe von Darlehen herstellen, übernimmt der LWB die Schulung von fast 3.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen in Wirtschafts- und Finanzthemen.
Drei Jahre nach Beginn des Projektes wurden die ersten Geschäfte eröffnet, darunter die Friseursalons von Nijyar Yacoub. Yacoub hatte bereits in Mossul 2014 den Ruf, ein außergewöhnlich guter Friseur zu sein, musste sein Geschäft aber aufgeben, als er vertrieben wurde. Im Rahmen des PROSPECTS-Programms lernte Nijyar Yacoub betriebswirtschaftliches Rechnen, Strategien zum Kostensparen, Kreditmanagement und Belegdokumentation.
„Mit diesen neuen Kompetenzen sprach er bei der Middle East Bank vor, erhielt ein Darlehen und eröffnete seinen zweiten Friseursalon. Inzwischen haben sich diese Friseurläden zu lebendigen und kommunikativen Treffpunkten seiner Gemeinschaft entwickelt. Sie bieten Arbeitsplätze und inspirieren andere Menschen“, sagt Remzi Muhammed.
Sozialer Zusammenhalt
PROSPECTS ist für den LWB im Hinblick auf Partnerschaften neues Terrain, aber die wichtigste Aktivität des LWB im Irak besteht darin, ehemalige Geschäftsleute und junge Erwachsene in die Lage zu versetzen, kleine Geschäfte zu eröffnen.
Während der LWB innerhalb der PROSPECTS-Initiative nur für die Schulungsprogramme zuständig ist, übernimmt er in dem wirtschaftlichen Wiederaufbauprojekt QUEST, das von Kerk in Actie unterstützt wird, eine deutlich größere Rolle. Im Rahmen dieses Projekts unterstützt der LWB den Wiederaufbau von Unternehmen durch die Vergabe von Kleinkrediten, begleitet die geschäftliche Entwicklung und vernetzt Kleinunternehmen durch Programme zur Förderung des sozialen Zusammenhalts. Das Projekt zielt besonders auf die Inhaber und Inhaberinnen kleiner Betriebe ab, die seit mindestens einem Jahr im Markt sind.
Für viele Geschäftsleute ist es problematisch, an Kredite für das weitere Wachstum ihrer Startups zu kommen, die sie oft zunächst mit eigenen Ersparnissen gegründet haben. „Aufgrund der Rechtslage und ungeklärter Eigentumsfragen in der Region haben Ortsfremde oft Schwierigkeiten, ein Darlehen zu erhalten“, erklärt Remzi Muhammed. Der LWB hat eine lokale Bank mit ins Boot geholt, die den Aufnahmegemeinschaften, Binnenvertriebenen und Geflüchteten aus Syrien zinsfreie Kleinkredite gewährt.
Wir erleben eine generelle Veränderung der Einstellungen und Fähigkeiten von Menschen, Konflikte und neue Situationen zu bewältigen. Wir haben dafür gesorgt, dass sie auf Krisensituationen besser reagieren können
Helan REMZI MUhammmed, LWB-Programmkoordinator für Irak
Krisenresistenz stärken
Einer dieser Menschen ist Zhivan Mohammed Ismael, 43 Jahre alter Besitzer einer Möbelschreinerei in Dohuk, Kurdistan. Mit dieser finanziellen Unterstützung konnte er seinen Betrieb vergrößern, der sich auf den Bau und die Reparatur von Möbeln spezialisiert hatte, und seine Belegschaft von 9 auf 18 Angestellte verdoppeln. Als erfolgreicher Unternehmern will Zhivan jetzt weitere Mitglieder seiner Gemeinschaft dazu bewegen, ähnliche Programme wie das LWB-Projekt zu finden, um die örtliche wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen in seiner Gemeinschaft bereitzustellen.
Es ist schwierig, die Erfolgsaussichten dieser Startups vorherzusagen. Der LWB arbeitet mit Beratungsstellen der Gemeinschaften zusammen und ermittelt per Umfragen, welche Geschäfte gebraucht werden und in einer Gemeinschaft die größten Erfolgsaussichten haben. Der Wert dieser Projekte kann nicht nur an den Einnahmen gemessen werden, die eine Schreinerei erwirtschaftet. „Diese Menschen wissen jetzt, wie man Zugang zu Entwicklungsangeboten und Finanzschulungen erhält. Gemeinsame Workshops für Vertriebene und Aufnahmegemeinschaften haben den sozialen Zusammenhalt verbessert. Wir erleben eine generelle Veränderung der Einstellungen und Fähigkeiten von Menschen, Konflikte und neue Situationen zu bewältigen. Wir haben dafür gesorgt, dass sie auf Krisensituationen besser reagieren können“, sagt sie abschließend.