Jerusalem: Berufsbildungszentrum hat erfolgreiche AbsolventInnen vorzuweisen

16 Febr. 2015
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Yousef hat in Asch-Schuyuh eine Metallbau-Werkstatt aufgemacht und kann auch seinem Bruder eine Arbeitsstelle bieten. Foto: LWB-Jerusalem/T. Montgomery

Yousef hat in Asch-Schuyuh eine Metallbau-Werkstatt aufgemacht und kann auch seinem Bruder eine Arbeitsstelle bieten. Foto: LWB-Jerusalem/T. Montgomery

„Eine Entscheidung, die ich nie bereuen werde“

(LWI) – Seit 1949 bietet das Jerusalem-Programm des Lutherischen Weltbundes (LWB) palästinensischen Jugendlichen berufsbildende Massnahmen an. Zur Wahl stehen Ausbildungen in den Bereichen Autoreparatur, Tischlerei, Gastronomie, Kunsthandwerk, Metallverarbeitung, Wasserinstallation/Heizungsbau, Sekretariat und Telekommunikation.

„Bildung ist der Schlüssel“

LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge besuchte das Berufsbildungszentrum im Dezember 2014. „Es hat mich hoffnungsvoll gestimmt, den jungen Leuten in die Augen zu sehen“, erinnert er sich. „In manchen Augen erkannte ich zwar den Schmerz von Gewalt, Verlust und Konflikt, in allen aber sah ich eine Entschlossenheit und echten Durst nach einem Leben in Würde: wo man sein eigenes Geld verdient, eine Platz in der Gesellschaft findet, einen Beitrag leistet zum Aufbau der sozialen und politischen Struktur der eigenen Gesellschaft.“

Junge ergänzt: „Deswegen besuchen sie das Berufsbildungszentrum, auch wenn sie lange Wege zurücklegen oder manchmal Stunden an den Checkpoints zubringen müssen – Bildung ist der Schlüssel und diese jungen Menschen wollen ihn nutzen.“

Viele Jugendliche sind inzwischen diesen Weg gegangen, haben grundlegende berufliche Kompetenzen erworben und sich gar selbstständig gemacht. Damit haben sie ihrerseits ihr Umfeld verändert. Einige von ihnen möchten wir Ihnen heute vorstellen.

Wissen für den Beruf und den Erfolg auf dem Markt

An einem Hang nur sechs Kilometer nordöstlich der Stadt Hebron liegt das Dorf Asch-Schuyuh. Etwa 9.000 PalästinenserInnen leben in diesem von ertragreicher Landwirtschaft geprägten Ort. Vom Kamm des Hügels blickt man kilometerweit in der Runde auf sanft gewellte Felder voller Rebstöcke und Olivenbäume.

Dschasim (26) machte 2006 seinen Abschluss am LWB-Berufsbildungszentrum in Beit Hanina. Er brannte darauf, sich auf eigene Füsse zu stellen und unabhängig zu sein. So eröffnete er, ermutigt durch das Berufsbildungsprogramm, 2007 seine eigene Werkstatt. In den sieben Jahren, seit er seinen Betrieb in Asch-Schuyuh leitet, ist er im Dorf zum Fachmann für Aluminium avanciert und die benachbarte Gegend profitiert von seinem Wissen und seinen Fähigkeiten.

2013 eröffnete er eine gemeinsame Werkstatt mit seinem Bruder, Ahmad, der 2011 das Berufsbildungsprogramm absolvierte. Ahmad ist Tischler und einer von 23 AbsolventInnen des Programms, die über die Schwedische Kirche mit Mitteln der schwedischen Entwicklungsbehörde Sida gefördert wurden. Im Rahmen dieses Projekts wurden Machbarkeitsstudien für die von den AbsolventInnen vorgelegten Geschäftsideen durchgeführt, weiterhin wurden ihnen Kenntnisse für das Projektmanagement vermittelt. Im Rahmen der schwedischen Förderung erwarb das Berufsbildungsprogramm Maschinen für die AbsolventInnen, die diese im Rahmen einer Mietkauf-Vereinbarung erwerben können.

Dschasim und Ahmad wurde im Berufsbildungszentrum mehr vermittelt als Fachkenntnisse in ihrem jeweiligen Beruf, sie wissen heute auch, wie sie sich auf dem Markt erfolgreich platzieren können. Ihre Ausbildung hat ihnen die Kompetenzen für den Sprung in einen unberechenbaren Markt und eine Wirtschaft vermittelt, in der die Folgen der jahrelangen Besetzung spürbar sind. Die in ihrer Ausbildung – im Klassenzimmer und ausserhalb – gelernten Lektionen helfen ihnen bis heute. Irgendwann möchten Sie dem Ausbildungsprogramm etwas zurückgeben, indem sie im eigenen Betrieb Auszubildende aufnehmen und ihnen so ihre Erfahrungen aus der Praxis weitergeben.

Arbeitsplätze schaffen

Am Rand von Asch-Schuyuh, nicht allzu weit von Dschasims und Ahmads Werkstatt entfernt, betreibt der 25-jährige Yousef seine Metallbau-Werkstatt. Nach fast acht Jahren Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt beschloss er, sich in Asch-Schuyuh selbstständig zu machen. Yousef, der 2006 die Ausbildung im Berufsbildungszentrum abschloss, erzählt, er habe bei wechselnden Arbeitgebern zwar gut verdient, sei aber viel zufriedener, seit er seinen eigenen Betrieb habe. Dazu kann er seinem Bruder, der nach vierjährigem Studium im Jemen zu Hause keine Stelle fand, eine Arbeitsstelle und einen Lohn bieten. Die Ausbildung am Berufsbildungszentrum ermöglicht es Yousef und seinen Brüdern, ihre Zeit selbst einzuteilen und Ihrer Umgebung qualitativ hochwertige handwerkliche Arbeit anzubieten.

Dschihad, der das Bildungsprogramm in Beit Hanina 2007 abschloss, eröffnete 2014 seine eigene Tischlerei. Zuvor hatte er fast sechs Jahre lang in grossen israelischen Möbelhäusern bei Issawiyeh gearbeitet. Als er sich im Berufsbildungszentrum einschrieb, wollte er sich zunächst auf Heizungsbau spezialisieren, aber in diesem Ausbildungsgang waren keine Plätze mehr frei. Also entschloss er sich zur Tischlerei. Zu Beginn stellte er in seiner eigenen Werkstatt vor allem Möbel für grosse Möbelhäuser her. Aber durch Mundpropaganda hat er inzwischen PrivatkundInnen, die sich für seine Arbeit interessieren, darunter auch ein ehemaliger Mitschüler aus dem Berufsbildungszentrum in Beit Hanina.

Eine Entscheidung, die das Leben verändert

Ganz in der Nähe des belebten Marktplatzes von Asch-Schuyuh hat der 26-jährige Qusai seine eigene Autowerkstatt eröffnet. Nach Abschluss seiner Ausbildung in Beit Hanina 2007 arbeitete er in vielen verschiedenen Autowerkstätten in der Nähe seines Heimatortes Asch-Schuyuh. 2009 entschloss er sich zur Selbstständigkeit. Er fing klein an, in einem kleinen Gebäude am Rand des Dorfes, zog aber später in ein grösseres Anwesen um, wo er neben der Werkstatt auch eine Autowaschanlage betreiben kann.

Qusais Vater, Direktor einer Schule im Dorf, engagiert sich selbst für das Berufsbildungsprogramm und ermutigt die vielen jungen Menschen am Ort, eine Berufsausbildung zu machen, insbesondere wenn sie kein Interesse an einem Studium haben. Qusai berichtet, manche meinten, er als Sohn eines Schuldirektors müsse sich dafür schämen, dass er sich für eine Berufsausbildung und gegen einen Hochschulabschluss entschieden habe. Aber dank der Unterstützung durch seinen Vater sehen er wie auch die Dorfgemeinschaft die Vorteile, einen Beruf zu erlernen. Qusai bekräftigt, er werde die Entscheidung nie bereuen.

Für Yasmins Beschluss, die Sekretariatsausbildung in Ramallah zu machen, gilt dasselbe. Nach dem Tod ihres Vaters war klar, dass sie ihre Familie unterstützen musste. Ein Studium konnte sie sich nicht leisten, einmal wegen der langen Zeit bis zum Abschluss, zum anderen wegen der finanziellen Last. So bot ihr das Berufsbildungsprogramm eine hervorragende Alternative.

Ihre Ausbildung vermittelte ihr praktische Kenntnisse unter anderem auch im Bereich EDV. Ausserdem, so Yasmin, wuchsen ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung im August 2013 trat Yasmin eine Stelle bei United Motor Trade an, wo sie auch ihre Lehre gemacht hatte. Sie beschreibt ihren Jahrgang als eng verbundene Gemeinschaft von Frauen, die heute in den Büros ganz unterschiedlicher Arbeitgeber überall im Westjordanland arbeiten.

Mit der Einrichtung des Ausbildungsprogramms für Sekretärinnen und dem Angebot dreimonatiger Praktika bietet sich jungen Palästinenserinnen im Westjordanland, die diese Möglichkeit sonst vielleicht nicht hätten, die Chance, einen Beruf zu erlernen und im Anschluss einen Arbeitsplatz zu finden.

 

LWF World Service
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