Der LWB unterstützt seit zehn Jahren syrische Geflüchtete und ihre Aufnahmegemeinschaften in Jordanien. Es gibt viele Krisen, in denen eine schnelle Nothilfe erforderlich ist. Seine wichtigste Aufgabe hat der LWB jedoch immer darin gesehen, eine nachhaltige und langfristige Hilfestellung für ein Leben in Würde zu geben.
Elementare Überlebenshilfe in ein würdevolles Leben überführen
(LWI) – Dieses Jahr feiert der LWB Jordanien sein zehnjähriges Bestehen. Der LWB reagierte mit diesem Programm damals auf die Krise in Syrien. Zunächst als Katastrophenhilfe im Sommer 2012 auf den Weg gebracht, wurde diese Initiative 2014 als neues LWB-Länderprogramm registriert. In den vergangenen zehn Jahren hat das Büro mehrere Veränderungen durchlaufen. Ein Aspekt bleibt jedoch eine konstante Größe: Die Verpflichtung, die erste elementare Überlebenshilfe in ein würdevolles Leben zu überführen.
„Durch seine Dienstleistungen und die Unterstützung für syrische und irakische Geflüchtete sowie besonders schutzbedürftige Mitglieder der jordanischen Aufnahmegemeinschaft mit besonderer Beachtung der Bedürfnisse von Frauen und jungen Menschen hat der LWB Jordanien einen Beitrag dazu geleistet, den Gemeinschaften im Norden Jordaniens Handlungsmacht zu geben“, sagt Caroline Tveoy, regionale Programmkoordinatorin des LWB.
„In zwei Wochen sind wir wieder in Syrien“
Der LWB hatte bereits von 1949 bis 1975 ein Länderprogramm für Jordanien durchgeführt, in erster Linie zur Unterstützung palästinensischer Geflüchteter. 2012, kurz nach der Ankunft der ersten Geflüchteten aus Syrien, reagierte der LWB auf die Bitte seiner Mitgliedskirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, die syrischen Geflüchteten und hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen in Jordanien zu unterstützen.
Islam Shdefat, Programmkoordinatorin für LWB-Jordanien, ist seit Ankunft der ersten Geflüchteten in Jordanien 2011 an der humanitären Hilfsaktion als Antwort auf die Krise in Syrien beteiligt. Während ihrer Arbeit für eine andere Hilfsorganisation hat sie Menschen aufgenommen, die vor dem Bürgerkrieg in Ramtha geflohen sind, ganz in der Nähe der jordanisch-syrischen Grenze. Die ersten Menschen, die über die Grenze kamen, waren Frauen und Kinder, die aus Syrien flüchteten und Schutz suchten. Oft mussten sie geliebte Ehemänner, Brüder, Väter und Großväter zurücklassen. „Diese Frauen wollten unbedingt wieder nach Hause und konnten nicht voraussehen, wie lange dieser Konflikt dauern würde“, erinnert sich Shdefat. „Sie haben mir immer wieder gesagt: ‚In zwei Wochen sind wir wieder in Syrien‘.“
Aus den zwei Wochen wurden elf Jahre, und aus den großen Flüchtlingslagern in Jordanien sind Kleinstädte mit Schulen, Geschäften und Gesundheitszentren entstanden. „Die Tatsache, dass der Krieg nicht innerhalb kurzer Zeit zu Ende sein würde, wurde mir und meinen Kolleginnen und Kollegen ein paar Wochen später klar, als wie die Eröffnung des ersten Friseurladens in einem der Zelte erlebt haben, in dem syrische Geflüchtete lebten“, erinnert sich Shdefat.
Humanitäre Hilfe nach Bedarf
Der LWB hat sich mit seinen Aktionen angepasst – ging es zunächst eher um eine schnelle Soforthilfe, geht es jetzt um Programme, die den Menschen langfristig nutzen. So waren zum Beispiel die Auszahlung von Bargeldhilfen und die schnelle Verteilung von Hilfsgütern in den ersten Phasen des syrischen Bürgerkriegs von größter Bedeutung. Diese Art der Hilfestellung war auch wieder lebensrettend während der COVID-19-Pandemie. Direkt zu Beginn der Krise hat sich das LWB-Personal allerdings schon die Frage gestellt, was erforderlich sein wird, wenn die Geflüchteten länger als nur ein paar Wochen bleiben würden. Diese Frage musste nicht nur für sie, sondern auch für ihre Aufnahmegemeinschaften beantwortet werden.
Seit der LWB Jordanien seine Arbeit 2012 aufgenommen hat, betreibt der LWB die Friedensoase, ein soziokulturelles Zentrum für junge Menschen im Flüchtlingslager Za‘atari. 2016 öffnete ein Gemeinschaftszentrum mit einem Unterbüro in Irbid. 2019 wurde die Friedensoase um das „Smurf Centre“ ergänzt, das besonders auf die Bedürfnisse von Kindern eingeht. Gleichzeitig eröffnete der LWB ein weiteres Gemeinschaftszentrum in Zarqa. Heute bieten alle drei Zentren dieselben Dienstleistungen an: Fallmanagement, Beratungen für einzelne Personen, Gruppen oder Familien, Überweisungen, Livelihood-Projekte für Männer und Frauen, Mobilisierung von Gemeinschaften und Aufklärungsarbeit. Die Zentren sind ebenfalls stolz auf ihre gut sortierten Second-Hand-Läden, die auf eine nachhaltige und würdige Weise einen Beitrag zu Kreislaufwirtschaft leisten.
Ein Teil der Arbeit des LWB wird für jordanischen Schulen geleistet, die Hunderttausende von geflüchteten Kindern aufgenommen hatten und dringend renoviert werden mussten. „Im Laufe der Jahre haben wir mehr als 100 Schulen wieder hergerichtet und damit einen Beitrag zu einem verbesserten Lernumfeld für mehr als 65.000 Schülerinnen und Schüler in Amman und den drei nördlichen Gouvernements in Jordanien geleistet: Irbid, Zarqa und Mafraq. Inzwischen ist der Wiederaufbau der Schulen nicht mehr unsere vorrangige Aufgabe, sondern wir sorgen für ein sicheres, freundliches und anregendes Umfeld für Kinder, junge Erwachsene, Frauen, Familien und Gemeinschaften“, sagt Tveoy.
Ausschließlich lokales Personal und Mitarbeitende mit eigener Fluchterfahrung
Im Laufe der Jahre hat der LWB enge Verbindungen zu den Gemeinschaften aufgebaut, sagt Programmkoordinatorin Islam Shdefat. „Ich habe erlebt, wie geflüchtete Kinder hier ihren Schulabschluss gemacht haben und zu erwachsenen Menschen geworden sind. Der LWB ist für viele von ihnen zu einer Familie geworden“, sagt sie. „Ich bin zu den Hochzeiten syrischer Paare eingeladen worden, mit denen ich gespielt habe, als das Flüchtlingslager Za‘atari aufgebaut wurde und sie noch Kinder waren.“
Das gemeinschaftsorientierte Vorgehen des LWB, das für die drei Gemeinschaftszentren entscheidend ist, und ein gut ausgebautes Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen fördern gegenseitiges Lernen und Interaktionen zwischen Geflüchteten und den Jordanierinnen und Jordaniern. Das Programm wird ausschließlich von lokalem Personal geleitet. So sind es zum Beispiel Geflüchtete aus Syrien, die über die Aktivitäten in der Friedensoase entscheiden und die Workshops leiten. „Das örtliche Personal, unterstützt durch Ehrenamtliche aus der syrischen und jordanischen Gemeinschaft, sind die eigentliche Stärke des Programms“, sagt Amira Khamis, Länderdirektorin beim LWB Jordanien. „Sie arbeiten alle gemeinsam, um Bedürfnisse zu erkennen und gemeinsam Veränderungen zu bewirken.“
Ein weiteres wichtiges Merkmal, das den LWB Jordanien auszeichnet, ist der hohe Frauenanteil auf der Führungsebene und im Mitarbeiterstab. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Jordanien erreicht nur 15 Prozent, in Führungspositionen ist der Frauenanteil noch geringer. Beim LWB Jordanien sind dagegen drei der vier Positionen im leitenden Management zurzeit mit jordanischen Frauen besetzt, um im Büro wurde Gender-Parität erreicht (50:50). „Abgesehen von der ausgezeichneten Arbeit vor Ort überwindet der LWB Jordanien auch die typische Voreingenommenheit gegenüber Frauen und stellt einige der tief verwurzelten sozialen Normen in Frage, indem er weibliche Führungspersönlichkeiten unterstützt und ihnen Handlungsmacht gibt“, stellt Khamis fest.
Starke Unterstützung durch die internationalen Kirchenpartner
Während der gesamten vergangenen zehn Jahre hatte der LWB das Glück, sich auf ein Netzwerk internationaler Kirchenpartner besonders in Nordamerika und im Norden Europas verlassen zu können. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung der Programme haben sich diese Partner auch an strategischen Diskussionen beteiligt und wertvolle Beiträge zur programmatischen Entwicklung geleistet. Tveoy erklärt abschließend: „Es gäbe heute kein Programm des LWB Jordanien ohne die Unterstützung und das Engagement der großen LWB-Gemeinschaft.“
Während der vergangenen zehn Jahre des LWB-Programms in Jordanien hat der LWB mehr als 330.000 Menschen in Not geholfen. In dieser Zeit hat der LWB seinen Ruf im Land als respektierte humanitäre Entwicklungsorganisation gefestigt und ein Partnernetzwerk auf unterschiedlichen Ebenen aufgebaut – dazu zählen 8 Regierungsinstitutionen, 25 internationale in nationale NGOs und 40 gemeinschaftsnahe Organisationen.
"Du, ich, Krieg" von Jenny Moe, 2015
Projekt im Flüchtlingslager Za‘atari